Wenn Schüler Schulbücher entwerfen: die digitalen Physikbücher von Andreas Huber

Der 17-jährige Schüler Andreas Huber hat zwei digitale Schulbücher für den Physikunterricht entworfen. Mit dem eBook Physik 7 hat er sogar den in diesem Jahr erstmals ausgeschriebenen eBook Award gewonnen. Wir haben den jungen Autor interviewt.

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Den gängigen Schulbüchern ein digitales Pendant entgegenzusetzen, darüber wird schon länger heiß diskutiert. Digitale Medien sind aus dem Alltag von Kindern und Jugendlichen nicht mehr wegzudenken und es ist schon lange an der Zeit, sie auch im Bildungskontext in ihren Lebenswelten abzuholen, um somit ihrem Lern- und Lehrverhalten Rechnung zu tragen. Einige Beispiele gibt es schon, wie z. B. das iBook Der Kreis von sofatutor (Mathematik/Geometrie Klasse 8/9) oder die iBooks von Andreas Huber, 17 Jahre alt und Schüler des Karl-von-Closen-Gymnasiums in Eggenfelden. Mit der iBook Author Software von Apple entwarf er die digitalen Schulbücher Physik 7 und Physik 8, die Schülerinnen und Schülern der Gymnasialstufe über Graphiken, Videos und Diagramme entsprechenden Schulstoff anschaulich und interaktiv näherbringen. Physik 8 war im September 2013 eines der ersten deutschen Lehrbücher im iBook Store. Physik 7 folgte im August 2014 und bescherte dem Schüler den eBook Award: ,Für Physik 7 wurde iBooks Author verwendet, um ein interaktives Lehrbuch für den gymnasialen Schulunterricht zu realisieren. Die naturwissenschaftlichen Inhalte werden durch dynamische Abbildungen, Bildergalerien, sowie interaktive Diagramme, Schaubilder und Versuchsanordnungen ergänzt. Die Möglichkeiten von iBooks Author als Autorentool […] wurden hier didaktisch hervorragend für die mediengerechte Umsetzung von Wissenschafts-Inhalten eingesetzt’, so die Jurymeinung.


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Andreas Huber

Andreas Huber © Andreas Huber

Wie kamst du dazu, Autor eines ebooks zu werden?

Andreas Huber: „Als Apple im Januar 2012 die kostenlose Authoring App iBooks Author vorstellte, war ich sofort von den unglaublichen Möglichkeiten dieser Software begeistert und da ich enthusiastischer Mac-User bin, probierte ich die Software auch sofort aus. Diese ist sehr leicht zu handhaben, wenn man bereits iWork Apps, wie etwa Keynote oder Pages kennt, und man kann damit wirklich beeindruckende Ergebnisse erzielen. So entschloss ich mich also, auf der Grundlage von iBooks Author ein interaktives Lehrbuch nach meinen Vorstellungen zu gestalten.”


Wie würdest du dein eBook Physik 7 in kurzen Sätzen beschreiben? Und was ist das Besondere daran?

Andreas Huber:Physik 7 ist ein interaktives iBooks-Lehrbuch, das speziell für die siebte Jahrgangsstufe nach dem bayerischen Lehrplan gestaltet wurde. Themen im Buch sind beispielsweise ,Elektrizität’, ,Mechanik’ und ,Optik’. Zudem erhalten Lernende parallel zum obligatorischen Lehrstoff einen Überblick über relevante, alltagsbezogene Anwendungsgebiete des Gelernten.

Worin sich mein Lehrbuch von seinen Mitbewerbern unterscheidet, ist die Art und Weise wie die Inhalte dem Leser vermittelt bzw. präsentiert werden. Die Grundlage meines Lehrbuchs ist ein neuartiges, selbstentwickeltes Design, das klarer, übersichtlicher und schöner ist. Einheitliche Formen, hochauflösende Graphiken und eine optimierte Typographie sorgen für komfortables Arbeiten mit dem Buch. Doch das ,coolste’ Feature in Physik 7 und auch schon bei Physik 8 sind die interaktiven Multi-Touch-Widgets, die den Lernstoff zum Leben erwecken. Mit Keynotes werden sogar animierte Schaubilder und Versuchsanordnungen realisiert. Die Quintessenz meines Lehrbuchs ist also, dass Lernen zum Erlebnis wird, Schüler mit dem Lernstoff durch Interaktionen noch direkter in Kontakt kommen und in den Lernprozess einbezogen werden.”



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© Lernbücher Huber

Wie hast du dir die Inhalte erarbeitet? Bist du da auch auf rechtliche Fragen gestoßen?

Andreas Huber: „Grundlage für Physik 7 und Physik 8 waren die Hefteinträge aus dem Schulunterricht. Diese bildeten sozusagen das ,Grundgerüst’, den Schreibplan, für meine Bücher. Diese Unterrichtsmitschriften habe ich dann passend ausformuliert und teilweise die ein oder
andere Sache noch nachrecherchiert. So stammen alle Texte eigens von mir. Schwieriger wurde es bei den Bildern. Die meisten Schaubilder habe ich selbst mit einem einfachen Vektor-Graphik-Programm erstellt. Bei richtigen Fotografien griff ich dann auf flickr zurück, wo manche Benutzer ihre Bilder unter einer Creative-Commons- Lizenz teilen, welche die kommerzielle Nutzung zulässt. Weitere Quellen waren Wikimedia Commons und sogar NASA. (Weitere Medienressourcen für Interessierte werden hier aufgeführt: https://www.apple.com/de/education/create-with-ibooks-author/)”


Es scheint so, als hätte dir dein „normales‟ Physikbuch nicht so gut gefallen?! Was sind deiner Meinung nach die Vorteile von eBooks im Gegensatz zum klassischen Schulbuch?

Andreas Huber: „Wenn ich mich noch so recht an die siebte Klasse zurückerinnere, fällt mir auf, dass wir unser Physikbuch gar nicht so oft verwendet haben. Bei meinen Büchern fokussierte ich mich aber darauf, dass das Lehrbuch das Zentrum des Lernens wird. Heutzutage setzen viele Schulen unterschiedliche Produkte für ein Fach ein, wie etwa Filme, CD-Roms, usw.. Mein Lehrbuch bietet sozusagen das ,Gesamtpaket’ indem es mehrere Medientypen sinnvoll miteinander kombiniert und an einem Ort vereint. Zudem haben eBooks den Vorteil, dass man Hunderte von ihnen dabei haben kann, ohne dass man eine überfüllte Schultasche hat. Und man kann eBooks und auch Apps aktualisieren, sodass der Lernende immer die aktuellste Version hat, ohne sich die neue Auflage kaufen zu müssen. Des Weiteren bieten iBooks App nützliche Funktionen, wie etwa Notizen und Markierungen direkt im Buch ‒ Dinge, die man eigentlich bei einem geliehenen Schulbuch nicht machen darf. Und diese Notizen, Markierungen, Lesezeichen und Bücherregale können dann zwischen Macs und iOS-Geräten über iCloud synchronisiert werden, sodass man alles immer und überall parat hat.



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© Lernbücher Huber

Der Einsatz von Medien im Unterricht rückt immer mehr in den Fokus, doch in vielen Fällen sieht die Realität anders aus als die Erwartungen erhoffen lassen. Wie denkst du generell über digitalen Unterricht, wie schätzt du die Entwicklung ein und was würdest du dir als Schüler wünschen?

Andreas Huber: „Ich gehe auf eine Schule, die eigentlich sehr fortschrittlich ist, was moderne Medien betrifft. Wir haben in jedem Klassenzimmer ein Whiteboard oder einen Beamer mit Computer und auch ein paar Computerräume. Was fehlt, ist jedoch der Content. So wurden ja Whiteboards für die Stiftbenutzung konzipiert, bieten jedoch bisher kaum sinnvolle Einsatzmöglichkeiten. Was die Schulen also brauchen, sind sogenannte Contentprovider, also Leute, die Inhalte bereitstellen. Diese Aufgabe sollten normalerweise die Verlage übernehmen, da sie ja bereits großartige Inhalte in ihren Schulbüchern haben. Die Digitalisierung und Weiterentwicklung von derartigen Inhalten verläuft aber in Deutschland nur schleppend. Ein zweiter Faktor ist dann die Bereitschaft der Lehrer, derartige Medien im Unterricht einzusetzen. Zudem ist zu überlegen, wie die nötigen Geräte finanziert werden — von den Eltern, der Schule? Was mich vor allem stört, ist die Bevormundung von Schülern. So wird Ihnen beispielsweise von Anfang an nur das Microsoft-Betriebssystem näher gebracht. Ich persönlich habe festgestellt, dass ich lieber mit iPad und Mac und iWork arbeite. Man sollte die Schüler selbst entscheiden lassen und nicht in ein bestimmtes Muster zwängen.”


Du bist selbst noch Schüler. Worin siehst du Vorteile, wenn Schüler Schulbücher schreiben und entwerfen? Schließlich ist die Konkurrenz groß auf dem Schulbuchmarkt.

Andreas Huber: „Prinzipiell ist es egal, wie alt man ist, um ein Lehrbuch zu erstellen. Man muss viel Herzblut hineinstecken und das lieben und davon überzeugt sein, was man macht. Mein Lehrbuch war nie dafür gedacht, den großen Verlagen Verkaufszahlen streitig zu machen, sondern zu zeigen, in welche Richtung das Lehrbuch der Zukunft gehen wird bzw. was meine Interpretation dessen ist. Für Schüler bringt die Erstellung eines Lehrbuchs den Vorteil, dass sie sich selbst mit dem Lehrstoff auseinandersetzen und ihn dadurch vielleicht besser verstehen oder anderen besser erklären können. Halyna Kubiv hat das bei meinem Macwelt-Interview recht schön als ,Learning by doing hoch zwei’ bezeichnet, da man einerseits den Lernstoff wiederholt und andererseits auch den Umgang mit der Software erlernt. Es muss ja nicht unbedingt gleich ein ganzes Schulbuch sein: Interaktive Arbeitsblätter, Lerneinheiten oder kleine Projektarbeiten können z. B. auch mithilfe von iBooks Author realisiert werden.”


Dein Erfolg gibt dir Recht. Dein eBook Physik 8 war lange Zeit das beliebteste im iBooks Store Deutschland und du bist nun der Erste, der den deutschen eBook Award sein Eigen nennen darf. Wie fühlt sich das an und macht das Lust auf mehr?

Andreas Huber: „Der eBook Award ist natürlich eine sehr große Ehre für mich. Vor allem wenn ich bedenke, dass die Veröffentlichung meines ersten Lehrbuchs Physik 8 weniger als ein Jahr zurückliegt. In diesem Moment merkt man einfach, dass sich die harte, konsequente Arbeit ausgezahlt hat. Der eigene Erfolg ist aber nicht so wichtig wie die Kundenzufriedenheit. Und es ist einfach unglaublich, was für ein Feedback ich bekomme. Vor ein paar Tagen beispielsweise bekam ich eine Nachricht von einem fast 80-Jährigen, dem mein Lehrbuch sehr gefällt und der es seinem Enkel weiterempfohlen hat, und kurz darauf von einem Schüler, der Physik 7 verwendet, weil er dieses Fach hochinteressant findet und durch mein Lehrbuch noch besser die Zusammenhänge versteht und mehr entdecken kann. Solche Geschichten sind wichtiger als irgendwelche Downloadzahlen. Was die Zukunft bringt, kann ich noch nicht sagen. Ich bin zurzeit in der Oberstufe und werde übernächstes Jahr mein Abitur machen. Es wird aber im nächsten Jahr ein Update für Physik 8, meinem ersten Buch, geben, das viele Neuerungen und Verbesserungen mit sich bringen wird. Auch andere Fächer erscheinen mir äußerst interessant. Es bleibt also insgesamt spannend.”


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Titelbild: © Lernbücher Huber