Tablet-Projekt: Ohne Druck zu gigantischen Ergebnissen

Deutschlehrerin Jasmin Schneider hat mit ihren Oberstufenschülerinnen ein digitales Klassenzimmer gewonnen – mit digitalen Portfolios. Was das ist und wie es zu dem tollen Ergebnis kam, erzählt sie im Interview.

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Digitale Bildung neu denken

Liebe Frau Schneider, Sie haben mit Ihrem Deutschkurs digitale Portfolios zur Lektüre Die Kindermörderin von Heinrich Leopold Wagner erstellt. Was ist ein digitales Portfolio?

Jasmin Schneider: „Ein digitales Portfolio ist ein digitales Buch mit Texten, Videos, Bildern und Audiodateien, das man mit einem Tablet und dem Programm S-Note erstellen kann. In unserem Projekt hat jede Schülerin des reinen Mädchenkurses ein Portfolio zum Sturm und Drang und zum Drama Die Kindermörderin erstellt.“

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Die Tablets für das Projekt haben Sie von der Initiative DIGITALE BILDUNG NEU DENKEN bekommen.

Jasmin Schneider: „Genau, man bewirbt sich beim Wettbewerb IDEEN BEWEGEN mit einem Projekt. Wenn das Projekt für die Umsetzung ausgewählt wird, bekommt man für die Projektphase ein digitales Klassenzimmer von Samsung, das unter anderem aus 32 Tablets besteht, damit man die Unterrichtsidee verwirklichen kann.“

Das Projekt wäre ohne das digitale Klassenzimmer nicht möglich gewesen?

Jasmin Schneider: „Viele Schulen in Hessen, wie auch unsere, haben nicht die Möglichkeit, mit Tablets zu arbeiten, da sie schlecht ausgestattet sind. Wir haben zwar Smartboards und ein paar Laptops, die funktionieren aber oft nicht.“

Wie haben sie das Projekt geplant?

Jasmin Schneider: „Als ich wusste, dass wir das digitale Klassenzimmer vom Wettbewerb IDEEN BEWEGEN für den Projektzeitraum bekommen, habe ich in den Osterferien meine analogen Unterrichtsideen und Arbeitsaufträge umgearbeitet, sodass die Schülerinnen diese mit den Tablets bearbeiten konnten.“

Ideen bewegen

Die Initiative DIGITALE BILDUNG NEU DENKEN ruft seit 2013 regelmäßig zum bundesweiten Schulwettbewerb IDEEN BEWEGEN auf.
Weiterführende Schulen können sich mit ihren Projektideen für den digitalen Unterricht bewerben. Den Projekten sind inhaltlich und thematisch keine Grenzen gesetzt.
Teilnehmende Schulen erhalten für den Projektzeitraum von bis zu sechs Wochen das digitale Klassenzimmer mit 30 Tablets und weiterem Zubehör aus der SAMSUNG SCHOOL SOLUTION kostenlos zur Verfügung gestellt. Dazu gibt es vorbereitende Workshops sowie pädagogische und organisatorische Handreichungen.

Mehr über die Initiative DIGITALE BILDUNG NEU DENKEN erfahren Sie auch vom 16. bis 20. Februar 2016 auf der didacta in Köln in der Halle 6.1 Schule/Hochschule, Stand D50/E51.

Und dann?

Jasmin Schneider: „In einem Einstiegstag haben wir uns sechs Stunden mit den technischen Aspekten beschäftigt: Wie geht man mit einem Tablet um? Wie erstellt man ein Portfolio? Das war sehr spannend, denn ich hätte nicht gedacht, dass die Schülerinnen so wenig Kenntnisse im Umgang mit Tablets haben. Sie benutzen zwar ständig ihr Smartphone zum Spielen und Kommunizieren, doch als Produktivsystem nehmen sie die digitalen Geräte nicht wahr. Nach dem Einstiegstag haben die Schülerinnen die nächsten fünf Wochen selbstständig ihre Aufgaben bearbeitet und ihr Portfolio erstellen. Außerdem haben wir zwei Tag in einer Jugendherberge verbracht und dort viele Filme für die Portfolios gedreht.“

Wie würden Sie Ihre Rolle als Lehrperson während der Projektphase beschreiben?

Jasmin Schneider: „Heute ist man als Lehrer oder Lehrerin im Unterricht sehr präsent, da noch viel Frontalunterricht gehalten wird. In Projektarbeiten rückt die Lehrperson in den Hintergrund. Die Schülerinnen und Schüler arbeiten selbstständig und helfen sich gegenseitig. Wir werden zu Lernbegleitern bzw. Lernbegleiterinnen. Man hilft erst, wenn die Schülerinnen und Schüler auf technischer oder inhaltlicher Ebene für sich keine Lösung finden. Ich fand das anfangs befremdlich. Ich musste lernen, damit umzugehen, nicht mehr so aktiv zu sein.“

Hatten Sie trotzdem das Gefühl, durch das Projekt mehr Aufwand betrieben zu haben?

Jasmin Schneider: „Die Arbeitszeit hat sich verschoben. Ich habe vor der eigentlichen Projektphase viel Zeit investiert: Arbeitsaufträge formuliert und einen Reader erstellt. Das war mehr Arbeit, als eine ganz normale Unterrichtsstunde vorzubereiten. Die Projektphase hingegen war locker, da ich eher zuschaute. Ich war jedoch beim Lernprozess viel mehr dabei als bei anderem Unterricht.

Sie hatten also mehr Zeit für einzelne Schülerinnen?

Jasmin Schneider: „Genau! Normalerweise kann man sich gar nicht so sehr auf jeden Schüler und jede Schülerin konzentrieren. In der Projektphase konnte ich das. Es gab ein paar schwache Schülerinnen in dem Kurs. So hatte ich das Glück, gezielt eine Stunde mit einer Schülerin Zeit verbringen zu können, um noch ein paar Sachen zu erklären.“

Sie konnten feststellen, dass diese schwächeren Schülerinnen beim Projekt viel bessere Leistungen als sonst erbracht haben. Lag es an der Motivation durch die digitalen Medien oder an Ihrer individuellen Betreuung?

Jasmin Schneider: „An beidem. Die Schülerinnen waren sehr begeistert, Tablets nutzen zu dürfen. Dadurch waren sie motiviert. Hinzu kam, dass der Unterricht druckfrei war und die Schülerinnen ihr eigenes Lerntempo bestimmen konnten.“

Sie standen den digitalen Medien in der Schule erst kritisch gegenüber. Haben aber nach zwei Projektwochen einen Mehrwert gesehen.

Jasmin Schneider: „Ich bin noch immer kritisch, da Schulen das finanziell kaum tragen können. Aber der Mehrwert besonders im Fach Deutsch ist, dass die Schülerinnen und Schüler gezielt für sich an etwas arbeiten können und am Ende ein Einzelfeedback bekommen. Der Unterricht ist sehr flexibel und man kann Neues ausprobieren. Die Ergebnisse, also die Portfolios, die jede Schülerin abgegeben hat, waren gigantisch.“

Tablet-Projekt

© Jasmin Schneider

Gab es Hürden?

Jasmin Schneider: „Ein solches Projekt ist mit vielen Lernprozessen verbunden. Wir lernten ein neues Thema und gleichtzeitig die Geräte mit all ihren Funktionen und Einsatzmöglichkeiten kennen. Das sind zwei Hürden, die zeitgleich genommen werden mussten.“

Welche technischen Kenntnisse braucht eine Lehrkraft für ein solches Projekt?

Jasmin Schneider: „Ich musste mir das technische Wissen erst einmal alleine erarbeiten, da ich mich mit Tablets wenig auskannte. Ich habe mich komplett eingearbeitet. Wenn man sich als Lehrerinnen oder Lehrer bemüht, schafft man das auch. Das ist zeitaufwändig. Ich haben mit vielen Kolleginnen und Kollegen gesprochen, die nicht bereit für einen solchen Mehraufwand wären.“

Was war der schönste Moment während bzw. nach der Projektphase?

Jasmin Schneider: „Der schönste Moment war, als meine Schülerinnen ihre Portfolios fertig hatten und wir sie uns gegenseitig vorgestellt haben. In diesem Moment wusste ich, dass der Unterricht etwas gebracht hat. Es war ein Output da, mit dem man zufrieden sein konnte. Und klar, dieses digitale Klassenzimmer im Wert von 20 000 Euro mit dem Projekt zu gewinnen, war auch super.“

Tipps von Frau Schneider an Lehrerinnen und Lehrer

  • Suchen Sie sich ein Thema, das im Lehrplan vorgesehen ist.
  • Formulieren Sie vorab konkrete Ziele: Was möchten Sie mit dem Projekt erreichen? Was möchten Sie an Output generieren?
  • Sie sollten viel Zeit für ein solches Projekt einplanen, da es für das Erstellen von digitalen Portfolios nur wenig Lehrermaterialien gibt.
  • Arbeiten Sie sich in jedes Gerät und in jedes Programm ausführlich ein.

Titelbild: © Jasmin Schneider/ sofatutor.com