Bilingualer Unterricht – Was Eltern darüber wissen sollten

Geschichte auf Englisch, Mathe auf Französisch – An vielen deutschen Schulen findet bilingualer Unterricht statt. Aber wie sinnvoll ist zweisprachiges Lernen wirklich?

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Das Sprechen mehrerer Sprachen hat in unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert. In vielen Berufen werden sehr gute Englischkenntnisse vorausgesetzt. Zudem verbessert das Lernen einer anderen Sprache auch die Fähigkeiten in anderen Schulfächern. Wir erklären, wie bilingualer Unterricht funktioniert und was für Schwierigkeiten sich für Schüler Schülerinnen und Schüler an bilingualen Schulen ergeben können.

Bilingualer Unterricht was ist das?

Schriftzug: bilingual

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Der Begriff „bilingual“ bedeutet übersetzt „zweisprachig“. Das meint in erster Linie, dass jemand in zwei Sprachen sehr gut kommunizieren kann. Wer in Deutschland eine bilinguale Schule oder eine Schule mit bilingualem Zug besucht, wird in einigen Unterrichtsfächern wie z. B. Geschichte, Politik, Erdkunde oder Biologie ausschließlich in der Zweitsprache unterrichtet.

Das fördert in erster Linie die Sprachkompetenz. Denn der Kontakt mit der Fremdsprache verläuft viel intensiver und praktischer als im Sprachunterricht selbst. Die jeweilige Zweitsprache, meist Englisch oder Französisch, wird in der Regel schrittweise ab der fünften Klasse eingeführt. Ab der siebten Klasse beginnt dann der bilinguale Zug ohne weitere Vorbereitung. Diesen abrupten Schritt vom deutschsprachigen zum ausschließlich fremdsprachigen Unterricht nennt man Immersion.

Die Vermittlung der fachlichen Inhalte steht beim Unterricht in der Fremdsprache im Vordergrund. Die Fremdsprache wird durch die praktische Anwendung automatisch trainiert. Zu Beginn erhalten die Schülerinnen und Schüler ergänzenden Sprachunterricht, um vor allem das Verständnis und den Fachwortschatz zu sichern.

Fachlehrerinnen und Fachlehrer, die bilingual unterrichten wollen, müssen die jeweilige Zweitsprache als Muttersprache oder mindestens auf C1-Niveau sprechen. Während des Lehramtsstudiums gibt es ebenfalls Möglichkeiten, sich für den zweisprachigen Unterricht zu qualifizieren.

Die Formen des bilingualen Unterrichts

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Bilinguale Schule ist nicht gleich bilinguale Schule. Manche Einrichtungen sind ausschließlich auf das zweisprachige Lernen spezialisiert. Andere Schulen bieten parallel zum herkömmlichen Unterricht einen bilingualen Zug an.

  • Bilinguale Züge (Bili-Klassen): Die Schülerinnen und Schüler, die einen bilingualen Zug wählen, erhalten durchgehend zweisprachigen Unterricht, häufig ab der siebten Klasse. Ausgewählte Schulfächer werden dann ausschließlich in der jeweiligen Zweitsprache unterrichtet. Der bilinguale Zug endet in der Regel mit dem Schulabschluss.  
  • Bilinguale Profilklassen: In bilingualen Profilklassen findet Unterricht in bestimmten Fächern zwar vermehrt, aber nicht ausschließlich in der Zweitsprache statt. Dabei kann der nicht-deutschsprachige Anteil variieren.
  • Bilinguale Module: An manchen Schulen wird nur phasenweise bilingual unterrichtet. Der Unterricht findet in Modulform statt. Das bedeutet, dass die Schüler und Schülerinnen immer wieder Einheiten haben, die in der Zweitsprache stattfinden und nicht auf Deutsch.
  • Binationale Züge: Das Besondere an binationalen Zügen ist, dass die Schülerinnen und Schüler am Ende mit zwei Schulabschlüssen die Schule verlassen. Dies geschieht auf der Grundlage von Vereinbarungen zwischen zwei Ländern. Beispiele für solche Abschlüsse sind das deutsch-französische Abitur AbiBac oder das AbiBachi, das eine Kombination aus dem deutschen Abitur und dem spanischen Bachillerato darstellt.

Welche Vorteile hat bilingualer Unterricht?

Mädchen betrachtet Globus

© SUKJAI PHOTO/shutterstock.com

Gerade durch die zunehmende Globalisierung ist eine gute Sprachkompetenz heutzutage unabdingbar. Schon der Gelehrte Wilhelm von Humboldt war fasziniert von der Verständigung der Menschen:

Die Sprache ist der Schlüssel zur Welt.

Wer frühzeitig eine zweite Sprache sicher beherrscht und versteht, ist später in Alltag, Studium, Ausbildung und Beruf im Vorteil. Die folgenden Aspekte sprechen dafür, eine Schule mit bilingualem Unterrichtsangebot zu wählen:

  • Interkulturelle Kompetenzen: Im bilingualen Unterricht spielt, neben dem Erwerb der Sprachkenntnisse, auch die Perspektive des jeweiligen Zweitsprachenlandes eine große Rolle. Schülerinnen und Schüler werden für andere Kulturen und Ländern sensibilisiert und begegnen ihnen aufgeschlossener und toleranter.                                                                          
  • Förderung der Sprachpraxis: Durch den bilingualen Fachunterricht lernen Schülerinnen und Schüler, ihre Sprechhemmungen zu überwinden und sich souverän in der Zweitsprache zu verständigen. Dies stärkt das Selbstvertrauen und die kommunikative Kompetenz – auch für den Unterricht auf Deutsch.
  • Kognitive Vorteile: Eine aktuelle Studie der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt hat ergeben, dass Grundschülerinnen und -schüler, die am englischsprachigen Sachunterricht teilgenommen haben, nicht nur bessere Englischkompetenzen vorweisen, sondern auch bessere Leistungen in den Fächern Deutsch und Mathematik erzielen konnten. Heiner Böttger, Professor für Didaktik der englischen Sprache und Literatur, bezeichnete die Ergebnisse als „sensationell“. Er erklärte dieses Phänomen damit, dass sich im Gehirn von zweisprachig Lernenden ständig neue Netzwerke und Verknüpfungen bilden würden. Dies verschaffe ihnen nicht nur in Bezug auf das Lernen von Sprachen einen kognitiven Vorteil. Auch die Konzentrationsfähigkeit werde durch den zweisprachigen Unterricht gestärkt, so Böttger.
Infografik Vorteile bilingualer Unterricht

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Für wen ist bilingualer Unterricht geeignet?

Kinder melden sich im Unterricht

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Bilingualer Unterricht hat viele Vorteile. Doch die meisten Eltern sind auch verunsichert und fragen sich: Ist eine bilinguale Schule das Richtige für mein Kind? Besteht die Gefahr einer Überforderung? Um das zu beantworten, hilft ein erneuter Blick auf die Studie der Universität Eichstätt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden zufällig ausgewählt. Professor Böttger konnte bei den Ergebnissen keinen Unterschied zwischen Kindern aus bildungsnahen Familien und solchen mit bildungsfernem Hintergrund feststellen. Die wichtigste Voraussetzung für die Teilnahme an einem bilingualen Unterricht ist demnach die vorhandene Sprachkenntnis, bzw. die Bereitschaft, die Fremdsprache zu lernen, und ein gewisses Sprachtalent. Das Bildungsministerium Nordrhein-Westfalen weist darauf hin, dass der bilinguale Unterricht dort immer durchlässig gestaltet wird und ein Wechsel zurück zu einem regulären Unterricht jederzeit möglich sei.

An welchen Schulen gibt es bilingualen Unterricht?

auf zwei Blättern steht in bunten Buchstaben

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Zu Beginn wurde vor allem an Gymnasien bilingualer Unterricht als Instrument für die Begabtenförderung angeboten. Heutzutage hat sich das Modell auf fast alle Schulstufen und Schularten ausgeweitet. Auch bilinguale Kindergärten oder bilinguale Grundschulen gibt es.

Lag der Fokus zu Beginn der Entwicklung auf Französisch als Zweitsprache, so hat seit den 1990er Jahren der bilinguale Unterricht mit Englisch als Zweitsprache an Bedeutung gewonnen. Allein in Nordrhein-Westfalen gibt es bilinguale Schulen mit folgenden Fremdsprachen:

  • Englisch
  • Französisch
  • Italienisch
  • Spanisch
  • Niederländisch
  • Portugiesisch
  • Neugriechisch

Die Angebote von bilingualen Schulen richten sich auch nach der Lage des Bundeslandes. So gibt es z. B. in Görlitz eine deutsch-polnische Schule, in Berlin gibt es eine Schule mit einem deutsch-dänischen, deutsch-schwedischen und deutsch-norwegischen Angebot und in Niedersachsen gibt es z. B. einen Kindergarten mit einer bilingualen deutsch-plattdeutschen Erziehung.

Weiterführende Informationen für Eltern mit Interesse an bilingualen Schulen gibt es meist von den Kultus- oder Schulministerien der einzelnen Bundesländer, anbei einige Beispiele:
Baden-Württemberg
Bayern
Hessen
Niedersachsen
Nordrhein-Westfalen
Thüringen

Mit welchen Herausforderungen müssen Eltern und Kinder rechnen?

Bilingualer Unterricht hat viele Vorteile für die Schülerinnen und Schüler. Trotzdem sollte man wissen, dass der zweisprachige Unterricht kein Selbstläufer ist.

  • Zusätzliche Unterrichtsstunden: Gerade am Anfang haben die Lernenden einen gewissen zeitlichen und inhaltlichen Mehraufwand. Sie müssen sowohl den Unterrichtsstoff aufnehmen als auch parallel die Zweitsprache lernen. Letzteres geschieht in Form von zusätzlichen Unterrichtsstunden.
  • Längere Vor- und Nachbereitung: Anfangs muss das Gelernte länger vor- und nachbereitet werden. Neben dem Verstehen der fachlichen Zusammenhänge, müssen Wörter in der Zweitsprache häufig nachgeschlagen werden. Dies kostet Zeit und stört den Lernfluss.
  • Fehlende Unterrichtsmaterialien: Zum Teil ist es für Lehrkräfte schwierig, passendes Unterrichtsmaterial in der jeweiligen Zweitsprache zu finden. Oft müssen sie auf originale Arbeitsblätter und Lehrbücher aus dem Land der gewählten Sprache zurückgreifen. Dort wird häufig nach einem ganz anderen Rahmenlehrplan unterrichtet. Profi-Tipp: sofatutor bietet viele Erklärvideos in der Zielsprache in Englisch, Französisch und Spanisch an. Diese sind altersgerecht und unterhaltsam aufbereitet.
  • Hohe Konzentrationsfähigkeit: Bilinguales Lernen erfordert anfangs deutlich mehr Konzentration, als es in der Muttersprache der Fall ist. Diese kann zu Erschöpfung, Frustration oder Unaufmerksamkeit führen. Eine gewisse Sprachbegabung ist hier von Vorteil.

Die Geschichte des bilingualen Unterrichts

deutsche und französische Fahne

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Der erste bilinguale Unterricht in Deutschland fand 1969 am Hegau-Gymnasium in Singen statt. Anlass war der 1963 geschlossene Élysée-Vertrag zur Aussöhnung von Deutschland und Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg und dem damit einhergehenden Wunsch nach einer gegenseitigen Vermittlung von Sprache und Kultur. Der bilinguale Unterricht fand in den Fächern Geschichte und Geografie statt, die jeweils auf Französisch unterrichtet wurden. Nach Angaben der Kultusministerkonferenz gibt es mittlerweile mehr als 1500 bilinguale Schulen in Deutschland.

Buchtipps zum Thema bilingualer Unterricht

Für Eltern, die ihr Kind zweisprachig erziehen, dessen Englisch-Kenntnisse verbessern oder mehr über den bilingualen Unterricht erfahren möchten, haben wir Bücher zum Thema bilingualer Unterricht herausgesucht.

The Adventures of Leo: The Train

Von Christine Hounsgaard / Verlag: KAWA

Bei diesem deutsch-englischen Kinderbuch steht die englische Version auf der einen Seite und die deutsche Übersetzung auf der Seite daneben. Das Buch erzählt von dem Labrador Leo, der seinen Besitzer jeden Tag zum Bahnhof begleitet. Eines Tages beschließt er, selbst in einen Zug zu steigen und eine abenteuerliche Reise beginnt.

The Bilingual Brain

Von Albert Costa / Verlag: Penguin Books

Wie geht unser Gehirn mit Sprache um? Wie können zwei Sprachen nebeneinander in einem Gehirn existieren? Was sind die Vorteile von bilingualem Lernen und wo liegen die Herausforderungen? Albert Costa teilt seine jahrzehntelange Erfahrung zu dem Thema in diesem Buch und verrät uns, dass Babys bereits Stunden nach der Geburt zwei Sprachen unterscheiden können.

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Titelbild: ©pathdoc/shutterstock.com

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