Berufe: Wie wird man … Alten­pfleger?

Er ist Altenpfleger, Pflegewissenschaftler und unterrichtet an einer Altenpflegeschule. Jens Dominik Roeder erzählt im Interview, warum der Pflegeberuf ein schlechtes Image hat und er ihn trotzdem liebt.

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Jens, was fasziniert dich an den Pflegeberufen?

Jens D. Roeder: „Die Pflegeberufe sind sehr beziehungsstark, die Altenpflege sicher noch mehr als die Gesundheits- und (Kinder-)Krankenpflege.
In der Pflege ist kein Tag wie der andere, einen abwechslungsreicheren Arbeitsalltag kann man sich kaum vorstellen. Wir managen den Alltag alter Menschen, auf der fachlichen Seite genauso wie auf der persönlichen.“

Wann und warum hast du dich entschieden, in die Pflege zu gehen?

Jens D. Roeder: „Daraus meinen Beruf zu machen, kam über Umwege: Ich habe meinen Zivildienst in der Altenpflege gemacht und während meines ersten Studiums weiter im Pflegeheim gejobbt. Nachdem mir das Jurastudium nicht mehr zugesagte, habe ich die Ausbildung begonnen. Ich bin also ein Spätstarter – das ist aber gut, denn direkt nach dem Abitur wäre ich den Ansprüchen in der Altenpflege nicht gerecht geworden.“

Beruf Altenpfleger

© Jens D. Roeder

Welche verschiedenen Pflegeberufe gibt es sonst? Und wie sehen die Wege dahin aus?

Jens D. Roeder: „Zurzeit gibt es drei Pflegedisziplinen: Die Gesundheits- und Krankenpflege, die Altenpflege und die Gesundheits- und Kinderkrankenpflege. Alles sind dreijährige Ausbildungen, die in Praxis und Berufsschule stattfinden. Diese drei Formen sollen in den kommenden Jahren zu einer Pflegeausbildung zusammengeführt werden.

Beim Studium gibt es zwei Formen: Das duale Studium, eine Kombination aus Ausbildung und Studium und Studiengänge, die auf einer absolvierten Ausbildung aufbauen. Diese sollen für Leitungsfunktionen oder eine fundiertere Pflegepraxis qualifizieren. Viele dieser Studiengänge sind berufsbegleitend, so dass viel Zeit bleibt, alles in der Praxis zu vertiefen.“

Was sind die Hauptaufgaben eines Altenpflegers/ einer Altenpflegerin?

Jens D. Roeder: „Die Hauptaufgaben sind zum einen das, was man ganz klassisch unter Pflege versteht: Übernahme oder Unterstützung bei der Körperpflege, das Verbinden chronischer Wunden, und ganz generell das Ausgleichen von Defiziten, die ein alter Mensch mit sich bringt. Zum anderen umfassen sie eine Menge Kommunikation: Alltagskommunikation mit den alten Menschen, fachliche Kommunikation mit Kolleginnen und Kollegen sowie Ärztinnen und Ärzten, Anleitung von Hilfspersonal und das Planen und Ermöglichen von sinnvoller Beschäftigung im Alter.“

Das sind verantwortungsvolle Aufgaben. Welche Eigenschaften sollten ihn bzw. sie auszeichnen?

Jens D. Roeder: „Man sollte vor allem in der Lage sein, zu erkennen, was einen Menschen in seiner Persönlichkeit ausmacht, was ihn antreibt, was ihn besorgt – man fasst das gerne mal unter dem Schlagwort „Empathie“, also Einfühlvermögen, zusammen. Belastbar sollte man sein: Man sollte gut zu Fuß sein, denn in einer Frühschicht läuft man mehr als Thomas Müller in einem Fußballspiel! Man sollte bereit sein, Verantwortung zu übernehmen. Und man sollte manchmal auch auf Party am Wochenende verzichten können.“

Man hört immer wieder, dass mehr Menschen in der Pflege gesucht werden. Warum entscheiden sich so wenig für den Beruf des Altenpflegers/ der Altenpflegerin?

Jens D. Roeder: „Da müsste ich spekulieren, weil es wenig klare Erkenntnisse gibt: Zum einen schwingt bei Berufen in der Pflege sicher das ‚Zum Arzt hat’s wohl nicht gereicht?‘ mit. Zum anderen spielen Vorbehalte, die durch Ekel und Distanz geprägt sind, eine große Rolle. Ich höre immer mal wieder Sätze wie ‚Also ich könnte das nicht‘. Das klingt mitleidig. Dabei können das tatsächlich 99 Prozent aller Leute nicht – aber aus anderen Gründen als Ekel, und es sollte Bewunderung mitschwingen. In Norwegen ist die Pflege einer der angesehensten Berufe.“

Was liebst du am meisten an dem Beruf des Altenpflegers?

Jens D. Roeder: „Die ständige Nähe zum Menschen ist schon etwas Einzigartiges. Erfolgreich ist man in der Altenpflege vor allem dann, wenn man authentisch ist, man selbst bleibt und sich nicht total überfreundlich und unpersönlich verstellt wie ein Fernsehmoderator. Ich mag es sehr, in einem Team zu arbeiten.“

Was stört dich manchmal?

Jens D. Roeder: „Was die alltägliche Arbeit in der Altenpflege manchmal schwer macht, ist der hohe Arbeitsdruck. Der entstehtdurch einen niedrigen Personal-Bewohner-Schlüssel und Fachkräftemangel. Dieser Stress wirkt sich auf Dauer auf die eigene Gesundheit aus. Es ärgert mich, wenn Auszubildende schon am Anfang ihrer Ausbildung mit diesem Stress konfrontiert werden. Ich würde mir mehr Kolleginnen und Kollegen wünschen, die sich nicht mit den schwierigen Rahmenbedingungen abfinden, sondern ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Das Gejammer im Dienstzimmer, darüber, dass alles immer schlimmer wird, ist eine seltsame Begleiterscheinung in der Pflege.“

Was würdest du Schüler/innen mit auf den Weg geben, die mit dem Gedanken spielen, Alten­pfleger/in zu werden?

Jens D. Roeder: „Jeder sollte sich im Klaren sein, dass Altenpflege ein sehr verantwortungsvoller Beruf ist. Für all die Anstrengung wird man aber auch einzigartig belohnt – wem Dankbarkeit und Anerkennung wichtig ist, der bekommt davon mehr als genug.
Man muss sich auch bewusst machen, dass der Umgang mit Tod und Sterben, mit stressigen Notfallsituationen und einem Drei-Schicht-System samt Wochenenddiensten ein Teil des Berufs ist.
Vor allem jüngeren Interessierten würde ich empfehlen, zunächst über ein Freiwilliges Soziales Jahr in das Tätigkeitsfeld hineinzuschnuppern. Wer sich für die Ausbildung interessiert, der sollte mit dem Selbstbewusstsein in Vorstellungsgespräche gehen. Fachkräfte in der Altenpflege werden immer gesucht. In der Regel kann man aus mehreren Einrichtungen auswählen. Da darf man sich für die beste entscheiden.“

Gibt es eine Situation aus deinem Berufsalltag mit einem/ einer Bewohner/in, an die du dich gern erinnerst?

Jens D. Roeder: „Ganz besonders ist mir eine Bewohnerin im Kopf geblieben, die aus einer anderen Einrichtung zu uns kam und mit ihrem Leben abgeschlossen hatte. Ein halbes Jahr später hat sie sich auf dem Weihnachtsmarkt zwei Schmuckstücke gekauft. Diese neu gewonnene Zuversicht hat mir viel über die Qualität unserer alltäglichen Arbeit verraten.“

Vielen Dank für das Interview!


Titelbild: © Africa Studio/shutterstock.com

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