Lernen auf dem Mars: Das Galileo Gymnasium Berlin

„Die Neugier steht immer an erster Stelle des Problems, das gelöst werden will.” Ganz nach dem Zitat des Namensgebers der Schule orientiert sich das Galileo Gymnasium in Berlin-Wilmersdorf an den individuellen Bedürfnissen und Interessen seiner Schülerinnen und Schüler. Differenzierte und individuelle Förderung, offene Arbeitszeiten und hoher Anwendungsbezug sind das Kernkonzept der 2011 gegründeten Privatschule. Gründer Hartmut Fischer und Schulleiterin Katja Gerstenmaier erzählten uns bei einem Schulbesuch von ihrer Vision sowie von Profil und Klima der Schule.

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Wenn es zur Gruppenarbeit in den Phobos geht

Wäre der Schulname nicht in großen Lettern am Gebäude vermerkt, würde man an der Schule in einem Wohnkomplex in Berlin-Wilmersdorf vermutlich vorbeigehen. Die weiten langen Fenster, hinter denen sich Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte tummeln, lassen einen dann aber doch sicher sein: „Ja, hier bin ich richtig”. Der Eingang befindet sich an der Grünfläche des Wohnviertels und auch hier ist alles offen. Findet man die Eingangstür nicht, lädt auch hier die weitläufige Fensterfront dazu ein, darin Beschäftigte zu fragen. Ob Schulleitung, Sekretariat, Lehrerzimmer, Aufenthaltsraum – alles ist gut sichtbar.

Die Schule an sich ist sehr überschaubar. Knapp 60 Schülerinnen und Schüler und 10 Lehrkräfte lernen und lehren hier, alles ist ebenerdig, die Klassenräume sind groß und geräumig und nach Planeten benannt. Die Siebt- und Achtklässler – richtig, hier wird nicht nur fächer- sondern auch jahrgangsübergreifend unterrichtet – tummeln auf dem Jupiter herum und die Marsklasse kann sich zur Gruppenarbeit in den angeschlossenen Phobos verziehen, einen der zwei Satelliten des Mars.

Wenn Eltern Schulen gründen

Hartmut Fischer ist Leiter der inneren Unternehmensberatung der Deutschen Bahn und Vater von drei Kindern. Zusammen mit seiner Frau war er bereits schulisch sehr engagiert, als die Kinder noch die Grundschule besuchten. Doch schnell wurde ihnen bewusst, dass eine Schule nach ihren Vorstellungen eigener Initiative bedarf und das weit über Elternabende hinaus. „Vor dem Hintergrund unseres elterlichen Engagements haben wir alles, was nicht pädagogisch ist, einmal durchgespielt: Schulprogramm, Leitbild, Tagesstruktur usw. Somit hatten wir in Sachen Schulmanagement schon einige Erfahrungen sammeln können. Hinzu kam, dass sich bei unserem Ältesten in akademischer und sozialer Hinsicht eine schwierige Situation entwickelte und als dann noch das Thema Mobbing aufkam, war der Anstoß da, es richtig zu versuchen. Nicht nur zuliebe unserer Söhne, sondern für viele andere Kinder auch”, betont Fischer die Gründe jener mutigen Entscheidung.


Galileo-Gymnasium

Experimente ©Galileo Gymnasium

Das Konzept

Will man schülergerecht lehren und Begabungen fördern, muss man differenziert arbeiten, das ist nichts Neues. Lerntempo, Interessens- und Motivationsquellen und Lerntypen – all das muss Berücksichtigung bei solch einer Ausrichtung erfahren und all das steht auch im Zentrum des Lernens und Lehrens am Galileo Gymnasium. Der Spielraum dafür wird durch anwendungsbezogene Aufgaben, offene Arbeitszeiten und jahrgangs- sowie fächerübergreifenden Unterricht gewährleistet. Ansätze, die durch die Größe der Schule, sprich kleine Klassen, sicher zusätzliche Unterstützung erfahren.

Die von ein bis zwei Lehrkräften betreuten „Offenen Arbeitszeiten“ sind an den gängigen Unterricht angegliedert und die Schülerinnen und Schüler entscheiden selbstständig, an welchen Aufgaben sie zuerst arbeiten möchten. Der Input erfolgt natürlich über den Lehrer oder die Lehrerin, die entsprechende Unterstützung geben. Die Offenen Arbeitszeiten sind wie eine betreute Hausaufgabenzeit im Schulkontext zu verstehen und gehen durch individuelle Projektarbeiten darüber hinaus; Hausaufgaben nehmen die wenigsten mit nach Hause.

Daneben ist der Anwendungsbezug ein entscheidender Faktor des Schulkonzepts: „Wir arbeiten in der Schule mit Aufgabenstellungen aus der Praxis – aus dem „echten“ Leben. Das steigert die Motivation. Dieser Anwendungsbezug erfordert fächerübergreifende Arbeit”, betont Gerstenmaier. Als Beispiel nennt sie die Bearbeitung eines Projekts zur Frage nach den Lebensbedingungen in südostasiatischen Slums: „Wie kommt man von sehr einfachen Haushaltschemikalien zum Leuchtkörper für einfache Behausungen?“ Mit dieser Frage haben sich die Schülerinnen und Schüler vor einem anwendungsbezogenen Hintergrund auseinandergesetzt, Ideen entwickelt, nachgebaut und damit die Fächer Chemie, Physik, Geografie und auch Deutsch bedient.


Galileo-Gymnasium Reisch

Unterrichtsgeschehen ©Galileo Gymnasium

Bei alledem gerät auch die Nutzung moderner Medien nicht in den Hintergrund: „Jede Schülerin und jeder Schüler hat ein Netbook und es gibt in jedem Klassenzimmer einen Beamer und WLAN. Neue Medien werden von unseren Lehrkräften in das Lerngeschehen eingebracht, ob über Recherche, Lernvideos oder dergleichen.
Das findet ganz organisch seinen Gang und wird nicht sklavisch, aber stetig genutzt”, erklärt die Schulleiterin Gerstenmaier.


Jede Stimme wird gehört

Dass Schülerinnen und Schüler eigentlich gerne lernen wollen, bezeichnet Fischer als „Urkraft”, die aber oft unter Schulaufgaben, schlechtem Klima und einer unausgereiften Feedbackkultur leidet. Die Schule baut aber mit ihrem Modell auf diese „Urkraft”: „Bei uns herrscht ein sehr wertschätzendes Klima zwischen Lehrkräften, Schülerschaft und Eltern, was unabdingbar ist. Denn wenn man sich schlecht fühlt, kann man nicht gut intrinsisch lernen”, so Fischer.

Dazu gehört auch, dass die Schülerinnen und Schüler ein großes Mitspracherecht haben und sich jeder einbringen kann. Einmal in der Woche findet eine zweistündige Schulstunde statt, in der die ganze Klasse zusammenkommt und in der die Schülerinnen und Schüler ihre Anliegen, Verbesserungsvorschläge und Konflikte anbringen können. „Sie werden ernst genommen und es werden direkt Lösungen entwickelt und umgesetzt”, so Gerstenmaier. Die Schülerinnen und Schüler können deutlich Einfluss auf den Schulablauf, auf das Miteinander in der Klasse oder im Austausch mit dem Lehrenden nehmen. Das schließt auch die Schulregeln mit ein, die dort besprochen und weiterentwickelt werden.

Dass das gut ankommt, zeigt sich in der Zufriedenheitsbefragung, die die Schule einmal im Jahr durchführt: „Schüler bewerten das sehr hoch, denn die Schülerzufriedenheit liegt bei der Note 1,5, die der Eltern bei 1,3. Die Schüler kommen also offensichtlich gerne und das nicht nur, weil es hier ein Sofa gibt, sonst wären auch die Eltern nicht so zufrieden”, bemerkt Fischer stolz und lacht.

Intensive Vorbereitung bis zum Abitur

Im Sommer dieses Jahres haben die ersten Zehntklässler ihren Mittleren Schulabschluss mit einem Schnitt von 1,9 unter den verschärften Bedingungen für eine Schule im Aufbau abgeschlossen. Grund genug, das erfolgreiche Konzept auf die Oberstufe auszudehnen. Seit August wird sich in der Schlangenbader Straße also auch auf das Abitur vorbereitet.

Die Oberstufe befindet sich in einem anderen Trakt. Hier gibt es einen Aufenthaltsraum für Gruppenarbeit sowie Freistunden und eine eigene Küche, in der sich jede Schülerin und jeder Schüler frei verpflegen kann. Je nach individuellem Geschmack und damit ganz nach dem Lehr- und Lernkonzept.

In der Oberstufe zieht sich der Charakter des Anwendungsbezugs weiter fort. Es wird an Beispielen aus der Praxis gelernt und Experten besuchen die Schule, um den zukünftigen Berufs- oder Studieneinsteigern aus erster Hand einen Eindruck zu vermitteln. Mit maximal 12 Schülerinnen und Schülern pro Kurs bietet die Schule dafür eine optimale Basis. „Eine intensivere Vorbereitung ist wohl kaum möglich. Bestätigung dafür erhielten wir von der Schulverwaltung, die das Konzept nicht nur genehmigt, sondern auch ausgesprochen gelobt hat. Im nächsten Jahr starten wir erstmals in das Abitur und sind damit einmal ganz durchgewachsen”, betont der Gründer Hartmut Fischer stolz.

Schulhomepage

Titelbild: ©sofatutor.com