Wir schreiben eine Klassenarbeit

Franziska findet es schön, wenn alle Schüler und Schülerinnen Spaß am Unterricht haben und gern kommen. Für eine Situation gilt beides aber nicht: die Klassenarbeit.

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Ich erinnere mich gerne an meine Schulzeit zurück. Mit einer Ausnahme: Klassenarbeiten. Aufregung, schlaflose Nächte, Bauchschmerzen – wenn meine Schützlinge heute von „Prüfungsangst“ sprechen, kann ich ihr Leid zu gut nachvollziehen. Auch jetzt, obwohl ich selbst die Noten vergebe, bin ich vor jeder Klassenarbeit nervös. Habe ich meine Schülerinnen und Schüler ausreichend vorbereitet? Sind die Fragen verständlich formuliert? Was passiert, wenn alle durchfallen?

Mit meiner Vorbereitung versuche ich, dem vorzugreifen. Lange habe ich mit der Klasse gelernt. Den Erwartungshorizont gebe ich schon vor der Arbeit sehr transparent heraus. Die Prüflinge kennen die Aufgabenformate und wissen, wie sie für die Klassenarbeit lernen können. Jeder und jede von ihnen hatte außerdem die Möglichkeit, mir einen Probetext zur Kontrolle zu geben. Nun sitzen alle Schülerinnen und Schüler vor mir. Pünktlich. Und jeder und jede hat einen Hefter vor der Nase.

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Was ist Schummeln?

Ich beende die Pause. Ruhe kehrt ein. Meine Kollegin belehrt die Klasse. In der Schule ist es heutzutage offenbar nötig, den Kindern und Jugendlichen zu sagen, was Schummeln ist und wie es sanktioniert wird. Zu viele wütende Eltern kamen zuletzt in die Schule und beklagten sich darüber, dass ihr Kind nicht wusste, dass es den Hefter oder die Arbeit des Nachbarn während der Prüfung nicht benutzen dürfe.

Ich teile die Klassenarbeit aus. Gemeinsam gehen wir jede Aufgabe durch. Ich sage deutlich, worauf ich bei der Bewertung achten werde und lasse Fragen zu. Fünf Minuten später habe ich das Gefühl, dass alle wissen, was zu tun ist und lasse die Klasse arbeiten. Ich habe mein Notebook mitgenommen und mir vorgenommen, während ich die Arbeit schreiben lasse, den Erwartungshorizont zu verschriftlichen. Immer wieder blicke ich von meinem Bildschirm auf und kontrolliere die Wirkung unserer Belehrung. Alle arbeiten emsig für sich. 20 Minuten später flüstert mir Hassan, der vor mir sitzt, zu:

„Frau F., ich bin fertig. Was soll ich jetzt machen?“
Ich entgegne: „Hassan, das kann nicht sein. Die Arbeit ist auf zwei Unterrichtsstunden ausgelegt. Hast du jede Aufgabe bearbeitet?“
Er: „Naja, bei ein paar Aufgaben fällt mir nichts mehr ein.“
Ich schaue auf sein Blatt. Besonders bei den Fleißaufgaben herrscht eine gähnende Leere. Ich rate ihm, sich die Aufgaben noch einmal anzuschauen und auf Inspiration zu warten.

Fünf Minuten später höre ich wieder das bekannte Flüstern: „Frau F., jetzt fällt mir wirklich nichts mehr ein.“
Ich antworte: „Hast du dir die Rechtschreibung und Grammatik noch einmal angesehen? Du weißt, dass dich das viele Punkte kosten kann!“
Er: „Okay. Sie haben recht.“

Drei Minuten später: Hassan meldet sich im Flüsterton:
„Frau F., was soll ich jetzt machen?“
Ich bin mittlerweile ein bisschen genervt, versuche aber die Fassung zu wahren:
„Du hast wirklich alles auf Fehler hin kontrolliert? Hassan, wenn du so viel Zeit zur Korrektur hast und ich nachher auch nur einen Komma- oder Rechtschreibfehler bei dir finde, muss ich zu Hause sitzen und weinen!“
Hassan senkt den Blick und sagt: „Ohje, Frau F., da will ich Ihnen jetzt keine zu großen Hoffnungen machen. Rechtschreibung ist nicht meine Stärke!“

Klassenarbeiten schöner gestalten

Später sprechen mich auch andere Schülerinnen und Schüler an. Sie wollen wissen, was sie machen sollen, wenn sie fertig sind. Für die übrige Klasse muss es leise bleiben, deswegen gebe ich allen den Auftrag, mir auf die Rückseite ihrer Blätter ein Bild zu malen. Als die Doppelstunde vorbei ist und die Schülerinnen und Schüler nur noch die Wörter zählen, wage ich einen Blick auf die schriftlichen Ergüsse meiner Schützlinge. Allzu dramatisch sollten die Zensuren nicht ausfallen. Ich bin beruhigt.

Die drei großen Ts

Ich würde meinen Schülern und Schülerinnen die Abfragerei gern ersparen. Leider liegt das nicht in meiner Hand. Zweimal im Halbjahr muss in jedem Fach eine Klassenarbeit geschrieben werden. Hinzu kommen mehrere Tests. Es hilft nichts: Ich brauche Noten. Nein, eigentlich brauche nicht ich sie, sondern die Leistungsgesellschaft, der sich die Schule unterstellt.

Aus meiner kritischen Haltung heraus versuche ich, die Prüfung so angenehm wie möglich zu gestalten. Dazu gehört, dass ich immer die drei großen Ts bei mir habe: Traubenzucker (vor der Klassenarbeit), Taschentücher (während der Klassenarbeit), Trostschokolade (nach der Klassenarbeit).

Klassenarbeit-Experimente

Ich habe auch schon Experimente bei Tests ausprobiert: Die Schülerschaft durfte noch in der Stunde lernen und selbst entscheiden, wann er oder sie sich den Test holt und bearbeitet. Das hat erstaunlich gut funktioniert. Jeder Schüler und jede Schülerin hat den Test geschrieben und im Raum herrschte eine entspannte Atmosphäre. Von Kolleginnen und Kollegen weiß ich, dass auch Joker-Systeme gut funktionieren. Die Schülerinnen und Schüler dürfen sich als Vorbereitung auf die Klassenarbeit einen Spickzettel schreiben. Die Lehrperson hat während der Prüfung alle Spickzettel vorn. Wen ein Blackout ereilt, darf nach vorne kommen und auf den Spickzettel schauen. Das kostet dann aber ein paar Punkte. Ein System, das ich sehr fair finde. Leider passt es weniger zu Fächern, die kein auswendig gelerntes Wissen abfragen.

Ich finde es wichtig, mir Gedanken darüber zu machen, was ich mit einer Klassenarbeit abfragen will. Ich möchte die Schülerschaft nicht unnötig in Stress versetzen. Neue Ideen werden oft belohnt. Nachdem ich auf einer der Klassenarbeiten ein regenbogenkotzendes Einhorn gefunden habe, habe auch ich positivere Assoziationen mit dem Begriff „Klassenarbeit“.

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Titelbild: © smolaw/shutterstock.com