Zeig mir, was du trägst und ich sage dir, was du unterrichtest

Auch in den Ferien wird Maximilian Lämpel mit den gängigen Vorurteilen gegen Lehrerinnen und Lehrer konfrontiert. Dieses Mal stand das Thema Berufskleidung auf dem Programm.

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Zum Umgang mit Vorurteilen

Die beste Erfindung sind die Sommerferien, das weiß jeder. Nachdem ich mich ans alljährliche Ausmisten gemacht hatte, war ich viel draußen unterwegs. Dabei fiel mir mal wieder auf, dass Menschen schnell ihren Sack mit Vorurteilen rausholen, sobald sie hören, was ich beruflich mache. Hat vermutlich damit zu tun, dass jeder mal auf einer Schule war und deshalb meint, sich auszukennen. Das Problem an Vorurteilen ist ja, dass im Kern oft was dran ist und dann muss man differenzieren, geraderücken, sich distanzieren usw. Das macht mir selten Spaß. Deshalb bestätige ich manchmal rücksichtslos jedes noch so dämliche Quatschvorurteil. Das sorgt für Verblüffung und kürzt solche Gespräche enorm ab. Vor ein paar Jahren hatte ich mal eine Phase, in der ich auf die Frage nach meinem Beruf ganz ernst und leise wurde und erklärte, nicht darüber sprechen zu dürfen. Da war ich in Felix-Krull-Stimmung. Einmal hatte das zur Folge, dass sich in einem kleinen portugiesischen Hotel herumsprach, ich habe mit dem BND zu tun. Ein andermal wurde gemutmaßt, ich müsse in einem unanständigen Gewerbe tätig sein. All das hat mich nur einen Sommer lang amüsiert. Seitdem erzähle ich wieder, was ich mache, so war das auch in diesem Sommer.

Funktionsjacken – ein Must-have im Lehrerzimmer?

Vor einer Woche unterhielt ich mich auf einer Familienfeier mit zwei jungen Leuten, die letztes Jahr Abitur gemacht haben und wahrscheinlich um zwei bis vier Ecken mit mir verwandt sind. Das Gespräch drehte sich um ein prominentes Vorurteil. Woran liege es eigentlich, fragten die beiden, dass sich so viele Lehrerinnen und Lehrer so, hm, praktisch kleiden?
An ihrer Schule habe das halbe Kollegium aus Funktionsjackenträgerinnen und -trägern bestanden. Nichts gegen karierte und schlecht sitzende C&A-Hemden aus den 90ern, im richtigen Kontext gibt es eventuell Menschen, die das tragen können, aber nur Lehrende schaffen es, so was unironisch zu tragen. Und seien Jack-Wolfskin-Jacken immer noch das Must-have im Lehrerzimmer? Es folgten weitere Kübel Spott. Das hielt ich zunächst für postabiturielle Lästereien, nicht wirklich ernst zu nehmen. Doch auf Nachfrage stellte sich heraus, dass sie sich während ihrer Schulzeit wirklich Gedanken zu diesem Thema gemacht hatten. Kleidung sei kein unwesentlicher Teil der nonverbalen Kommunikation und diese spiele in diesem Beruf doch eine erhebliche Rolle. Die Kleidung vieler Lehrerinnen und Lehrer suggeriere eine Mir-doch-egal-Haltung. Es wirke, als hätten sie keinen Respekt vor sich und den Schülerinnen und Schülern.

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Kategorisierung nach Alter und Fach

Ich habe mir das angehört und an mein Kollegium gedacht. Ich glaube nicht, dass diejenigen, die sich nicht für ihre Garderobe interessieren, keinen Respekt vor Schülerinnen und Schülern haben. Das ist Blödsinn. Aber wie so oft in diesem Beruf zeichnet sich mein Kollegium auch an der Bekleidungsfront durch Heterogenität aus. Zwei Gründe scheinen mir für diesen Umstand verantwortlich zu sein: Erstens laufen im Lehrerzimmer Menschen unterschiedlicher Generationen herum. Das spiegelt sich auch in der Kleidung wider. Kollegin M. etwa ist Mitte zwanzig und sieht meistens aus, als sei sie auf dem Sprung in die Disco. Und Kollege C. ist offenbar der Ansicht, dass die Hosen und Hemden aus seiner Studienzeit noch voll in Ordnung seien. Mit seinen Kombinationen aus beige und grau sieht er aus, als wohne er im Altersheim.
Zweitens spielt das Fach eine Rolle. Klischee hin oder her, an meiner Schule treffen die folgenden Stereotypen zu: Nur die Kunstlehrerin E. wagt sich an grelle Farbkombinationen und Schnitte, die konsequent auf den Pfiff von Asymmetrie setzen. Die Sportlehrerinnen und -lehrer gehen mit Trainingsanzug ins Lehrerzimmer und gefallen sich ansonsten in ihrem lässigen Surferlook. Die sehr großen karierten Hemden, gern auch offen mit weißem T-Shirt drunter, lassen sich schnell den Physiklehrern zuordnen. Dazu verwaschene, meist hellblaue Jeans. Auch die Mathelehrerinnen und -lehrer sind bei uns modisch fast demonstrativ desinteressiert, was man jedoch Kollegin A. nicht nachsagen kann. Für sie bedeutet modisch so viel wie auffällig. Da zieht sie knallhart alle Register: Sehr viel pink, sehr viel Haut, sehr viel Barbie. Dazu kommt sie regelmäßig mit neuen bunten Strähnchen im Haar zur Schule. Außerdem redet sie ausführlich über ihre erst wenige Monate alte Tätowierung, aber noch lieber präsentiert sie diese. Das Motiv ist nicht wirklich zu erkennen, aber das ist eine andere Geschichte. Einmal fragte mich ein unverschämter aber ehrlicher Achtklässler, ob im Lehrerzimmer auch immer alle in ihren Ausschnitt gucken würden.

Ungewollt bauchfrei

Am unterhaltsamsten finde ich aber die Garderobe vom Kollegen S., Informatiklehrer, der regelmäßig beweist, dass man unfreiwillig bauchfrei tragen kann. Einfach weil seine T-Shirts fast immer zu kurz sind. Vielleicht glaubt er aber auch durch die martialischen Motive auf den T-Shirts ablenken zu können. Ich will jetzt gar nicht über Heavy Metal reden, aber die Szene müsste echt mal an ihren Shirt-Motiven arbeiten. Immer sehe ich da Monster oder Totenköpfe und immer ist Blut im Spiel. Verstehe ich nicht, da sind mir die Funktionsjacken fast lieber.

Trotz allem finde ich aber gut, dass mein Geschmack keine Rolle spielt und die Beschriebenen kompetente Lehrkräfte sind. Dafür ist es echt egal, wie sie rumlaufen. Ich will gar nicht wissen, wo sie mich einschubladen würden und ehrlich gesagt: Homogenität im Lehrerzimmer wäre ziemlich langweilig.

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Titelbild: © hxdbzxy/shutterstock.com