Wie Kinder mit Fantasiewelten lernen

Helfen Wichtel, Hexe oder Einhorn beim Lernen? Psychologen bestätigen, dass gerade jüngere Kinder durch fantastische Geschichten den Wortschatz und die Konzentration verbessern können.

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In Fantasiewelten aufwachsen

Schon im Alter von zwei Jahren wechseln Kinder spielerisch zwischen ihrer Realität und Fantasiewelten: Sie unterhalten sich mit unsichtbaren Freunden oder laden ihre Puppen zu einer Teeparty ein. Selbst wenn sie sehr wohl wissen, dass ein Alltagsgegenstand wie ein Blatt Papier kein Bett sein kann, decken sie ihre Puppe damit zu und geben ihr einen Gutenachtkuss.

Durch fiktive Geschichte und Fantasien können junge Kinder ihre Wünsche ausdrücken bzw. ihre Träume ausleben. Sie können eine berühmte Sängerin, ein schillernder starker Drache, der Prinz von Spanien oder eine kleine Schnecke sein.

Kinder trennen zu Beginn ihrer Wanderung in die Welt der Tagträume und Fantasien noch nicht so stark zwischen realen und fiktiven Ereignissen. Ihnen fällt diese Trennung schwerer als Erwachsenen. Häufig nutzen sie dann die Hilfe von Älteren, um z. B. zu verstehen, dass Geschichten oder Fantasien nicht schaden oder verletzen können.

Im Alter von etwa vier Jahren verstehen Kinder die Grenzen zwischen der realen und der fiktiven Welt besser und können sich genauer für die einzelnen Situationen überlegen, was „realistisch“ wäre und was nicht: Können Hexen in meiner Welt auf einem Besen fliegen? Wahrscheinlich nicht, weil es keine Hexen gibt. Aber in der Geschichte „Die kleine Hexe“ ist das kein Problem. Da hat jede Hexe natürlich einen eigenen Besen.

Wenn Kinder Geschichten hören, mögen sie vor allen Dingen die Figuren, mit denen sie sich identifizieren können: Charaktere, die so ähnlich aussehen wie sie oder die sich so verhalten, wie sie es gern würden. Diese Figuren können ihnen dann ein Vorbild sein und zu ganz realen Überlegungen und Handlungen anregen.

Psychologisches Interesse

Geforscht wird an der Bedeutung von Tagträumen schon eine Weile. Während es aus psychologischer Sicht zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch vollkommen unwichtig schien, dass Kinder sich mit fantastischen Geschichten befassten, sind Forscherinnen und Forscher heute weit mehr an den entwicklungsbiologischen Aspekten interessiert.

So geht man mittlerweile davon aus, dass Kinder durch das Spielen in Gedankenwelten ihr Vorstellungsvermögen entwickeln. Sie finden so heraus, was möglich ist und was nicht. Unterstützerinnen und Unterstützer des freien Spiels sehen darin die Chance, dass Kinder z. B. verwirrende Erlebnisse nachstellen können, um diese besser zu verarbeiten.

Psychologinnen und Psychologen der University of Virginia fanden heraus, dass Kinder, die sich gerne mit Fantasiefiguren beschäftigten, sich besser in andere Menschen hineinversetzen können als ihre Altersgenossen. Sie können die Wahrnehmungen und Gedanken anderer besser verstehen. Die These der Forscherinnen und Forscher ist, dass fantasiereiche Kinder ähnliche Fähigkeiten benutzen, um sich Fantasiefiguren mit bestimmten Eigenschaften auszumalen, wie man sie zum Erkennen von Emotionen anderer Menschen benötigt.

Eine Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen zielte außerdem darauf ab, herauszufinden, ob Kinder bei realistisch beschriebenen Geschichten auch „Lehren“ für ihre eigene Realität ziehen können. So konnten sich Kinder, die zuvor in einer Geschichte gehört hatten, wie ein Kind durch eine aufgerollte Zeitung Futter für einen Hund in einen Napf rutschen ließ, dieses Wissen zu eigen machen, um in einem anschließenden Experiment Murmeln durch eine Zeitung in eine Schüssel laufen zu lassen. Die Fantasiewelt diente hier zur Anregung für die Realität.

Die Untersuchungen von Deena Weisberg

Eine der bekanntesten Forscherinnen zur Bedeutung von Geschichten auf die kindliche Entwicklung ist Deena Weisberg. Sie ließ 2015 154 Kinder an einem Programm teilnehmen. Einem Teil der Kinder wurden realistische Kinderbücher zu Themen wie Landwirtschaft oder Kochen vorgelesen. Der andere Teil bekam Geschichten mit Drachen und Burgen vorgelesen. Im Anschluss durften sie mit Gegenständen aus den jeweiligen Geschichten spielen, z. B. mit Schaufeln oder Schwertern.

Die Kinder sollten sich am Ende des Programms an die neuen Wörter erinnern, die sie im Zusammenhang mit den Geschichten gelernt hatten. Oberflächlich schnitten beide Gruppen gleich gut ab. Diejenigen, die die fantastischen Geschichten gehört hatten, konnten jedoch besser erklären, worum es sich bei den jeweiligen Begriffen handelte. Zusätzlich war ihr aktiver Wortschatz größer als bei der Vergleichsgruppe. Sie konnten sich also besser ausdrücken.

Eine der Haupterkenntnisse von Deena Weisberg war daher: Bei Fantasiegeschichten ist die volle Aufmerksamkeit der Kinder gefordert. Sie müssen sich konzentrieren, um herauszufinden, ob das Erzählte für sie logisch ist und ihre Grenzen der Realität einhält. Sie werden angeregt, auf die Suche nach dem Wahrheitsgehalt der Geschichte zu gehen.

Da die Kinder der beiden Gruppen jeweils andere Wörter lernen mussten, kann Weisberg jedoch nicht ausschließen, dass die zu lernenden Wörter der Fantasiegeschichte einfach spannender waren.

Wie Kinder mithilfe von Geschichten besser lernen

Es gibt zwei Theorien, wie Geschichten Kindern helfen zu lernen: Die eine besagt, dass fantastische Geschichten bei der emotionalen Entwicklung helfen und den Wortschatz sowie die Aufmerksamkeit anregen. Kinder würden bei unrealistischen Geschichten damit rechnen, dass jederzeit etwas Unerwartetes geschehen könne und seien daher konzentrierter. Die Fantasiegeschichten würden außerdem helfen, die Grenzen zwischen Realität und Fiktion zu erkunden. Fantasiewelten regen demnach die Kreativität der Kinder an.

Mithilfe von realistischen Szenarien sei es Kindern andererseits möglich, Zusammenhänge zu erschließen und das Erfahrene auf sich selbst und ihre Umwelt anzuwenden. Nach dieser Theorien wollen Kinder das Erlebte besser verstehen und wiederholen es daher immer wieder im Spiel.

Tipps für Eltern

  1. Wenn Eltern nun möchten, dass ihre Kinder durch Geschichten etwas lernen, das sie auch in der Realität anwenden können, sollte es so realistisch wie möglich erzählt werden. Wenn die Lernsituation und die Anwendungssituation sich so ähnlich wie möglich sind, lässt sich das Gelernte leichter abrufen.
  2. Unrealistische Geschichten können hingegen als Anstoß für eine Diskussion dienen: „Wie wäre es, wenn du mit einem Besen fliegen oder zaubern könntest? Was würdest du herbeizaubern?“ So wird die Ausdrucksfähigkeit und das kreative Denken der Kinder gefördert.

Titelbild: © Haywiremedia/shutterstock.com

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