Talent: Geniestreich oder Übungssache?

Talent – das ist das, was gemeinhin die Begnadeten von den Herkömmlichen trennt. Die Erleuchteten, die gleich einem elysischen Moment, wann und wie auch immer der eintreten mag, von dieser genialen Gabe bedacht werden – wie ungerecht eigentlich! Aber gerade dieses schier unergründliche „Was“, „Wann“ und „Wie“ könnte uns von dieser Opferhaltung befreien, denn ist es wirklich ungerecht? Seit Jahrzehnten forschen und scheiden sich die Geister mit zunehmender Erkenntnis über dieses Mysterium, oder ist es doch gar nicht so zauberhaft, wie man gemeinhin annimmt?

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Talent – was ist das?

Der in viele Bedeutungen ausgeschlachtete Begriff „Talent” beschreibt zunächst nichts anderes, als die individuelle Eignung, zu bestimmten Leistungen befähigt zu sein. Zwischen Talent und Leistung muss aber streng unterschieden werden, denn Talent ist eine unabdingbare Voraussetzung für Leistung und somit nicht schon jene Leistung selbst.
Und es gibt nicht nur das eine Talent, sondern viele Talentformen: das räumliche, sprachliche, mathematisch-numerische, künstlerische, sportliche und musische.

Vor allem in Politik und Förderwesen wird der Satz „Junge Menschen müssen in ihren Talenten gefördert werden“ gebetsmühlenartig wiedergekaut. Schön ist in diesem Zusammenhang auch die rhetorisch anmutende Stellungnahme: „Entweder man hat es, oder man hat es nicht“. Danke dafür! Aber wo kommt es her, das Talent und was fehlt bzw. machen diejenigen falsch, die einfach in allem neutral normal sind? Oder hat jeder Talent und ist die Debatte darüber vielleicht einfach unwichtig?

Übung macht den Meister

Die ZEIT (Schule und Familie 13/14) bringt in diesem Zusammenhang die zunehmend in den Fokus geratene Forschungsthese an, dass alles Können allein von der Übung abhängig sei und Talent damit zum Mythos avanciere. Das einfache Rezept lautet: üben, üben, üben. Untermauert wird diese These u. a. auch von dem Tischtennisstar Metthew Syed, der in seinem Buch „Was heißt schon Talent“ bekräftigt: Überzeugung ist alles! (ebd.).

Danach ist also die überwiegende Mehrheit der Weltbevölkerung einfach nicht fleißig genug – wie ernüchternd. Aber heißt das gleichzeitig nicht auch, dass die Mehrheit viel mehr kann, als sie glaubt? Ok, das würde uns wiederum gefallen, aber dennoch entzaubert es die Wirkungsmächtigkeit der Bewunderung von göttlichen Instrumentalmeistern, Bergerklimmern, Mathematikgenies, Sprintassen und Sprachwunderkindern. Nur steht gleichfalls die Annahme im Raum, den eigenen Erleuchtungsmoment im Keim erstickend, dass nur ein geringer Bevölkerungsteil von dem Drang besessen sei, noch besser zu werden. Das enthebelt zwar wieder die in dem Übungszusammenhang aufkommende Interpretation, Talent als gewöhnlich abzustempeln, doch ist es wieder… ernüchternd.

Es sind schon Meister vom Himmel gefallen – mit viel Disziplin

Für alle Hoffenden: Die Gegenthese hat weiterhin bestand, nämlich, dass herausragende Leistungen auch auf einer spezifisch biologischen Basis beruhen. Die Biologie mischt hiernach also kräftig mit im kognitiven Talentedschungel. Daran, Talent als biologisch angelegtes Potential zu erforschen, macht sich u. a. die Hirnforschung mächtig zu schaffen (ZEIT, Schule und Familie 13/14). Talent ist jedoch in diesem Zusammenhang die falsche Wortwahl, denn die Hirnforschung spricht lieber von „Begabung“, kommt die Bezeichnung „Talent” doch aufgrund seiner umgangssprachlichen Verschwendung zu bedeutungsschwanger daher.

Ob nun Talent oder Begabung, geht man hier davon aus, dass eine günstige biologische Basis grundlegend ist, die, und da ist sie der Übungsthese gar nicht so fern, sich nicht einfach so entwickelt. In die Wiege gelegt und von allein Geniepurzelbäume schlagend kommt „es” bei keinem daher. Kein überspringender Funke, kein zauberhafter Moment – stattdessen müssen unspektakuläre Disziplin, Motivation und das passende Umfeld gewinnbringend hinzutreten, um einer Entwicklung von Höchstleistung Vorschub zu leisten. Träumen allein reicht nicht. Wie war das nochmal mit der Ernüchterung?
Erschwerend kommt hinzu, für Forscher, ebenso wie für uns, die noch an den magischen Funken glauben wollen, dass es für diese Annahme, dass besondere Fähigkeiten angeboren wären, bisher keinen wirkungsmächtigen Beweis gibt. Wie auch, müssten wir dafür jedem in den Kopf schauen und vergleichende Untersuchungen anstellen – und das klingt nicht nur utopisch, sondern ist es wohl auch.

Es ist zwar schön zu wissen, wie lernen funktioniert, aber die individuelle Ausprägung ist eben immer eine andere. Genau das ist es aber, was vor allem Lehrkräfte und Pädagogen wissen müssen, um Talente besser fördern zu können. Neurophysiologisch geforscht wird aber allgemein und sehr statistisch. Hinzu kommt, und für jenen Interessenkreis wenig nützlich, dass Forschungen im Labor durchgeführt werden, für die Frage um das Talent ist aber die soziale Interaktion von immenser Bedeutung.

Jeder ist sein eigener Meister

Ja, talentiert, das wollen wir alle sein und wer ist nicht empfänglich für dieses wohlklingende Zauberwort in Zusammenhang mit seinem Sprößling?! Es muss ja nicht gleich ein kleiner Einstein sein. Und genau das sollte man sich vielleicht am besten vor Augen halten, schlummert doch in jedem von uns, ob nun kurz unter der Oberfläche oder tief vergraben, eine oder vielleicht auch mehrere individuelle Begabungen. Ob die nun genetisch bedingt sind oder nicht: Eine Pflanze gedeiht dauerhaft auch nur durch die stetige Zufuhr von Wasser, Nährstoffen und Pflege.

Titelbild: ©Alexey Losevich

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