Der Hüter des magischen Waldes

Peter Ringeisen tauscht sich mit Kollegen auf der ganzen Welt über neue Unterrichtsideen aus. Als Lehrer der Woche spricht er über seine digitale Leidenschaft.

So klappt's mit dem Lernen – jetzt im Video anschauen!

Herr Ringeisen, Sie sind ein Lehrer, der gern twittert, EdChats veranstaltet und auf „Adventures in the Tulgey Wood“ bloggt. Gehört Ihr Engagement zu Ihrem Verständnis des Lehrerberufs oder steckt eine persönliche Motivation dahinter?

Peter Ringeisen: „Mein Online-Engagement begann damit, dass mich die Möglichkeit faszinierte, mit Gesprächspartnern weltweit zu kommunizieren. Kontakte mit Lehrkräften außerhalb der eigenen Schule und des eigenen Landes weiten den Blick und bringen Anregungen. Zum einen führen sie dazu, das eigene Tun zu reflektieren, und zum anderen gute Ideen in den eigenen Unterricht zu integrieren. Mit der Zeit hat sich meine Sichtweise auf Twitter und Blog gewandelt, so dass die Online-Aktivitäten für mich persönlich zu meinem Berufsbild dazugehören.“

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Was ist der „Tulgey Wood“ und warum trägt Ihr Blog diesen Namen?

Peter Ringeisen: „,Tulgey Wood‘ ist ein geheimnisvoller Ort, der in Lewis Carrolls Gedicht ‚Jabberwocky‘ vorkommt:

The Jabberwock, with eyes of flame,
Came whiffling through the tulgey wood,
And burbled as it came!

Mit einem Augenzwinkern setze ich die Schule mit dem magischen Wald gleich, aus dem das Ungeheuer Jabberwock hervorbricht. Es soll daran erinnern, dass in der Schule sich viel mehr Unerwartetes Bahn bricht, als ein Außenstehender meint. Positive und negative Kräfte schlummern in diesem Wald – und erscheinen oft plötzlich. Ein paar dieser Dinge werden in meinem Blog dargeboten – wenn auch in gebändigter Form.“

Steckbrief


Name: Peter Ringeisen
Schule: Dr.-Johanna-Decker-Gymnasium
Fächer: Englisch – Deutsch – Schultheater
Die Schülerinnen und Schüler von heute … sind immer noch so erfreut über Erfolge und enttäuscht über Misserfolge wie zu meiner eigenen Schulzeit.
Die Schule von morgen … sollte mehr aus den Stärken der einzelnen Schüler und Schülerinnen machen.
Ich werde nie vergessen, wie … Schüler und Schülerinnen im LdL-Unterricht zeigten, zu welcher Konzentration und Begeisterung sie fähig sind.

Würden Sie sich selbst als besonders engagierten Lehrer bezeichnen, wenn Sie sich mit Ihren Kolleginnen und Kollegen vergleichen?

Peter Ringeisen: „Ich versuche ein ‚guter Lehrer‘ zu sein.
Falls die Frage auf mein Online-Engagement abzielt: Da kann ich ohne Wertung sagen, dass die Anzahl der online aktiven Lehrkräfte in Deutschland im Vergleich z. B. zu den USA noch relativ klein ist. Die Vorzüge des Web 2.0, z. B. von Twitter, haben viele noch nicht erkannt – oder für viele bietet Twitter keine Vorteile. Das ist Geschmackssache.“

Was macht für Sie einen guten Lehrer aus?

Peter Ringeisen: „Eine der klassischen Fragen. Ich versuche es: Nach meinem Verständnis ist ein guter Lehrer oder eine gute Lehrerin daran interessiert, dass die Schülerinnen und Schüler in möglichst vielen Bereichen Fortschritte machen. Natürlich im fachlichen Wissen und Können, aber auch im sozialen Verhalten, im Interesse für die Umwelt, Politik, Geschichte und Naturwissenschaften. Schließlich sollte es auch Fortschritte in Bezug auf problemlösendes Denken geben und im Hinblick darauf, was dem Leben einen Sinn gibt. Aus dieser Umschreibung ergibt sich, dass eine einzelne Lehrkraft das kaum leisten kann. Das muss sie auch nicht. Es gibt das Kollegium. Ein guter Lehrer oder eine gute Lehrerin ist ein guter Teamplayer.
Um die eben benannten Fortschritte zu erreichen, muss sich eine gute Lehrkraft für die Stärken und Schwächen ihrer Schülerinnen und Schüler interessieren. Sie versucht, über die Stärken die Schwächen erträglicher zu machen und beim Entdecken der Stärken behilflich zu sein. Souveränes Fachwissen der Lehrkraft setze ich voraus. Wenn im Unterricht etwas schiefgeht, dann liegt es seltener an der Fachkompetenz als an der Sozialkompetenz der Lehrkraft.“

Es gibt modische Rollenbeschreibungen für einen Lehrer oder eine Lehrerin – Dozent oder Lernbegleiter, Frontalunterrichter oder Lerncoach. Ich halte es für unpraktikabel, sich ausschließlich als Lerncoach oder als Frontalunterrichter zu sehen. Nach meiner Überzeugung muss die Lehrkraft manche Inhalte im Frontalvortrag lehren. In anderen Unterrichtsphasen, in denen Schülerinnen und Schüler selbstständig arbeiten, muss sie als Coach tätig sein. Bei der von mir sehr geschätzten Unterrichtsmethode ‚LdL‘ (Lernen durch Lehren nach Jean-Pol Martin) ist die wachsende Selbstständigkeit der Schüler und Schülerinnen sehr wichtig – ebenso die wachsame Präsenz der Lehrkraft, die eingreift, wenn es erforderlich ist.“

Welchen Tipp haben Sie für andere Lehrerinnen und Lehrer, die sich vernetzen wollen?

Peter Ringeisen: „Ich schlage vor, sich bei Twitter anzumelden, und dort Lehrkräften zu folgen. Wenn jemand keine bei Twitter aktiven Lehrkräfte kennt, sollte er oder sie nach dem Hashtag #EDchatDE suchen und den Teilnehmern und Teilnehmerinnen dieses Twitterchats folgen, z. B. den Gründern André Spang (@Tastenspieler) und Torsten Larbig (@herrlarbig). Ich bin dort als @vilsrip zu finden. Die Teilnahme am #EDchatDE ist für Twitter-Neulinge zuerst etwas anstrengend. Jeden Dienstag zwischen 20 und 21 Uhr werden dort in sehr schneller Folge Tweets und Antworten gepostet. Zunächst genügt es, mitzulesen – man muss keine Lesequote von 100 % anstreben. Einzelne Tweets vermitteln schon einen Eindruck. Als günstig hat sich die Verwendung von Tweetdeck erwiesen.Hier lassen sich die Tweets zu #EDchatDE in einer separaten Spalte anzeigen.
Die Twitterchat-Stunde ist durch neun Fragen strukturiert, die ein von der Community gevotetes Thema behandeln. Am Vortag – montags ab 18 Uhr – sind die Fragen bereits auf www.edchat.de einsehbar.“

In welcher Unterrichtsphase und mit welchen Kompetenzzielen nutzen Sie digitale Medien?

Peter Ringeisen: „Das lässt sich kaum verallgemeinern: Digitale Medien können der Einübung von Grammatikstoff dienen. Sie können aber auch ein Mittel zum kollaborativen Arbeiten sein, z. B. beim Schreiben einer Kurzgeschichte. Wie das aussieht, habe ich im Blog beschrieben.
Neben dem Fachwissen werden Kompetenzen im Umgang mit den digitalen Medien geschult. Die Nutzung von öffentlich zugänglichen Blogs oder Wikis ist seit einiger Zeit durch u. a. das Bayerische Kultusministerium untersagt. Die Lehrerinnen und Lehrer sind angehalten, die geschlossene Plattform Mebis zu nutzen, eine moodleähnliche Lernumgebung.“

Was war Ihr Lieblingsprojekt mit digitalen Medien im Unterricht?

Peter Ringeisen: „Mein Lieblingsprojekt war die Verfilmung von Gedichten in einem Grundkurs Deutsch – in Anlehnung an das Projekt POEM von Ralf Schmerberg. Das hatte kaum etwas mit dem Internet zu tun. Wegen der digitalen Kameras und des Umgangs mit DVD-Authoring-Software war es aber durchaus ein Projekt mit digitalen Medien. Ich habe hier und hier darüber gebloggt.“

Hier geht es zu den weiteren „Lehrkraft der Woche“-Interviews!

Titelbild: ©Peter Ringeisen/sofatutor.com