Applaus, Applaus und TUSCH ‒Theater und Schule

Fünf Tage Theater, 26 Theaterproduktionen, 500 Schülerinnen und Schüler und Projektpartner wie der Friedrichstadt-Palast, das Staatsballett Berlin, das GRIPS Theater, die Schaubühne, die Komische Oper, das Maxim Gorki Theater, die Neuköllner Oper, das Deutsches Theater, die Volksbühne usw.. Das ist das TUSCH-Festival, welches Ende März diesen Jahres im Palais Podewil in Berlin stattfand. Wir haben uns einige der Stücke angeschaut, mit einer Theaterpädagogin und den Schülerinnen und Schülern über ihre Zusammenarbeit gesprochen und bei der TUSCH-Projektleiterin Dr. Lena Blessing nachgehakt, was TUSCH eigentlich ist und wie das Projekt Schulen kulturell bereichern kann.

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Was verbirgt sich hinter TUSCH?

Über 47.000 Schülerinnen und Schüler haben in 16 Jahren TUSCH-Partnerschaft die Möglichkeit erfahren, mit großen Theaterhäusern zu kooperieren. Durch TUSCH Theater und Schule bestehen zur Zeit 36 Partnerschaften zwischen Schulen aller Schularten und Theatern, so die Projektleiterin Lena Blessing und erklärt, was genau unter TUSCH zu verstehen ist: „TUSCH ist ein Kooperationsprojekt der kulturellen Bildung, das dreijährige Partnerschaften zwischen einer Berliner Schule und einem Berliner Theater vermittelt. Man muss sich bei uns bewerben und wir vermitteln diese Partnerschaften, unterstützen sie finanziell und betreuen sie durch eine Prozessbegleitung.”

Tusch-Theater und Schule, Berlin Podewil, Festtage 2014

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Bereits vor 16 Jahren wurde das Projekt aus der Bildungssenatsverwaltung heraus gegründet ‒ eine Zeit, so Blessing, wo es wenig Theaterpädagogen an den Theaterhäusern gab „[…] und insoweit war es natürlich sinnvoll zu versuchen, diese beiden Institutionen miteinander zu verbinden und für beide eine fruchtbare Kooperation zu ermöglichen“.

Ziel des Projektes ist es, die kulturelle Bildung an Schulen zu fördern, eine Begegnung mit dem Theater, vom Rezipieren bis hin zum eigenen Spiel zu ermöglichen und zu erproben und damit die Persönlichkeitsentwicklung positiv zu beeinflussen. Auf der anderen Seite, gibt Blessing zu bedenken, „[…] ist es uns natürlich auch wichtig, dass auch die Theater einen Mehrwert aus der Zusammenarbeit ziehen und sie dadurch mit der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen konfrontiert werden.“ Des Weiteren bringt Blessing die Spachförderung an, die durch das Theaterspiel und das richtige Zuschauen durchaus gefördert wird und bei den Anfragen der Schulen oftmals als Motivation für die Zusammenarbeit im Vordergrund steht.

Generell wird das Projekt von den Schulen sehr gut angenommen: „Wir bekommen immer mehr Bewerbungen, als wir wirklich vermitteln können, insoweit ist die Nachfrage groß und von den Partnerschaften, die das Projekt durchführen, ist die Rückmeldung auch positiv.“

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Das Festival

Auch in diesem Jahr bot das TUSCH-Festival den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, im Palais Podewil in Berlin Mitte ihre Zusammenarbeit mit den großen Theatern Berlins zu präsentieren. Aus Kapazitätsgründen treten aber nicht alle momentan 36 Partnerschaften auf dem Festival auf. Blessing fügt dem hinzu: „Indem die Partnerschafen im ersten Jahr nicht auftreten, haben sie genügend Zeit, sich kennenzulernen. Wenn man im September erstmals aufeinander trifft und dann schon im März auf die Bühne muss, dann ist da natürlich ein großer Druck dahinter“.

Gespielt wird bei dem Festival in Programmblöcken, in denen jeweils zwei Partnerschaften ihre Stücke präsentieren und sich die Schülerinnen und Schüler der unterschiedlichen Gruppen gegenseitig zuschauen können. Anschließend sieht das Festival Nachgespräche vor, die auch von den meisten Projektpartnerschaften angenommen werden. Hier sitzt aber kein externer Theaterkritiker, der das Spiel der Schülerinnen und Schüler bis ins Kleinste analysiert, sondern die jungen Darstellerinnen und Darsteller reflektieren sich gegenseitig.

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Um uns, zumindest was die Resultate der Zusammenarbeit betrifft, ein Bild machen zu können, haben wir uns zwei Programmblöcke an einem der Festivaltage angeschaut. Da war zum einen das Stück Kommt nicht in die Tüte von Viertklässlern der Nehring-Grundschule in Kooperation mit der Schaubude Berlin, die das spielerische Potential von Papiertüten in ihrer Stückentwicklung erkundet haben. Von den Kostümen über die Requisiten bis hin zum Inhalt ‒ denn vor märchenhaften Kontext beklagt sich das Volk des Papiertütenlandes über Steuererhöhung um 5mm für jede Tüte. Dass sich im Papiertütenland unter diesen Verkündungen kein König lange hält, wird eindrücklich bewiesen und das grau-braune Land von seiner steuerungerechten Tristesse befreit. Von der 1. Gemeinschaftsschule Schöneberg in Zusammenarbeit mit dem THEATER STRAHL entstand das Stück Drück mich, drück mich nicht, in dem sich den Themen erster Kuss, erste Liebe und Sexualität angenähert wurde. Fünft- bis Achtklässler stellen sich den berühmten Fragen: Bin ich alt genug für ein Beziehung? Wie geht eigentlich ein Zungenkuss? Steht der auf mich oder will der nur chillen? Es geht um die vielen Formen der Umarmung, über Liebesbriefe, vergangene Romantiker und dem ganzen Getratsche um das heißgekochte Thema, kombiniert mit einer Performance aus weißen Wänden, die das Spiel räumlich formen, neue Ebenen eröffnen sowie Schutz und Sicherheit bieten, wenn es doch mal peinlich wird. Interessant war es auch, der Staatlichen Ballettschule Berlin und Schule für Artistik zuzuschauen, die im Rahmen der TUSCH-Partnerschaft mit dem Theater 89 kooperiert. Hier wurden klassische Clownsszenen, so auch der Titel des gleichnamigen Stückes, vorgestellt, getanzt, artistsch adaptiert und die Widrigkeiten porträtiert, mit denen Clownsfiguren gemeinhin zu kämpfen haben.

„Für was würdest du auf die Straße gehen“

Dass haben sich die Schülerinnen und Schüler des Eckner Gymnasiums gefragt, während sie zusammen mit dem GRIPS Theater das Stück Brennende Ungeduld erarbeitet haben. Hier war uns auch die Möglichkeit gegeben, nach dem Stück mit einigen Spielerinnen und Spielern zu sprechen und auch die Theaterpädagogin des GRIPS Theaters Laura Klatt zur Zusammenarbeit zu befragen.
Vor dem Hintergrund der Themen Politik, Geschichte, Revolution und den Fragen: Was bewegt uns? Was macht uns glücklich? Was ist anders im Vergleich zu vergangenen Zeiten? wurde sich zunächst über Improvisationsarbeit an die Stückentwicklung herangetastet. „Im Juni haben wir am GRIPS Theater die Uraufführung des Stückes ‘1848: Die Geschichte von Jette und Frieder’, nach dem gleichnamigen Roman von Klaus Kordon, der ja teilweise auch an den Schulen gelesen wird und haben mit den Schülern über das Thema des Buches gesprochen. Dann haben wir uns einzelne Szenen aus dem Stück näher angeschaut, darüber diskutiert und einzelne Momente herausgenommen, bei denen wir das Gefühl hatten, dass die Schüler darauf einsteigen würden“, so Laura Klatt zur Stückentwicklung. Bei ihrer Arbeit als Theaterpädagogin ist es ihr besonders wichtig, „[…] dass die Schülerinnen und Schüler, eigene Ideen und Vorstellungen miteinbringen. Ich sehe mich dann als diejenige, die daraus etwas formt, zu einem Stück baut.“ Im Zuge der Zusammenarbeit ist sie davon überzeugt, dass beide voneinander lernen, die Schülerinnen und Schüler so wie sie selbst auch. „Es findet eine Art Austausch statt, indem beide Seiten durch den Blick des anderen hinzu lernen und verstehen.“

Tusch-Theater und Schule, Berlin Podewil, Festtage 2014

Die Schülerinnen und Schüler sehen in der Zusammenarbeit einen großen Vorteil, sprechen von „mehr Organisation”, von Aufwärmübungen, die sie vorher nicht kannten, die aber wichtig für die Vorbereitung und das Spiel sind, sowie Kniffs und Tricks, z. B. für den Hänger bei der Aufführung ‒ „[…] dass man nicht sagt: ‘Oh mein Gott, ich hab was Falsches gemacht’, sondern einfach weiterspielt“. Neben der Euphorie, die sie für das Theaterspiel teilen, gehen die Antworten bei der gezielten Frage, was ihnen das Theater spielen bedeutet, in erster Instanz in verschiedene Richtungen. So ist es für Baancha besonders wichtig, „Anderen eine Freude zu bereiten und diese Freude dann zu sehen”. Sophia mag es, „[…] das ich in verschiedene Rollen schlüpfen, dabei aber ich selber sein kann, ohne dass das Publikum merkt, dass man es selbst ist und nicht die Rolle“ . Und Delia spricht sicher für alle, wenn sie sagt „Man lernt viel dadurch, über sich selbst, man wird offener, man traut sich mehr“. Yagmur fügt dem noch hinzu: „Es ist auch etwas besonderes, Theater spielen zu können. Dass kann auch nicht jeder, weil man so richtig in die Rolle reinschlüpfen muss“.

Tusch-Theater und Schule, Berlin Podewil, Festtage 2014

Eine Kooperation, die auch Konflikte birgt

Dr. Lena Blessing, die Projektleiterin von TUSCH, gesteht aber bei allen positiven Mehrwerten, die solch eine Partnerschaft hat, auch kleine Problemherde ein: „Natürlich ist bei zwei so unterschiedlichen Institutionen immer auch ein gewisses Konfliktpotential da. Das ist ganz klar und gehört auch dazu, weil es einfach so ist, dass in Schulen und Theatern unterschiedliche Strukturen vorliegen. Das kann dann mitunter auch eine anstrengende Zeit sein, so eine TUSCH-Partnerschaft. Wir begreifen die Konflikte aber als Chance, indem die Hindernisse auch wichtige Impulse im künstlerischen Prozess sind. Es ist alles in allem eine Zeit, aus der Schülerinnen und Schüler sehr viel Bereicherungen erfahren, viel lernen, viel Positives daraus ziehen können, Freude daran haben und das als totalen Mehrwert sehen“. Und das zeigt sich ja auch deutlich in der Rückmeldung auf das Projekt, dass nicht genug Plätze für die Anzahl der Anmeldungen zur Verfügung stehen und das viele Schulen eine zweite Partnerschaft anfügen wollen, was erstmals ab kommenden Schuljahr möglich sein wird.

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Titelbild und Fotos: ©Jan Ziegler