Sonderpädagogisches Gutachten – was Eltern wissen müssen

Was ist, wenn mein Kind Unterstützung beim Lernen benötigt, z. B. aufgrund körperlicher oder kognitiver Einschränkungen? Dann muss ein Gutachten über einen sonderpädagogischen Förderbedarf her. Alles, was Eltern darüber wissen müssen.

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Ãœbersicht: Welche Frage interessiert Sie?

Es kann einschüchternd für Eltern sein, wenn sie den Verdacht hegen, dass ihr Kind einen Förderbedarf hat, weil es z. B. langsamer lernt oder körperlich eingeschränkt ist. Aber ein sonderpädagogisches Gutachten hilft Ihrem Kind, die Unterstützung zu bekommen, die es braucht, um den Lernalltag gut und so selbstständig wie möglich zu meistern. Die Schule und das Schulamt helfen bei der Festlegung der nötigen Unterstützungsmaßnahmen.

Was ist ein sonderpädagogisches Gutachten?

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© fizkes/shutterstock.com

Mit dem sonderpädagogischen Gutachten wird festgestellt, ob bei einem Schulkind ein Förderbedarf besteht. Dem Gutachten geht ein ausführliches Feststellungsverfahren voraus, in dem das Kind in verschiedenen Situationen beobachtet, untersucht bzw. befragt wird und Gespräche mit den Eltern geführt werden. Steht dem Kind laut Gutachten eine sonderpädagogische Förderung zu, bekommt es entweder integrative Unterstützung an einer Regelschule oder wird einer Förderschule bzw. einem sonderpädagogischen Bildungsangebot (Baden-Württemberg) zugewiesen.

Im sonderpädagogischen Gutachten werden u. a. folgende Informationen abgefragt:

  • vorschulische Bildung
  • Lernentwicklung
  • Leistungsstand
  • Arbeits- und Sozialverhalten
  • Ergebnisse der Test- und Lernprozessdiagnostik
  • Inhalte der Elterngespräche
  • Wunsch der Eltern zum Förderort
  • der genaue Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung

Das sind die Förderschwerpunkte


Die Kultusministerkonferenz (KMK) legt folgende Förderschwerpunkte für Schüler/-innen fest. Davon abzugrenzen sind Teilleistungsstörungen, wie etwa Legasthenie oder Dyskalkulie:

  • Lernen
  • Körperliche und motorische Entwicklung
  • Geistige Entwicklung
  • Emotionale und soziale Entwicklung
  • Hören
  • Sprache
  • Sehen
  • Andauernde Erkrankung

Was ist der Unterschied zwischen einem Förderbedarf und einem Förderschwerpunkt?

Je nachdem, welcher Förderschwerpunkt (s. Infokasten) festgestellt wird, kann die Schule zusätzliche schülerbezogene Ressourcen beantragen, also einen Förderbedarf benennen. Bei den Förderschwerpunkten „Lernen“, „Emotionale und soziale Entwicklung“ sowie „Sprache“ werden seit dem Schuljahr 2017/2018 keine zusätzlichen Ressourcen mehr zur Verfügung gestellt. Diese seien bereits vorhanden, wie z. B. die Senatsverwaltung Berlin mitteilt. Wenn also festgestellt wird, dass in einem der Schwerpunkte ein Förderbedarf für Ihr Kind entsteht, hat es individuelle Rechte, die einzeln evaluiert werden müssen:

Mögliche Förderbedarfe sind:

  • Anspruch auf individuelle Förderung
  • Empfehlung für den Nachteilsausgleich
  • ggf. Absenkung der Anforderungen
  • vorgezogene Aufnahme in die Sekundarstufe

Wie bekommt man ein sonderpädagogisches Gutachten?

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Hegen Eltern den Verdacht, dass ihr Kind besondere Unterstützung beim Lernen bzw. in der Schule benötigt, z. B. aufgrund von körperlicher oder sozial-emotionaler Beeinträchtigung oder Behinderung, können sie in der Regel jederzeit einen Antrag auf ein Feststellungsverfahren für ein sonderpädagogisches Gutachten bei der Schulaufsichtsbehörde stellen. In Ausnahmefällen wird ein Antrag auch von der Schule gestellt. Nämlich dann, wenn Lehrkräfte den Verdacht haben, dass bei einem Schüler oder einer Schülerin ein besonderer Bedarf besteht. Im Förderschwerpunkt „Lernen“ kann dies erst ab dem dritten Jahr der Schuleingangsphase erfolgen. Die Schule muss außerdem nachweisen, dass sie alle anderen Fördermöglichkeiten bereits ausgeschöpft hat.

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Wer stellt das Gutachten aus?

Das sonderpädagogische Gutachten wird meist von einer Lehrkraft der Schule, auf die das Kind bereits geht oder nach der Einschulung gehen soll, und einer sonderpädagogischen Lehrkraft erstellt. Die führen mit dem Kind eine Test- und Lernprozessdiagnostik durch und sprechen mit den Eltern. Falls es nötig ist, kann die Schulaufsichtsbehörde weitere Fachkräfte oder Institutionen für das Gutachten hinzuziehen. Beispielsweise kann sie eine schulärztliche Untersuchung durch das Gesundheitsamt veranlassen. Hier werden u. a. die Sinnesorgane untersucht und geschaut, ob bei dem Kind aus medizinischer Sicht eine Beeinträchtigung besteht. Auch eine schulpsychologische Stellungnahme kann für das sonderpädagogische Gutachten eingeholt werden.

Welche Schritte gibt es beim sonderpädagogischen Gutachten? – Beispiel Berlin

Schritt Beteiligte Was wird untersucht / entschieden?
1 alle Lehrkräfte
  • diagnostische Maßnahmen bei allen Schülerinnen und Schülern, z. B. (systematische) Beobachtungen, Gespräche mit den Schülerinnen und Schülern, Tests, Lernzielkontrollen, Lernstandsanalysen, Screening-Verfahren, Vergleichsarbeiten
  • Möglichkeiten der Selbsteinschätzung der Schülerinnen und Schüler und daraus folgende Maßnahmen der individuellen oder sonderpädagogischen Förderung
2 einige Lehrkräfte
  • diagnostische Maßnahmen bei einigen Schülerinnen und Schülern, z. B. standardisierte Verfahren zur Ermittlung von Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten o. a.
  • daraus folgende Maßnahmen der individuellen oder sonderpädagogischen Förderung
3 Klassenlehrer/-in
  • Dokumentation der Maßnahmen lernprozessbegleitender Diagnostik und Förderung bei einigen Schülerinnen und Schülern
4 Sonderpädagogin/-pädagoge der Schule (in der Regel)
  • Vorklärung, ob ein Antrag auf sonderpädagogische Diagnostik gestellt werden sollte
5 Schule oder Erziehungsberechtigte
  • Antrag auf sonderpädagogische Diagnostik und Förderung an die zuständige Koordinierungsstelle
6 Koordinierungsstelle Sonderpädagogik der Schulpsychologischen und Inklusionspädagogischen Beratungs- und Unterstützungszentren (SIBUZ)
  • Beauftragung einer Diagnostik- und Beratungslehrkraft
7 Schulleitung mit Diagnostik- und Beratungslehrkraft des SIBUZ
  • protokolliertes Beratungsgespräch mit Erziehungsberechtigten, Klassenlehrkraft, Schulleitung, Sonderpädagog/-in der Schule, Diagnostik- und Beratungslehrkraft, ggf. Schüler/-in sowie weiteren Beteiligten der Schule oder außerschulischen Institutionen
8 Koordinierungsstelle Sonderpädagogik des SIBUZ
  • Prüfung aller Unterlagen
9 Leitung des SIBUZ (in der Regel Fachbereichsleitung Inklusionspädagogik)
  • Zustimmung oder Ablehnung der Empfehlungen im Dokument „Stellungnahme, Empfehlungen, Ergebnis“
10 Koordinierungsstelle Sonderpädagogik des SIBUZ
  • schriftliche Information an die Eltern (Protokoll und Ergebnis)
11 unterrichtendes Team der Schule mit Sonderpädagog/-innen der Schule
  • kontinuierliche Erstellung eines sonderpädagogischen Förderplans für die Schülerin bzw. den Schüler

Widerspruch: Kann man das sonderpädagogische Gutachten anfechten?

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Ist der Antrag zum Feststellungsverfahren für den sonderpädagogischen Förderbedarf von den Eltern erst unterzeichnet, ist es aufwändig, Widerspruch gegen das Urteil einzulegen. Nachdem das sonderpädagogische Gutachten erstellt wurde, entscheidet die Schulaufsichtsbehörde als nächstes über die Förderschwerpunkte und die Form der Unterstützung, z. B. einen Schulwechsel. Darüber werden die Eltern dann in einem Gespräch informiert. Diese haben auch das Recht, das Gutachten und die dazugehörigen Dokumente einzusehen. Sind Eltern mit der Entscheidung der Schulaufsichtsbehörde nicht einverstanden, bleibt ihnen meist nur die Option, Widerspruch beim zuständigen Verwaltungsgericht einzulegen. Um den Wechsel auf eine Förderschule zu verhindern, werden dann Eilanträge gestellt. Eltern sollten sich hierzu mit einer Anwältin bzw. einem Anwalt für Schulrecht in Verbindung setzen.

Wie kann ein Widerspruch gegen einen Beschluss auf Grundlage des sonderpädagogischen Gutachtens aussehen?

In einem von der Kanzlei Bobach, Borsbach & Herz beschriebenen Fall legte eine Familie Einspruch ein, da ihr Sohn nach dem Ende der vierten Klasse auf eine Förderschule wechseln sollte. Zuvor war er auf einer Regelschule beschult worden. Es war zum zweiten Mal ein Förderbedarf im Schwerpunkt „Lernen“ festgestellt worden. Dem vorherigen Antrag der Mutter, den Sohn entsprechend integrativ zu fördern, war zunächst nicht nachgekommen worden. Die Mutter legte Widerspruch gegen den Wechsel ihres Sohnes an eine Förderschule ein, damit  er die vierte Klasse an der Regelschule wiederholen zu lassen. Sie bekam recht. Die Kanzlei begründet, dass „eine Benachteiligung dann vor[liegt], wenn die Ãœberweisung erfolgt, obwohl die Unterrichtung an einer allgemeinen Schule (Regelschule) möglich ist, der dafür nötige Aufwand mit den vorhandenen Mitteln bestritten werden kann und organisatorische Schwierigkeiten und schutzwürdige Belange Dritter dem nicht entgegenstehen.“ Dass die zuständigen Sächsische Bildungsagentur vorab nicht alle Schritte zum Unterrichten an der Regelschule unternommen hatte, gab genug Anlass, die Entscheidung der Schulaufsichtsbehörde zu widerrufen. Das Kind konnte an der Regelschule bleiben.

Kritik am Feststellungsverfahren für den sonderpädagogischen Förderbedarf

Zwei schwedische Forscher fanden in einer Studie am Beispiel von Nordrhein-Westfalen  heraus, dass die Sicht von betroffenen Eltern und Schülerinnen bzw. Schülern bei der Erstellung des sonderpädagogischen Gutachtens zu kurz kommt. 2019 wurden dazu vierzehn sonderpädagogische Lehrkräfte und fünf Schulaufsichtsbeamtinnen und -beamte befragt. Die Bildungsforscher Barow und Östlund kamen zu dem Schluss, dass „[d]as Verfahren zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs und des Förderschwerpunktes unvereinbar mit der UN-BRK[, dem Ãœbereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen,] und dem Recht des Kindes auf inklusive Bildung [ist]“. Sie problematisieren außerdem, dass nach wie vor in den meisten Feststellungsverfahren Intelligenztests angewendet würden und dass die Meinung der Förderpädagoginnen und -pädagogen überdurchschnittlich stark gewichtet würde.

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