Wie lernt ein Autist? – Benjamins Mutter über kleine Schritte und große Erfolge

Benjamin hat eine Autismus-Spektrum-Störung. Wie sich das im Alltag zeigt und wie er trotzdem mit sofatutor-Videos gut lernt, erzählt seine Mutter.

So klappt's mit dem Lernen – jetzt im Video anschauen!

Frau Klaričs E-Mail erreicht uns über die sofatutor-Kundenbetreuung. Sie berichtet von ihrem Sohn Benjamin, der Autist ist und ADHS hat. Es ist nicht leicht für den Siebenjährigen, sich zu konzentrieren und neue Dinge zu lernen. Doch seine Mutter ist begeistert: Mit den kurzen Lernvideos von sofatutor.com wird der Lernstoff der 2. Klasse für Benjamin verständlicher. Die Videos sind kurz und klar, das Wichtigste wird oft wiederholt und mit Bildern unterstützt. Große Lernziele wie die Uhrzeit werden in kleine Lernziele unterteilt. Er bleibt dabei, kann einiges vom Gesehenen wiedergeben und die Übungen gut lösen. Das ist nicht selbstverständlich. Aber wie lernt ein Autist? Welche Herausforderungen gibt es? Und was wünscht sich Benjamins Mutter von Pädagoginnen und Pädagogen? Wir haben nachgefragt.

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Familie Klarič (Benjamin re.) | © privat

Frau Klarič, Sie sind Mutter eines autistischen Sohnes mit ADHS. Wie macht sich diese Entwicklungsstörung im Alltag bemerkbar?
Christina Klarič: „Benjamin hat Probleme im Sozialverhalten und in der Kommunikation. Er nimmt alles Gesagte wörtlich. Auch die nonverbale Kommunikation z. B. das Halten des Blickkontakts fällt ihm schwer. Er tendiert innerhalb des breiten Spektrums des Autismus zum High-Functioning-Autismus oder Asperger-Syndrom. Der Blickkontakt ist vermindert. Er kann den persönlichen Raum fremder Menschen schwer einschätzen und geht zu nah an sie heran. Die ADHS macht sich durch eine motorische Unruhe bemerkbar: Benjamin ist oft wie getrieben, läuft herum, fängt mit einem Spiel an und nimmt sofort das nächste. Er kann sich nicht lange auf etwas konzentrieren.“

Wie wird Benjamin derzeit unterrichtet?
Christina Klarič: „Er besucht eine reguläre Volksschule (Primarschule in Österreich, Anm. d. Red.). Dort erhält er Unterstützung durch die 1:1-Betreuung einer Schulassistentin. Benjamin braucht Hilfe bei den schulischen Herausforderungen und unstrukturierten Situationen, z. B. in den Pausen und bei der Interaktion mit anderen Kindern.“

Ist es dadurch einfacher für ihn, in der Schule mitzukommen?
Christina Klarič: „Einfacher? Das ist schwer zu sagen. Bei ihm ist die Unruhe sehr stark im Vordergrund. Man muss als Elternteil viel mit ihm zu Hause machen und lernen. Darum bin ich auf sofatutor.com aufmerksam geworden. Damit lernt er gerne. Themen aus der Schule kann ich mit den Videos noch vertiefen oder bereite ihn auf anstehende Lerninhalte vor.“

Können Sie ein Beispiel nennen?
Christina Klarič: „Wir lernen momentan die Uhrzeit mit ihm. Das Video zu den Grundlagen ist kurz und klar ausgedrückt. Das Video ist lustig gemacht. So bleibt er dabei. Mit Dingen, die ihm gefallen, kann er sich selbstständig auseinandersetzen.“

Finden Sie, dass er es so besser versteht?
Christina Klarič: „Ja, ich hatte ein Erfolgserlebnis. Als wir die Ein- und Mehrzahl von Namenwörtern geübt haben, habe ich ihm ein passendes Video gezeigt. Als wir anschließend mit Lego spielten, nahm er die Legokuh und sagte zu mir, dass es ‚die Kuh‘ heiße und die Mehrzahl ‚die Kühe‘ sei. Er wusste auch, dass man ‚Kuh‘ großschreibt. Diese Bemerkung zeigte, dass er hat sich etwas gemerkt hatte. Er hat das neue Wissen unaufgefordert in einer Alltagssituation korrekt angewendet und es mir mitgeteilt. Was für eine tolle Leistung!“

Was für Herausforderungen bewältigt Ihre Familie, die andere Familien nicht haben?
Christina Klarič: „Die größte Herausforderung ist das Weglaufen. Es geht im Moment zwar recht gut, aber man muss ihn immer wieder darauf aufmerksam machen, bei einem zu bleiben. Benjamin darf nicht lange unbeaufsichtigt bleiben. Es fallen ihm die unmöglichsten Sachen ein. Ein Beispiel: Ich habe mit Benjamin Lego gespielt. Ich ließ in kurz alleine und als ich wieder bei ihm war, hat er sich das Plastiksackerl, in dem die Lego-Steine waren, über den Kopf gezogen. Seine Antwort war: ‚Das ist meine neue Plastikhaube‘. Wenn wir auf den Spielplatz gehen, sollte man ihn konstant im Auge behalten. Er könnte andere Kinder schubsen oder ihnen die Spielsachen wegnehmen. Er macht das nicht böswillig. Ihm ist oft nicht klar, was er da macht. Er kann die Signale des Gegenübers nicht richtig interpretieren. Mittlerweile funktioniert es viel besser. Sein Sprachverständnis ist besser geworden und er kann sich an Abmachungen halten. Nicht immer, aber es wird.“

Wie lernt Benjamin?
Christina Klarič: „Benjamin lernt durch Motivation und Verstärkung. Erwünschtes Verhalten wird mit Lob verstärkt, damit er es wieder zeigt. Unerwünschtes Verhalten wird gelöscht, indem man es ignoriert oder eine Konsequenz aufzeigt. So zeigt er dieses Verhalten nicht mehr. Das Lernen über Versuch, Irrtum bzw. Imitation, wie wir neurotypisch entwickelten Menschen Fähigkeiten erlernen, ist bei Benjamin einfach anders ausgeprägt. Seine Verstärker sind andere.“

Können Sie das an einem Beispiel ausführen?
Christina Klarič: „Man muss ihn motivieren, mit ihm spielen, ihn kitzeln und ihm die volle Aufmerksamkeit schenken. Dann gibt man ihm einen Auftrag, etwa seinen Pyjama anzuziehen. Wenn er es macht, wird dieses Verhalten verstärkt. Er wird belohnt, viel gelobt und man spielt weiter mit ihm. Auch Süßigkeiten werden eingesetzt. Das selbstständige Anziehen des Pyjamas war in diesem Beispiel das übergeordnete Ziel. Das wurde in viele Einzelschritte unterteilt. Der erste Schritt war es, nur die Hose von den Knien selbständig hochziehen. Dann sollte er selbstständig die Arme durch den Pyjama ziehen usw. Heute kann er sich den Pyjama aus der Box holen, sich alleine ausziehen, den Pyjama selbstständig anziehen und die Kleidung anschließend wegräumen. So ein Prozess dauert lange und ist oft mit Verweigerungen und Aggressionen verbunden.“

Christina hat uns Hinweise zum Umgang mit autistischen Kindern wie Benjamin gegeben. Dies sind die wichtigsten Punkte:

  • Spielen Sie Spiele mit dem Kind, die es gerne mag.
  • Lassen Sie es sich mit Gegenständen beschäftigen, die es fasziniert: Computerspiele, Musik hören, drehende Waschmaschinen, Verkehrsschilder usw.
  • Loben Sie das Kind, wenn es Anforderungen korrekt umsetzt. Verstärken Sie positiv. Auch eine Belohnung ist in Ordnung.
  • Geben Sie klare Aufgaben und achten Sie auf die korrekte Ausführung durch das Kind.
  • Unterstützen Sie das Kind soweit, dass es neue Dinge fehlerfrei lernt.
  • Geben Sie einen Plan bzw. eine Struktur für das Lernen vor.
  • Seien Sie offen, interessiert und bereit, sich auf die Interessen des Kindes einzulassen.
  • Reagieren Sie ruhig, sollte das Kind nicht die gewünschte Anforderung umsetzen. Starke Reaktionen, Gesten, Handlungen oder Gesichtsausdrücke können unerwünschtes Verhalten noch verstärken.
  • Verbinden Sie neue Lerninhalte mit Dingen, die das Kind mag. So steigern Sie sein Interesse.
  • Räumen Sie dem Kind Pausen ein und lassen Sie das Kind dann in Ruhe in die eigene Welt abtauchen.
  • Motivieren Sie das Kind ständig, wenn es etwas Neues lernen soll.



Also lernt Benjamin wie ein normales Kind, er muss nur anders motiviert werden?
Christina Klarič: „Es gibt schon Unterschiede. Er kann z. B. noch nicht mit anderen Kindern spielerisch lernen. Wir üben das zu Hause und spielen Gesellschaftsspiele. Er spielt mit, aber er will nicht gewinnen. Das motiviert ihn nicht. Benjamin versteht auch nicht, warum er erst den Mitspieler oder die Mitspielerin spielen lassen muss, ehe er wieder spielen darf.

Es ist sehr wichtig, dass man seine kognitiven Fähigkeiten trainiert. Damit kann er das praktische und soziale Leben meistern. Er muss wissen, wo er anfangen muss, was er dafür braucht und wie er von dort weitermachen kann.“

Gibt es Ziele in seiner Entwicklung, an denen Sie gemeinsam arbeiten?
Christina Klarič: „Ja, man muss sich für alles einen Plan machen. Große Lernziele müssen in kleine zerlegt werden und dann müssen wir üben, üben, üben. Wir praktizieren das fehlerfreie Lernen. Das heißt, dass wir Benjamin so viel helfen, dass es richtig ist. Er lernt sich ein Wurstbrot zu machen. Man bestreicht das Brot mit Butter und legt mit ihm gemeinsam die Wurst auf das Brot, indem man seine Hand führt. Benjamin bekommt Lob. Fehlerfreies Lernen ist sehr wichtig, da Benjamins Frustrationsgrenze sehr niedrig ist. Der nächste Schritt wäre, die Wurst alleine auf das Brot zu legen. Dabei wird die gewünschte Verhaltensweise unter anfänglicher, kleinschrittiger Hilfestellung beigebracht. Das sind Methoden der Angewandten Verhaltensanalyse (ABA/VB), die wir anwenden. Diese Theorie hilft uns sehr, unseren Sohn zu unterstützen.“

Was würden Sie sich als Mutter eines autistischen Kindes von der Umgebung wünschen?
Christina Klarič: „Von den Schulen würde ich mir wünschen, dass sie ein bisschen offener für diese Therapieform sind. Benjamins Therapeutin hat seine alte Schule besucht und sich dort mit den Pädagoginnen und Pädagogen unterhalten. Die seien total dagegen, wie wir mit ihm lernen. Das war mir nicht klar, als wir mit ihm an die Schule gegangen sind. Ich würde mir wünschen, dass es Schulen gibt, die so unterrichten. Außerdem wünsche ich mir eine bessere Sichtbarkeit in der Gesellschaft. Viele Menschen wissen gar nicht, was Autismus ist.“

Gibt es Hinweise, die Sie als Mutter anderen Eltern und Interessierten mitgeben möchten?
Christina Klarič: „Es kann vorkommen, dass ein autistisches Kind wegen einer Lappalie einen Wutanfall bekommt. Dann wäre es schön, wenn man nicht voreilig die Eltern und das Kind verurteilt. Wenn Benjamin einen Wutanfall hat und sich völlig daneben benimmt, leidet man schon genug. Böse Bemerkungen können ganz schön verletzend sein!“

Titelbild: © Sergey Maksienko/shutterstock.com

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