„Am Südpol gibt es 208 Fischsorten“ – ein Grundschulreferat mit Happy End
Ein Plakat zu einem Referat ohne Fettflecken, Eselsohren und Schreibfehler wurde nicht von einem Grundschulkind erstellt – sondern von den kreativen Eltern. Gastautorin Christine weiß auch warum.
„Mama, ich soll nächste Woche einen Vortrag über den Südpol halten!“ Das ist einer dieser Sätze, die Mütter- und Väterherzen in die Kniekehlen rutschen lassen. Denn das bedeutet rauchende Köpfe und Nervenkitzel am Wochenende. Der ultimative Test für Gelassenheit am häuslichen Küchentisch. Bei meinem neunjährigen Sohn war es kürzlich soweit.
Schwarzweißbilder vom Südpol
Ich werfe einen skeptischen Blick auf den Familienkalender. Ich überlege, wann der Sprössling sich das Thema erarbeiten kann, wann ich in der Stadt die unvermeidliche bunte Tonpappe kaufen kann. Ich weiß genau, dass ich diejenige sein werde, die im Internet nach Bildern und Infos recherchiert. Ein Grundschüler bzw. eine Grundschülerin ist mit der Informationsflut überfordert. Irgendjemand muss die Bilder auch noch ausdrucken – vielleicht sind wir da nicht up to date, aber mein Laserdrucker kann nur schwarzweiß drucken. Das ist der Schule egal: Schwarzweiße Bilder vom Südpol machen nicht viel her. Also muss jemand die Bilder auf einen USB-Stick kopieren und im Drogeriemarkt ausdrucken. Wer macht das wohl? Genau, nicht das Grundschulkind, denn das fährt noch nicht alleine in die Stadt. Mama muss ran. Mama seufzt und fügt sich in ihr Schicksal.
Bei Tonpapier bitte zwinkern
Ich hätte eine Bitte: Wenn Sie Erwachsene sehen, die großes farbiges Tonpapier durch die Stadt schleppen, dann zwinkern Sie denen aufmunternd zu. Die wollen sich nämlich sehr wahrscheinlich nicht kreativ austoben, sondern haben ein Schulkind zu Hause, das ein Referat halten soll. Referate müssen heutzutage schon Dritt- und Viertklässler halten! Und abertausende Lehrerinnen und Lehrer glauben, die Schülerinnen und Schüler würden das prima alleine hinbekommen. Eltern wissen es besser.
Eine Frage der Ehre
Es scheint so etwas wie eine Frage der Ehre zu sein, dass das Kind ein fehlerfreies, ansprechendes Referat zusammenstellt. Ich habe schon mehrfach mit Eltern gesprochen, die mir panisch berichteten, ihr Nachwuchs komme mit dem Vortrag nicht voran. Eltern, die sehr viel Eigeninitiative zeigen, um ihr Kind in gutem Licht dastehen zu lassen. Im Prinzip gilt: Je strukturierter das Referat auf dem Tonpapier, desto mehr Elternarbeit steckt darin. Als erfahrene Referats-Mutter kann ich Wetten abschließen, welches Vortragsplakat ein Kind in Eigenregie erstellt hat und welches nach genauen elterlichen Vorgaben angefertigt wurde.
Die Zeichen der Eigenkreation
„Das kriegst du sicher hin. Ich drucke dir etwas aus und du liest schonmal, ja?“, flöte ich Zuversicht verbreitend. Ich lege vier bis fünf Seiten Basisinfo raus. Schließlich gibt’s neben Wikipedia auch kindgerechte Seiten im Internet. So weit, so gut. Das Kind beugt sich halbwegs interessiert über die Ausdrucke. Aber was von all diesen Infos soll nun aufs Tonpapier? Und welche Bilder sind wichtig oder interessant? Und wie soll das alles funktionieren, ohne dass Fettflecken, Eselsohren und Schreibfehler auf dem Tonpapier landen? Sie ahnen es, gar nicht. Es ist das einzige untrügliche Zeichen dafür, dass ein Grundschüler oder eine Grundschülerin oder Unterstufenschüler bzw. Unterstufenschülerin das Referat selbst entworfen hat.
Ende gut, alles gut
Letztendlich muss ich den Dingen trotzdem ihren Lauf lassen, weil ich krank werde: Mein Sohn bereitet sein Referat allein vor. Es hat trotzdem gut geklappt, ziemlich gut sogar: „Am Südpol gibt es 208 Fischsorten“, sagt mein Sohn. Die Schreibfehler auf seinem Plakat hat er selbst fabriziert. „Es war ein guter Vortrag“, berichtet er hinterher aufgekratzt, und dass es ihm Spaß gemacht habe, obwohl er Angst davor hatte. Selten habe ich mein Kind nach der Schule so strahlen sehen wie nach diesem Referat. So machen wird das in Zukunft immer – das nächste Referat für die Schule kommt bestimmt!
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…ach wie schön, immer wieder von Familien zu hören, denen es ebenso ergeht.
Unsere Tochter hat in der vierten Klasse am Donnerstag ihr erstes Referat in einer Gruppe von vier Kindern, was auch keine leichte Aufgabe ist, schon allein die Einteilung der Vorträge unter den Kindern – da kommt sich schnell mal jemand vernachlässigt vor, weil derjenige zu wenig Text hat. Dann ist es plötzlich wieder viel zu viel, nachdem ich nur motivieren wollte meinen ausgedruckten Text mal zu lesen. Lange Rede, kurzer Sinn: es ist wie von Mama schon oben so schön beschrieben….Arbeit für Mama und/oder Papa….