Zentralabitur: Und wieder wurde rumgedoktert am Versuchskaninchen Abitur

Es ist wieder so weit: Unser kränkelndes Bildungssystem war erneut beim Arzt: Schmerzpunkt Abitur, Zentralnerv! Nicht, dass wir alle was dagegen hätten, wenn dieser nicht ständig zum Pulsieren gebracht würde. Aber so, wie das Abitur jedes Mal von seiner „Reha“, bei der die Kultusminister an ihm herumdoktern, zurückkommt, bleibt meistens nur ein wehmütiges Kopfschütteln.

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Weder genesen, geschweige denn vorzeigewürdig, steht es wieder konfus auf dem Plan. Die mangelnden Therapieerfolge werden langsam lächerlich, doch trotzdem bleibt einem das Lachen im Halse stecken. Nicht zuletzt, weil es um die Bildung unserer Kinder geht. Doch (bittere) Ironie schwebt schon in der Luft, weil keiner wirklich versteht und offensichtlich auch nicht verstehen kann, wie das Abitur nach seiner erneuten Gehirnwäsche tickt. Wir haben uns mal durch den Dschungel an Neuregelungen, Ausnahmen, Ausnahmen von den Ausnahmen, Sonderregelungen und länderspezifischen Extrawürstchen durchgewühlt und unternehmen hier den Versuch, uns fürsorglich dem Sorgenkind Abitur anzunähern.

„Zentrales Zentralabitur“ ab 2016/17

Viele sind jetzt sicher verwirrt, weil es den Begriff „Zentralabitur“ ja schon gibt. Richtig, denn in 15 Bundesländern gibt es bereits das Zentralabitur auf Landesebene, aber eben nicht auf Bundesebene und somit schreibt jedes Bundesland noch ein anderes Abitur. Ab 2016/17 soll sich das aber ändern, durch einheitliche Aufgaben und gemeinsame Prüfkriterien: Für die Abiturprüfungen soll es dann einen zentralen Pool mit Aufgaben geben, um die Prüfungen für alle 16 Bundesländer zu standardisieren. Ganze fünf Jahre nach dem gesetzlichen „Ja“ zu einheitlichen Anforderungen, die ja auch alle befürworten und herbei ersehnt haben, ist es also gelungen, verbindliche Standards auf Bundesebene auf den Weg zu bringen. Eh diese aber Einzug halten, müssen wir noch zwei Jahre warten. Langzeittherapie – und vom Kopfschütteln wird einem langsam übel.

Vorreiter

Bayern, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Sachsen wollen im nächsten Jahr beim Abitur in Deutsch, Mathematik und Englisch näher zusammenrücken und ihren Schülern zur Reifeprüfung (zumindest in Teilen) die gleichen Aufgaben vorlegen. Ab 2015 will sich auch Brandenburg der Ländergruppe anschließen, zumindest im Fach Deutsch. Für dieses länderübergreifende Mikro-Zentralabitur soll auch schon mal geübt werden, um die Schülerinnen und Schüler mit den Aufgabenformaten vertraut zu machen. An allen Schulen dieser sechs Bundesländer werden bis Ende des Jahres gemeinsame Test-Klausuren in den besagten Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch geschrieben. Zudem wollen die Schulbehörden das Verfahren testen.

Es ist nicht alles Gold was glänzt

Dass sich das ganze „zentral“ schimpfen darf, ist eigentlich die Irreführung schlechthin. Denn dieses Zentral-Abitur versteht sich als ein gemeinsamer Topf mit gleich schweren Aufgaben, aus dem sich die Länder bedienen. Das hier mächtig gemogelt werden kann, ist nicht auszuschließen, denn jedes Land kann sich einfach wieder die Aufgaben rauspicken, die es selbst in den Pool geworfen hat.

Und auch das Abitur der sechs Vorreiter-Länder ist gar nicht so partnerschaftlich, wie es zu sein scheint. Denn die Kultusministerien haben sich gerade mal darauf verständigt, dass nur Teile der Abituraufgaben identisch sind, andere hingegen werden von jedem Land nach Lehrplan und Gutdünken zusammengestellt.

Und das ist nicht das Ende vom (Klage-)Lied. In Mathematik z. B. sind es nur die Eingangsaufgaben, die ohne Taschenrechner zu bewältigen sind, die für alle sechs dieser Länder gleich sind. Und auch beim Probedurchlauf würde keiner sofort an die Zuschreibung „zentral“ denken, denn Bayern stellt die Testaufgaben zusätzlich zu den normalen Aufgaben, andere Länder ersetzen sie ganz.

Generell setzt diese Pseudozentralität gar nicht am Kern an, weil jedes Land ja nochmal die gymnasiale Oberstufe anders regelt. Die einen haben Kernfächer, die verbindlich sind, andere ein System aus Grund- und Leistungskursen – und die Noten werden sowieso überall unterschiedlich gewichtet. Für das Klagelied braucht man wirklich einen langen Atem.

Und das Ende vom Lied?

Einheitliches Bildungssystem: So oft, wie es erklingt, gefordert und herbeigesehnt, von den Schaltzentren aber vehement ignoriert wird, wabert es über uns, gleich einer Utopie. Dabei muss es das gar nicht sein: Frankreich schafft es doch auch, seine Schüler nach einem national gleichgestellten Zentralabitur mit gleichen Aufgaben, die zum gleichen Zeitpunkt gestellt werden, abzuprüfen. Aber gerade am letzteren Zentralaspekt stoßen sich unsere Kultusministerien. Wie händelt man das denn dann mit den unterschiedlichen Ferienregelungen in 16 Bundesländern, die Wirtschaft und Tourismus so vehement in Stein gemeißelt haben? Es bleibt also erstmal abzuwarten, wie das Abitur auf die neuen Einstellungen reagiert. Ob sich in den nächsten Jahren – denn Sofortmaßnahmen scheinen ja nicht im Therapieplan vorgesehen – eine Genesung einstellen will.

Titelbild: ©iStock.com/shironosov

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