Unsichtbar und doch dabei – Elternknigge für den Abiball
Der Abiball ist für die Eltern der Abiturientinnen und Abiturienten mindestens genauso aufregend wie für diese selbst. Damit der Abiball in guter Erinnerung bleibt, sollte der Abend ohne größere Fauxpas verlaufen. Ein Abiballknigge für Eltern.
Streitpunkt Kleiderfrage?
An einem so festlichen Abend mit vielen Gästen möchten Eltern natürlich, dass ihre Kinder vorzeigbar aussehen. Auch die Abiturientinnen und Abiturienten stellen sich schon Monate vorher die Kleiderfrage. Nur kann es natürlich vorkommen, dass sich zwischen der Vorstellung von einem „schicken“ und „schönen“ Outfit der Eltern und derer der Kinder eine große Kluft auftut.
Das Aufdrücken von Kleidung oder Sprüchen, wie „Du lässt aber tief blicken!“, „Willst du dich sooo blicken lassen?“ und „Hast du den Kassenbon noch?“, sind wenig hilfreich. Denn Ihr Kind sollte sich in seinem Outfit wohlfühlen. Verunsicherung ist schon vorhanden und sollte nicht noch verstärkt werden. Außerdem fällt das dauernde Herumgezuppel an Kleidungsstücken mehr auf als das Tragen von abgelatschten Turnschuhen.
Daher: Nicht zu viel in die Kleiderfrage eingreifen, der Abend ist der Eintritt in einen neuen Lebensabschnitt. Bald muss Ihr Kind viel wichtigere Entscheidungen allein treffen.
Und: Haben Sie damals gerne angezogen, was Ihre Eltern Ihnen vorgeschlagen haben?
Kein Platz für hochgekochte Emotionen
Dieser Abend ist vollgestopft mit Emotionen: Die Schulzeit ist vorbei, die nervigen Prüfungen geschafft und das Bewusstsein, dass bald alle getrennte Wege gehen, klebt in allen Ecken und Ritzen. Dann flirtet der Kumpel Ihres Sohnes auch noch mit dessen Schwarm; die eine trägt das Kleid, an dem die Tochter erst den Gefallen verloren hat, nachdem sie das Preisschild analysiert hatte, und klar, die Schmidts fahren mit ihrem fetten Benz vor und klauen noch den letzten Parkplatz. Es sollten also alle zusätzliche Situationen, in denen weitere Emotionen hochkochen könnten, vermieden werden, z. B. Familienstreitigkeiten.
Denn besonders Scheidungkinder geraten zusätzlich in Stress bei der Frage, ob beide Elternteile dabei sein und ob diese an einem Tisch sitzen sollen. Ob Sie das wollen, ist in dem Fall egal, denn der Abend gehört Ihrem Kind und soll unvergesslich bleiben – im positiven Sinne! Vermitteln Sie Ihrem Kind, dass mal die Luft angehalten und über den Schatten gesprungen wird, damit es sich auch wirklich auf die „wichtigen“ Dinge konzentrieren kann. Wenn es jedoch keine Möglichkeit gibt, gemeinsam an einem Tisch zu sitzen, sollte nur ein Elternteil mitkommen, um einem großen Familienstreit keine Bühne zu bieten.
Alkoholverbot
Prinzipiell sind Alkoholverbote in diesem Alter nicht mehr angebracht. Seichte nebenbei platzierte Warnschüsse, dass mit zu viel Alkohol der Abend nicht ganz so schön enden wird, können gerade so noch fallen gelassen werden, aber bitte ohne dabei belehrend zu sein.
Was gar nicht geht, sind unerwünschte Hinweise im Beisein von Freunden, wie: „Das ist schon dein zweites Glas. Ich glaube, du hattest jetzt genug!“. Sollten Sie sich wirklich Sorgen um den Konsum machen, stellen Sie hin und wieder ein Glas Wasser auf den Tisch. Das wird schneller weg sein, als Sie gucken können.
Dass Sie von der übermäßigen Sicht auf Gläserböden Abstand halten sollten, versteht sich von selbst.
Let’s Dance
Auf so einem rauschenden Fest schwingt jeder gern das Tanzbein, auch die Eltern, na klar. Aber bitte bewahren Sie die gewohnte Zweisamkeit und tanzen Sie nur mit Ihrem Partner. Falls Ihr Kind so gnädig ist und Ihnen auch die Ehre erweist – herzlichen Glückwunsch und ab aufs Parkett.
Doch halten Sie sich zurück, die Hüfte mit der Mathelehrerin oder dem Biolehrer zu schwingen. Und erst recht nicht mit den Klassenkameradinnen oder -kameraden. Selbst wenn es auf den ersten Blick harmlos erscheinen mag ‒ die geballte Ladung Kritik wird spätestens am nächsten Tag bei der Reflexion des Abends auf Sie niederschmettern.
So viele Schranken und Schneisen, da tanzt man doch am besten allein, wenn es einen in den Füßen juckt, dann macht man schließlich nichts falsch – nein, nein nein! Bloß nicht allein vor versammelter Mannschaft und dann vielleicht noch zu Helene … – ersparen Sie sich den hilflosen Blick Ihres verzweifelten Kindes.
Zu guter Letzt
Warten Sie nicht darauf, gemeinsam mit Ihrem Kind die Veranstaltung zu verlassen. Sie finden den Weg schon allein und ihr Kind auch, keine Sorge. Und verzichten Sie darauf, Zeitlimits zu setzen, denn: Es ist der Abend Ihres Kindes und über dessen Ende entscheiden nicht Sie.
Und noch etwas ganz Wichtiges zum Schluss: Bisher hat Ihr Kind hoffentlich erfolgreich geschafft, seinen elterlichen Spitznamen der Öffentlichkeit vorzuenthalten ‒ bitte vergeigen Sie diesen Erfolg nicht auf den letzten Metern. Lautes „Maaaaausiiii“, „Susiiiilein“, „Martiniliiii“ stößt nur auf fremdes Gehör – das Ihres Kindes ist in jenem Moment im Begriff zu implodieren.
Titelbild: ©DJ40/shutterstock.com
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