Englisch in der Grundschule: Wann ist der beste Zeitpunkt?

Einige Bundesländer starten schon in der ersten Klasse mit dem Englischunterricht. Andere konzentrieren sich zunächst auf Lesen, Rechnen und Schreiben. Wann ist es optimal für Kinder, mit dem Englischlernen zu starten? Was sollten Eltern dabei wissen? – Grundschul-Expertin Constanze von sofatutor rät zum Mut beim Sprechen.

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Hamburg vs. NRW – wann geht’s wo mit Englisch los?

Wenn es um den Start beim Englischlernen geht, verfolgen die meisten Bundesländer die Prämisse: Erst mal die Grundlagen im Lesen, Schreiben und Rechnen legen. Das ist bei insgesamt 12 der 16 Bundesländer der Fall. Sogar Nordrhein-Westfalen ist zum Schulstart 2021/22 auf Englisch ab Klasse 3 gewechselt.

Es gibt ein paar Ausnahmen: Englisch wird z. B. in Brandenburg in einer begegnenden Phase in Klasse 1 und 2 angeschnitten, aber so richtig los geht es erst in den beiden letzten Jahren der Grundschule. Hamburg und Rheinland-Pfalz starten den Fremdsprachenerwerb ab Klasse 1: Die Stadt im Norden mit einem klassischen Englischunterricht, das Bundesland im Westen setzt auf ein fächerübergreifendes Kennenlernen der Fremdsprache. Das Saarland startet mit dem Fremdsprachenunterricht ebenfalls in Klasse 3, konzentriert sich aber auf Französisch. Englisch folgt er in Klasse 5 an der weiterführenden Schule.

Übersicht: So starten die Bundesländer mit Englisch

Bundesland Englischunterricht ab Klasse
Baden-Württemberg 3
Bayern 3
Berlin 3
Brandenburg 3 (Pflicht, in Klasse 1 und 2 teilweise)
Bremen 3
Hamburg 1
Hessen 3
Mecklenburg-Vorpommern 3
Niedersachsen 3
Nordrhein-Westfalen 3 (seit 08/2021)
Rheinland-Pfalz 1
Saarland 5 (Französisch ab Klasse 3)
Sachsen 3
Sachsen-Anhalt 3
Schleswig-Holstein 3
Thüringen 3

sofatutor-Check: Bayerns Grundschüler*innen lernen am fleißigsten Englisch

Wie wirkt sich dieser ungleiche Start auf das Lernniveau aus? Haben die Kinder in Hamburg und Rheinland-Pfalz einen Lernvorsprung? Um diese Frage zu beantworten, hat die Lernplattform sofatutor ausgewertet, wie viel Englisch deutsche Grundschüler*innen lernen. Ausgewertet wurde, wie hoch der Grundschulanteil an den Englisch-Aufgaben auf sofatutor ist, den die Lehrkräfte verteilen. Das Ergebnis: Bayerns Grundschüler*innen sind besonders fleißige Englisch-Fans. Auf Platz zwei landet Sachsen-Anhalt, gefolgt vom Frühstarter Brandenburg sowie dem Bundesland Hessen – beide auf Platz drei

sofatutor Check Englisch in der Grundschule

Interessant: Hamburg, wo Englisch bereits ab Klasse 1 unterrichtet wird, ist im Bundesländercheck nur im Mittelfeld angesiedelt. Ein Grund hierfür kann sein, dass in der Hansestadt trotz des frühen Starts zunächst nur eine Schulstunde für Englisch verwendet werden. Die meisten anderen Bundesländer investieren dann ab der dritten Klasse durchschnittlich fünf Stunden für den Englischunterricht. Besonders wenig Grundschul-Aufgaben in Englisch vergeben die Lehrkräfte im Vergleich in Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Thüringen. Das Saarland fällt aus der Betrachtung heraus, da hier erst ab Klasse 5 an der weiterführenden Schule mit dem Englischunterricht begonnen wird.

Sprachunterricht früh, intensiv, natürlich

In Rheinland-Pfalz wird ab der ersten Klasse mit dem Fremdsprachenunterricht begonnen. Allerdings lernen Kinder hier entweder Englisch oder Französisch, aufgrund der geografischen Nähe zu Frankreich und Belgien. Der frühe Start wird vom Bildungsministerium damit begründet, dass man sich so am aktuellen Stand der Spracherwerbsforschung orientieren könne:

  • so früh wie möglich
  • so intensiv wie möglich
  • so natürlich wie möglich
  • so motivierend wie möglich

Grundschul-Expertin empfiehlt Eltern: „Trauen ist wichtiger als Können“

Grundschul-Expertin Constanze von sofatutor kann Eltern beruhigen: „Nur weil einige Bundesländer früher mit dem Sprachenlernen beginnen, entsteht daraus kein Nachteil für die anderen Kinder. Andersherum sind die frühen Sprachlerner*innen auch nicht benachteiligt, wenn es um das Festigen der Grundlagen im Schreiben, Lesen und Rechnen geht. Die Rahmenlehrpläne sind sehr behutsam auf die kognitiven Kapazitäten der Kinder abgestimmt.“

Was sind nach Einschätzung der Expertin die wichtigsten Tipps für einen gelungenen Start in das Englischlernen? Constanze erklärt: „Der Englischunterricht in der Grundschule steht ganz im Zeichen des freudigen Entdeckens der neuen Fremdsprache. So wird ein essenzieller Grundstein für die Freude am lebenslangen Sprachenlernen gelegt. Damit dies gelingt, sollte der Einstieg in den Englischunterricht natürlich so positiv wie möglich besetzt werden. An dieser Stelle spielt die Haltung der Eltern gegenüber dem neuen Fach eine entscheidende Rolle.“ 

Constanze bittet Eltern daher, auf zwei Dinge zu achten:  

  1. „Zeigen Sie Ihrem Kind, welche Möglichkeiten sich durch die neue Sprache ergeben. Wer Englisch spricht, kann sich mit Menschen auf der ganzen Welt verständigen und auf Reisen, z. B. nach dem Weg fragen.“
  2. „Entdecken Sie mit Ihrem Kind beim Einkaufen oder Fernsehen Wörter, die aus dem Englischen stammen, z. B. SALE beim nächsten Einkauf. So beschäftigt sich Ihr Kind ganz natürlich mit der neuen Sprache.“ 

Denn, so erklärt Constanze: „Ein wichtiger pädagogischer Leitsatz beim Sprachenlernen ist message before accuracy, was auch Sie als Eltern Ihrem Kind vermitteln sollten. Das bedeutet, dass es für Ihr Kind zuallererst wichtig ist, sich zu trauen und seine Gedanken auszusprechen. Eine perfekte Satzstellung oder die korrekte Grammatik sind dabei nicht so wichtig. In Form des sogenannten Spiralcurriculums wird der Lernstoff in den Folgejahren eh immer wieder aufgegriffen und ausgebaut. Wenn Ihr Kind direkt zu hören bekommt: ‚So sagt man das aber nicht!‘, verliert es schneller die Motivation als jemand, dessen Äußerung aufgegriffen und erwidert wird.“ 

Wichtig ist in den ersten Jahren des Sprachunterrichts also das „Warmwerden“ mit der neuen Sprache und das Überwinden möglicher Hemmschwellen. Die Expertin empfiehlt daher, auch über den Besuch einer Englisch-AG am Nachmittag nachzudenken, wenn das Kind Spaß am Lernen der Sprache zeigt. Kinder, die früh mit einer fremden Sprache in Berührung kommen, setzen sich dabei auf spielerische Weise mit der kulturellen Vielfalt und Mehrsprachigkeit unserer Gesellschaft auseinander. 

Am Ende der Grundschule sind dann alle Kinder in den Grundlagen des Sprechens, Hörverstehens, Schreibens und Leseverstehens auf Englisch ausgebildet. Beim Wechsel auf die weiterführende Schule können Eltern folgende Hinweise beachten, um sicherzustellen, dass Ihr Kind es nicht allzu schwer hat, im Unterricht mitzukommen.

Im Fach Englisch sollte Ihr Kind beim Wechsel auf die weiterführende Schule:

  1. Sich selbst auf Englisch vorstellen und Namen erfragen können.
  2. Einfache Sätze zur Begrüßung, zum Abschied, sowie „Bitte“ und „Danke“ sagen können.
  3. Wissen, wie die Farben und Zahlen auf Englisch heißen.
  4. Seine Gefühle und Wünsche ausdrücken können.
  5. Die Vokabeln für die Bereiche Schulsachen, Tiere, Kleidung, Körperteile, Uhrzeiten, Jahreszeiten, Wetter, Wochentage und Familie kennen und diese beschreiben können.
  6. Einfache Fragen auf Englisch stellen und beantworten können.
  7. Einen kleinen englischen Text über sich schreiben können.
  8. Die Verben der Wahrnehmung (z. B. feel, hear, smell, taste, see) beherrschen.
  9. Feiertage und andere landeskundliche Merkmale aus Großbritannien und den USA kennen, z. B. Halloween oder Weihnachtsbräuche.
  10. Einfache grammatische Strukturen intuitiv anwenden, z. B. die Pluralform von Gegenständen.

Fazit: Günstige Gelegenheit nutzen – dann klappt’s mit der Englisch-Euphorie!

Es gibt nicht den einen besten Zeitpunkt für den Start ins Fremdsprachenlernen. Eltern sollten sich bewusst sein, dass viele Faktoren dabei eine Rolle spielen, wie offen das Kind für die neue Sprache ist, erklärt Grundschul-Expertin Constanze: „Wie interessiert ist mein Kind an der neuen Sprache? Hat es Freude am Ausprobieren neuer Dinge? Wie geht es mit Rückschlägen um? Welche Möglichkeiten bieten sich in unserem Alltag, die neue Sprache authentisch aufzugreifen?“ Nicht zuletzt entscheidet schließlich der Wohnort über den Beginn des schulischen Englischunterrichts. Fest steht jedoch: Ob in Klasse 1, 3 oder 5 – niemand muss sich Sorgen machen, dass sein Kind über- oder unterfordert werden wird.