27. Januar – Holocaust Gedenktag: Erinnerungskultur und kollektives Gedächtnis

Das Erinnern und Gedenken an die Vernichtung unter der Herrschaft des Nationalsozialismus ist und bleibt unabdingbar. Inhalt des folgenden Artikels soll es nicht sein, hinlänglich auf die pädagogischen Schlaglichter im Umgang mit der „Holocaust-Erziehung” hinzuweisen, sondern anlässlich des Gedenktages vor allem zur Erinnerung aufzurufen.

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Erinnern schafft Wissen und Wissen schafft Verstehen

Am 27. Januar 1945 betraten russische Soldaten das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. Dieser Moment der Befreiung wurde zum Anlass genommen, den 27. Januar als Tag des Gedenkens an alle Opfer des Nationalsozialismus zu proklamieren. Am 3.1. 1996 wurde er durch die Proklamation des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog zum bundesweiten und gesetzlich verankerten Gedenktag ernannt. 2005 folgte die internationale Erklärung von den Vereinten Nationen.

Das Erinnern bzw. Gedenken an die Unterdrückung, Verfolgung, Ermordung und Vernichtung von Menschen unter der Herrschaft des Nationalsozialismus ist wesentlicher Bestandteil unserer politischen Kultur und unverzichtbarer Teil der Erziehung zur Achtung der Menschenwürde, zu Zivilcourage und Demokratie. Somit versteht sich Holocausterziehung als Menschenrechts- Demokratie- sowie antirassistische Erziehung und stellt eine besondere pädagogische Herausforderung dar, steht doch jede Auseinandersetzung mit dem Holocaust vor dem Problem, das Unbegreifliche – den millionenfachen Massenmord – begreiflich machen zu müssen. Die wissenschaftliche wie die pädagogische Beschäftigung mit der Thematik des Holocaust hat stark zugenommen, sodass wir heute, insbesondere im schulischen Kontext, zwar nicht mehr vor dem Problem stehen, den Holocaust als Unterrichtsgegenstand überhaupt durchzusetzen, sondern vor dem didaktischen Problem der adäquaten Vermittlung.

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Erinnern und Gedenken

Erinnern stellt einen individuellen Vorgang dar, wie beispielsweise das Erinnern entsprechender Zeitzeugen. Gedenken hingegen ist ein Begriff der Verwendung findet, um eine öffentliche Form verbaler Repräsentation von Geschichte zu bezeichnen, bzw. die Auseinandersetzung und Reflexion dieser. In den Gesellschaften der Opfer hat anfangs auch nicht die Beschreibung, sondern das Gedenken, das Ritual, die Wiedererzählung, die literarische oder poetische Form im Vordergrund gestanden.

In der Erinnerung bildet der Einzelne, unter Rückgriff auf vergangene Erlebnisse und angeregt durch gegenwärtige Anforderungen, eine Vorstellung eigener personaler Identität als auch ein Verständnis seiner natürlichen und sozialen Umwelt aus. Damit wird die Sichtweise auf die wirkenden Konstruktionsmechanismen eröffnet und gleichzeitig ein Beitrag zum Verständnis der Bildung und Fundierung von Deutungsmustern, die die Lebenswelt des Menschen bestimmen, geebnet.

Somit stellen Gespräche mit Zeitzeugen eine wichtige und kaum zu ersetzende Methode dar, bei Kindern und Jugendlichen die notwendige Empathie und damit den Schlüssel für Verständnis zu erzeugen. Vierzig bis fünfzig Jahre gelten gemeinhin als Grenze lebendiger Erinnerung an eine erlebte Vergangenheit, bevor ein Generationswechsel die Transformation der subjektiven Bezüge unumgänglich macht. Mit dem Aussterben der Generationen jener Epoche, welche noch als Zeugen auftreten können, scheint es zunehmend an der Zeit zu sein, nach übertragbaren Erkenntnissen für die Vermittlung der Geschichte des Holocaust zu suchen. Umso dringlicher erscheint es, die Chance lebendiger Erinnerung noch nutzbar zu machen. Doch Videoaufzeichnungen von Interviews können den Verlust nur bedingt ausgleichen, bieten aber wohl in der Zukunft, neben Bildern und Tagebuchaufzeichnungen, die einzige Möglichkeit, persönliche Erlebnisse und Erfahrungen jener Zeit zu vermitteln.

Holocaust im Unterricht

Begriffsproblematik

Die Ausbildung eines kollektiven Gedächtnisses an Holocaust oder Shoah, so der hebräische Terminus (für „Unheil”, „Katastrophe”), oder den Völkermord an den Juden, wie der deutsche Begriff lautet, ist ein mühsamer und langwieriger Prozess. In der Auseinandersetzung mit jenem ungeheuerlichen Ereignis unserer Geschichte sind damit mehrere Termini in Gebrauch. International hat sich jedoch vor allem die Bezeichnung Holocaust durchgesetzt, obwohl dieser bei näherer Betrachtung eher unpassend erscheint. Das aus dem Griechischen entlehnte Wort (griech.: holocausten= vollständig Verbranntes) bezeichnet ursprünglich eine bestimmte Art des Brandopfers ‒ das Verbrennen ganzer Tiere im Zuge eines Opferkultes. Doch es liegt auf der Hand, dass dieser Terminus in seiner Bedeutung nicht annähernd die Vernichtung der Juden während des Nationalsozialismus beschreibt. Vor allem in Hinblick auf die Auseinandersetzung mit diesem Thema im Schulunterricht sollte es unumgänglich erscheinen, über diese Begriffsproblematik aufzuklären.

Wertevermittlung

Bei der „Holocaust-Erziehung“ steht nicht so sehr das kognitive Wissen im Vordergrund, sondern in erster Linie eine Vermittlung von Werten und Moralvorstellungen, die widerstandsfähig gegen Antisemitismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit etc. machen. Die gegenwärtige Erinnerungskultur sowie die politischen Skandale und Verbrechen in diesem Kontext machen deutlich, dass der Holocaust Teil unserer politischen Kultur ist. Dies bedingt eine Abkehr von tradierten Mustern und erfordert neue Ansätze. Damit einher geht, dass die Erziehung hinsichtlich des Holocaust auch den veränderten Lebenssituationen jeder neuen Generation angepasst werden muss. Und die Versatzstücke des nationalsozialistischen Verbrechens sind sehr vielfältig in den Medien vorhanden und so ist eine bestimmte Erwartungshaltung schon vorgeprägt. Auf diese Prägungen muss man vorbereitet sein, um den Interessen und Wahrnehmungsweisen Jugendlicher entgegen zu kommen, um sie für die Vergangenheit gewinnen zu können.

Opfer- und Täterbezug

Zudem ist es wichtig, den Holocaust nicht nur aus der Perspektive der Opfer zu thematisieren, da man sonst Gefahr läuft, den Holocaust zur Tat ohne Täter zu machen. Durch den Einbezug anderer Akteure lernen Schülerinnen und Schüler die Abgrenzung vom Handeln der Täterinnen und Täter, was auch mit der wichtigen Perspektive der Auseinandersetzung mit den Konsequenzen des Mitlaufens und Zuschauens einher geht.

Medienkompetenz

Abschließend sei auch auf die oft betonte, aber nie zu missachtende kritische Medienkompetenz hingewiesen. Insbesondere die Nutzung des Internets, dessen Informationsgehalt keinesfalls abgesprochen werden soll: Es ist nicht alles Gold was glänzt. Die Schulung des kritischen Umgangs ist besonders bei der selbstverständlichen Nutzung unabdingbar. Vor allem im Kontext Holocaust und Nationalsozialismus ist die Gefahr groß, dass man auf Seiten stößt, die den Holocaust leugnen ‒ von anderen ganz abgesehen. Solchen Legenden, Verharmlosungen und anderen Fehlinformationen muss und kann nur durch geschulten Umgang und vor allem mit fundiertem Wissen begegnet werden.

Überfrachtung?

Zunehmend macht sich eine abwehrende Haltung bzw. ungenügende Aufmerksamkeit bezgl. einer vermeintlichen Übersättigung deutlich und das nicht nur bei Schülerinnen und Schülern ‒ ist doch der Rückgang der Teilnehmerzahlen an Lehrerseminaren hinsichtlich dieser Epoche auch von dieser Seite ein deutliches Zeichen. Nicht zuletzt sind es vor allem die Medien, die dieses Übersättigungsgefühl zunehmend manifestieren. Doch Spielfilme, Dokumentationen, TV-Runden etc. liefern nur Ausschnitte, die einseitig sind und keineswegs die notwendige Vermittlung, die die Schule gewährleisten kann, ersetzt. Lehrplanvorgaben und exzellentes Unterrichtsmaterial sind jedoch keine Garantie dafür, wenn die Zeit für eine umfassende und intensive Beschäftigung fehlt.

Linkauswahl zum Thema:

Bundeszentrale für politische Bildung

Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas

Yad Vashem

Das Informationsportal zur Politischen Bildung

Titelbild: ©tonisalado/Shutterstock.com