„Korrekt, Alter“ ‒ aber nicht die Sprache
Eine neue Studie des Mercator Instituts für Sprachförderung zeigt: Das Lehramtstudium bereitet junge Pädagoginnen und Pädagogen schlecht auf die Förderung sprachlicher Kompetenzen vor.
Was der Film „Fack ju Göhte“ mit viel Augenzwinkern ironisch überspitzt hat, ist in vielen deutschen Schulen Alltag. Von Hochdeutsch keine Spur mehr ‒ „kanackt“ hier sogar der Lehrer die Schülerinnen und Schüler an und erkundigt sich bei Kollegen über die Absprache „wegen dem Lehrerplan“. Auch wenn das Identifikationspotenzial mit Herrn Müller sehr gering sein dürfte, ist der Sprachgebrauch der Schülerschaft im erfolgreichsten deutschen Film 2013 sicher schon „Musik“ in manch Lehrerohren. Der eigene adäquate Gebrauch des Hochdeutschen schützt jedoch nicht vor der Verrohung unter den Schülerinnen und Schülern ‒ denn Sprachförderung geht alle Lehrkräfte etwas an, auch über den Deutschunterricht hinaus.
Über die Wichtigkeit lässt sich nicht streiten
Dass der Umgang mit Sprache und damit die qualifizierte Sprachförderung einen unabdingbaren Bildungsfaktor darstellt, bedarf eigentlich keiner weiteren Erklärung, hat man doch kaum Chancen in der Schule, wenn man der deutschen Sprache nicht mächtig ist, nicht richtig lesen, sprechen und andere verstehen kann. Und ‒ Deutschland ist eine Migrationsgesellschaft. Rund ein Drittel der Schülerinnen und Schüler an deutschen Schulen haben einen Migrationshintergrund und die Anzahl derer, die ohne Kenntnisse der deutschen Sprache an die Schulen kommen, steigt kontinuierlich. Doch die PISA-Ergebnisse machen uns alljährlich auch auf die Missstände im Sprachwissen deutscher Schülerinnen und Schüler aufmerksam. Viele Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene ‒ und eben nicht nur jene mit Migrationshintergrund ‒ bedürfen der Sprachförderung, um diesen, für den Lebensweg elementaren Bestandteil bestmöglich beherrschen zu können.
Das Mercator Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache der Universität Köln hat sich zum Ziel genommen, Schwächen in der Vermittlung der sprachlichen Bildung aufzudecken, Bildungsinstitutionen und Politik im Sprachförderausbau zu unterstützen, die dahingehenden Forschungsaktivitäten zu fördern und insbesondere die Lehrerausbildung auszubauen und zu stärken. Denn: Lehrkräfte nehmen eine bedeutende Rolle in der Vermittlung sprachlicher Kompetenzen ein und müssen mit den verschiedenen kulturellen und sozialen Kontexten sowie den unterschiedlichen Herkunftssprachen umgehen können, um die sprachliche Entwicklung adäquat und bestmöglich zu fördern. Doch mehr als die Hälfte der Lehrerinnen und Lehrer fühlt sich nicht angemessen darauf vorbereitet.
Lehrkräften fehlt es an Basiswissen
Im Rahmen der Studie des Mercator Instituts wurden die Curricula der Lehrerausbildung aller Bundesländer geprüft, verglichen und festgestellt, dass Junglehrerinnen und -lehrer kaum bis gar nicht mit dem Thema Sprachförderung in Berührung kommen. Selbst die Lehramtsstudierenden für das Fach Deutsch verlassen die Universität, ohne tiefgreifende Kenntnisse darüber gewonnen zu haben. Und wenn es Veranstaltungen gibt, die meist aber nicht exponentiell jene Thematik abdecken, sind diese wahlweise und unter freiwilliger Entscheidung der Studierenden zu belegen.
Der größte Nachteil rührt aus der Gesetzgebung ‒ denn nur das Bundesland Nordrhein-Westfalen schreibt ein verpflichtendes Modul für alle Studierenden des Lehramts gesetzlich vor. Hier empfiehlt es sich in erster Instanz also ‒ und so fordert es auch das Institut Mercator ‒ die Sprachförderung in die Ausbildung für Lehrkräfte grundlegend zu integrieren und gesetzlich festzuschreiben.
Erkenntnis scheint nicht der erste Weg zur Besserung
Die Kultusministerien haben zwar schon vor Jahren erkannt, dass wir einem immer weiter fortschreitenden Sprachdilemma entgegensteuern und zu mehr Sprachsensibilität aufgefordert ‒ viel passiert ist aber seither nicht. Allein Nordrhein-Westfalen sieht eine verpflichtende Umsetzung in der Ausbildungsordnung für Lehramtskandidaten vor und in nur drei weiteren Bundesländern findet man entsprechende Regelungen. In Hinblick auf die Schulformen werden zukünftige Grundschullehrerinnen und -lehrer am besten hinsichtlich der Vorbereitung auf sprachfördernde Kompetenzen betreut.
Nun kann man sich fragen, wenn das Studium dies schon nicht gewährleistet, wie sieht es denn dann in letztmöglicher Instanz der Vorbereitungszeit während des Referendariates aus, sprich, hinsichtlich einer weiterführenden Fortbildung nach Beendigung des Studiums? Auch hier ist die Erkenntnis nicht weiter in Taten vorangeschritten, einzig Berlin stellt einen verpflichtenden Kurs für alle Referendare bereit. Auch hier also ein Einzelfall und die Frage, wie sich daraus eine hinreichende gesamtdeutsche Sprachförderung für alle deutschen Schulen umsetzen soll, sei dahingestellt. Wie in so vielen Bereichen der deutschen Bildungslandschaft ist also auch in Sachen Sprachförderung ein Umdenken von Nöten.
Titelbild: ©ollyy/shutterstock.com
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In meinen Augen ist es eine absolute Frechheit, wenn eine studierte Germanistin (bzw. um korrekt zu bleiben, eine Lehrerin mit dem Fach Deutsch) den Sprachwandel der Jugendkultur als Sprachverfall anprangert!
Die weitestgehend geschlossene Meinung der modernen Linguistik sagt deutlich aus, dass der Sprachverfall einen von den Medien generierten Begriff darstellt und weder vorgefunden, noch bestätigt werden kann. Die Sorge um eine Verrohung der Sprache ist so alt wie die Jugendsprache selber und jeder Leser oder Autor bemächtigte sich selbst einmal der seinerzeitigen Jugendsprache, die auch zu seiner Zeit als gefährlich dargestellt wurde. Nun wurden einige Anglizismen integriert, ohne dass die Gesellschaft daran zerbrochen wäre, nun fürchten wir uns vor einigen arbaischen Einflüssen? Unsere Sprache ist durchsetzt mit englischen, franzöischen, lateinischen sowie griechischen Vokabeln und Sprechweisen, also beriechert uns ein weiterer Einfluss nicht vielmehr, als dass er uns schadet? Außerdem beherrschen die Jugendliche verschiedene Codes, welche sie situationsbedingt variieren können, so ist die ingroup Kommunikation natürlich bewusst abschreckend gestaltet- damit sie nicht daran teilnehmen! Allerdings sind sich Jugendliche einer outgroup Sprache ebenso bewusst und in der Lage diese zu verwenden.
Wer sich mit dem Titel einer Linguistin schimpft und einen dermaßen einseitigen und boulevardartigen Artikel veröffentlicht, hat sich samt Titel eindeutig an die Hoffnung hoher Reputation verkauft, mit der Wissenschaft aber eindeutig nichts mehr zu tun!
Der Grund dieses traurigen Phänomens liegt darin, dass die miesten Leute, vor allem Jugendliche, nicht lesen. Das Lesen literarischer Werke der schönen Literatur ist der einzige Weg, meine Muttersprache zu beherrschen und die Kultur meiner Heimat kennenzulernen. Dasselbe gilt für Fremdsprachen, die man lernt. Ich bin Deutschlehrerin (DaF) in Polen und bin stolz darauf, dass es mir gelungen ist, meine Studneten zum Lesen zu motovieren. Angefangen kann man z.B. damit, dass man von jedem Literatur Nobel Preis Träger mindestens ein Buch liest. Wenn man dann darüber spricht und Meinungen austauscht, ist man zum Glück „gezwungen“ Hkchdeutsch zu sprechen. Vielen Dank für diesen Beitrag im LM.
Magda Groele