Diskussion: Elite-Wissen oder Sprachtradition – der Streit um das Latinum
Philologen, Politiker und Studenten streiten um den Wert des Latinums. Die berühmte „tote Sprache” verliert an Glanz neben den weltoffenen und für den Arbeitsmarkt immer relevanter werdenden Sprachen, für die viele Schulen gerüstet sind. Auch für viele Studiengänge ist das Latinum nicht mehr so relevant. Doch gänzlich abgeschworen wurde ihm vom deutschen Hochschulkreis noch nicht. Nordrhein-Westfalen will für bestimmte Bereiche nun Abmilderung schaffen und bringt die Debatte neu ins Rollen, mit einer Diskussion, die sich abermals um die Sinnhaftigkeit der Altsprachen dreht.
Haben Katilinarische Reden noch Zukunft?
Ist es noch sinnvoll, dass Kinder Latein lernen und in der Schule Cicero, Seneca und Katilinarische Reden oder die Abhandlungen Caesars über den Gallischen Krieg übersetzen, um so das Latinum und damit den Reifegrad für einige Studiengänge zu erreichen? Waren es früher viele Hochschulfächer, für die das Latinum den Schlüssel zur Hochschulreife darstellte, ist das heute anders. Studiengänge wie Jura und Medizin kommen heute ohne diese schwere Kost aus und sind vielerorts durch einfache Kurse über Fachbegriffe zu ersetzen. Durch die Bachelor-/Masterreform ist das Latinum selbst für Germanistik und Geschichte meist hinfällig geworden und gewinnt erst wieder im Master-Studium an Bedeutung, wo man es durch entsprechende Schwerpunktsetzung auch umgehen kann. Das Lehramt scheint die unangefochtene Festung zu sein, in dem sich das Latinum noch in Sicherheit wiegt. Aber auch das variiert, wie so vieles im Bildungssystem, nach länderspezifischem Lust- und Laune-Pegel. Da gibt es nicht nur das „Entweder-oder” sondern auch das „Kleine” und „Große” – belassen wir das.
Ein lauter Rückzug
Dennoch: Die Lateinpflicht verliert an Bedeutung. Auch Nordrhein-Westfalen schließt sich der Entwicklung an und will Latein als Studienvoraussetzung für einige Lehramtsfächer und Sprachenlehrer abschwächen. Doch der geplante Rückzug geht nicht leise vonstatten. Hier streiten sich Befürworter und Gegner der Reform. Philologen heißen diese Entwicklung nicht gut. Da ist von Tradition die Rede und der Ursprache, ohne die keine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit anderen Sprachen sinnvoll wäre.
Unnötige Hürde im Studium?
Befürworter der Abschaffung sind die Studenten, die in Petitionen ihren Unmut bekunden. Hat mein kein Latinum in der Schule absolviert, muss man es, wenn noch gefordert, im Studium nachholen. Das kostet nicht nur Nerven, sondern auch Zeit und geht einher mit der resignativen Haltung, ob die Fähigkeit, die Gallischen Kriege auch aus dem Lateinischen rezitieren zu können, nun wirklich so sinnvoll ist. Zumindest, solange man nicht in einer Lateinlehramtsvorlesung sitzt. Viele Studenten haben so schon mit der Regelstudienzeit zu kämpfen. Ein zusätzliches Latinum birgt ungeplante und womöglich auch unbezahlte Semester und gefährdet Bafög-Ansprüche zum Ende des Studiums.
Die Zukunft der „toten Sprache”
Anfang 2015 soll ein Gesetz in den Nordrhein-Westfälischen Landtag kommen. Die Stuttgarter Nachrichten laden am 14. Januar zu einer Gesprächsrunde über die Zukunft der „toten” Sprache ein.
Wie sehen Sie die Entwicklung? Halten Sie es weiterhin für relevant, dass Altsprachen Bestandteil des Lehrplans sind? Wo liegt für Sie der Mehrwert für die heutige Berufswelt – oder eben nicht? Ihre Meinung interessiert uns!
Titelbild: ©Jule_Berlin/shutterstock.com
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