Außergewöhnliche Berufe: Interview mit einem Gerichtszeichner

Wenn die Fotografen und die Kamerateams vor einem Prozess den Gerichtssaal verlassen müssen, darf Martin Burkhardt bleiben. Vielleicht habt ihr schon einmal vom Harry-Wörz-Prozess oder vom Kachelmann-Prozess gehört. Martin Burkhardt war vor Ort und hat die Angeklagten, die Zeugen, die Richter und alle, die sich während der Prozesse im Gerichtssaal versammelten, gezeichnet. Denn Martin Burkhardt ist Gerichtszeichner. Wir haben mit ihm über seinen spannenden und außergewöhnlichen Beruf gesprochen.

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Können Sie kurz erklären, was ein Gerichtszeichner ist und was er macht?

Martin Burkhardt: „Da es während eines Prozesses verboten ist, im Gerichtssaal zu filmen oder zu fotografieren, beauftragen Journalisten Zeichner die Bilder von dem Prozess anfertigen. Diese Bilder werden dann später im Fernsehen oder in der Zeitung gezeigt.

Film- und Fotoaufnahmen sind aus den Persönlichkeitsrechten nicht erlaubt, eine Zeichnung hingegen ist nur eine Skizze und vergleichbar mit einer Mitschrift eines Reporters.“

Wie sind Sie Gerichtszeichner geworden?

Martin Burkhardt: „Ich habe Kommunikationsdesign in Mannheim studiert und 2007 auch abgeschlossen. Während meines Studiums suchte ein regionaler Fernsehsender an unserer Hochschule jemanden, der für sie im Gericht Zeichnungen anfertigt. Dort habe ich mich dann gemeldet und ihnen ein paar Beispielarbeiten vorgelegt.

Als sie dann bei meinem ersten Prozess mit den Zeichnungen zufrieden waren, wurde ich immer wieder von dem Fernsehsender gebucht und weiterempfohlen.

Bis ich dann bei größeren Prozessen dabei war, z. B. beim Kachelmann-Prozess, und ich habe Zeichnungen vom Harry-Wörz-Prozess für die ZDF-Dokumentation angefertigt.“

Sie sind also nur zufällig Gerichtszeichner geworden. Was war denn ursprünglich Ihr Traumberuf?

Martin Burkhardt: „Ich wollte immer Illustrator werden und bin es dann auch geworden.

Das Gerichtszeichnen ist nur ein Teil meiner Illustrationstätigkeit, da Gerichtszeichner meistens nur bei besonderen Prozessen benötigt werden, ist es kein Job, den man hauptberuflich ausführen kann.“

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Der Kachelmannprozess © Martin Burkhardt

Was unterscheidet das Gerichtszeichnen vom Illustrieren?

Martin Burkhardt: „Man muss sich von Anfang an Zeit nehmen, die Situation im Gerichtssaal genau zu beobachten und herauszufinden, was für den Prozess das Typische ist und dieses Typische dann gut erkennbar nachzeichnen.

Vor allem bei Fällen, in denen prominente Personen involviert sind, die jeder kennt, muss ich so zeichnen, dass eine Wiedererkennbarkeit gegeben ist. Das ist auch das Schwierigsten am Beruf des Gerichtszeichners.“

Bekommen die Personen, die Sie während einer Verhandlung zeichnen, die Zeichnungen vor der Veröffentlichung zu sehen?

Martin Burkhardt: „Es ist in keiner Form vorgeschrieben, dass die auf den Zeichnungen zu sehenden Personen die Bilder vor der Veröffentlichung sehen müssen.

Manche Zeugen oder Angeklagte gucken aber manchmal in einer Verhandlungspause meine Zeichnungen an. Aber andere wiederum interessiert es nicht, dass sie während des Prozesses gezeichnet werden.“

Gab es schon Personen, die nicht damit zufrieden waren, wie Sie sie gezeichnet haben?

Martin Burkhardt: „Ja, das kann auch vorkommen. Bei einem Fall hat mich ein Angeklagter angesprochen, dass er in echt aber nicht so rote Backen hätte und eigentlich auch schlanker sei.

Da der auftraggebende Redakteur aber mit der Zeichnung zufrieden war, habe ich mich davon nicht verunsichern lassen.

Letztendlich ist die Zeichnung kein objektives Foto, sondern ein subjektives Bild und meine Interpretation des Gesehenden.“

Woher wissen Sie, welche Situation malenswert ist?

Martin Burkhardt: „Ich werde von meinen Auftraggebern darin gebrieft, worauf es in dem Bild des jeweiligen Prozesses ankommt, z. B. welche Personen wichtig sind. Manchmal möchten die Journalisten auch eine Totale, das heißt, ich zeichne während eines Prozesses nur ein Bild, welches dann sehr detailliert den gesamten Gerichtssaal zeigt. Andere möchten lieber Einzelpersonen auf den Bildern haben und dann zeichne ich während eines Prozesses mehrere Bilder, die dann aber nicht so detailliert ausfallen.“

Mit welchen Farben oder Stiften zeichnen Sie?

Martin Burkhardt: „Ich zeichnen mit dem Bleistift vor und coloriere mit Aquarell. Und die Konturen und Details werden mit einem Fineliner nachgezogen.“

Und das machen Sie alles während eines Prozesses?

Martin Burkhardt: „Ja, bei manchen Prozessen habe ich einen halben Tag Zeit die Zeichnungen anzufertigen, bei anderen wiederum nur ein paar Minuten.

Bei dem Kachelmann-Prozess beispielweise wurde die Öffentlichkeit, das heißt, die Zuschauer, die Journalisten und auch ich als Gerichtszeichner, nach ein paar Minuten ausgeschlossen. In so einem Fall kann ich nur eine Skizze anfertigen und muss mir den Gerichtssaal und die Menschen ganz genau einprägen, um die Zeichnung später aus dem Kopf vervollständigen zu können.“

Was ist das Schönste an Ihrem Beruf?

Martin Burkhardt: „Ich freue mich natürlich, wenn meine Arbeiten im Fernsehen und in der Zeitung veröffentlicht werden und sie einem breiten Publikum zur Verfügung stehen.“

Was würden Sie jemandem raten, der unbedingt Gerichtszeichner werden möchte?

Martin Burkhardt: „Es ist letztendlich ganz einfach. Man geht zu einem öffentlichen Prozess und fängt an zu zeichnen, in dem Sinne ist man schon Gerichtszeichner. Die Schwierigkeit besteht eigentlich darin, Auftraggeber zu bekommen, damit die Zeichnungen dann auch bezahlt werden. Und dafür ist es wichtig, Kontakte zu Journalisten zu knüpfen.“

Wie oft bekommen Sie einen Auftrag?

Martin Burkhardt: „Das ist ganz unterschiedlich. Ich würde sagen, es sind im Jahr zwischen 5 bis 15 Aufträge. In diesem Jahr habe ich für eine Dokumentation in der ARD gezeichnet. Dafür war ich fast einen ganzen Monat im Gerichtssaal in Leipzig. Es sind aber nicht so viele Aufträge, wie man sich das vorstellt. Gezeichnet wird oftmals nur in besonderen Prozessen.“

Titelbild: ©Elisa Sept & ©iStock.com/AnatolyTiplyashin

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