Berufe: Wie wird man … Hebamme?

Seit sechs Jahren begleitet Jule Tilgner als Hebamme Frauen vor, während und nach der Geburt. Im Interview verrät sie, warum sie als Hebamme viele Strapazen auf sich nehmen muss – aber auch dafür belohnt wird.

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Liebe Frau Tilgner, was sind die ersten Begriffe, die Ihnen zu Ihrem Beruf einfallen?

Jule Tilgner: „Mutter und Kind, Empathie, beschützen.“

Wann und warum haben Sie sich für den Beruf der Hebamme entschieden?

Jule Tilgner: „Kurz bevor ich mein Abitur machte, war mir klar, dass ich in meinem Beruf Menschen begleiten, unterstützen und beraten wollte. Der medizinische Bereich reizte mich schon immer sehr. Auf den Beruf der Hebamme wurde ich durch eine Bekannte, die Hebamme ist, aufmerksam. Als ich mich intensiv mit dem Beruf befasste, wurde mir schnell klar, dass ich das, was ich mir vorstellte, in diesem Beruf wiederfand.“

Welche Ausbildungsmöglichkeiten gibt es in Deutschland?

Jule Tilgner: „Man braucht einen Realschulabschluss. Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Man kann eine dreijährige Ausbildung an einer Hebammenschule machen, die es in vielen größeren Städten gibt. Dabei durchläuft man im Krankhaus verschiedene Stationen, z. B. Kreißsaal, Wochenbettstation, Neugeborenenstation. Seit einigen Jahren ist es außerdem möglich, das Hebammenwesen an einer Hochschule zu studieren. An der Universität Osnabrück z. B. gibt es den Studiengang Midwifery, den man mit einem Bachelor of Science abschließt.“

Wie sieht der Berufsalltag einer Hebamme aus?

Jule Tilgner: „Hebammen sind Fachfrauen für Schwangerschaft, Geburt und das erste Lebensjahr. Sie werden entweder im Krankenhaus angestellt: Dann unterstützen sie Frauen während der Geburt im Kreißsaal oder betreuen Mutter und Kind auf der Neugeborenenstation oder auf der Wochenbettstation nach der Geburt. Eine andere Möglichkeit ist, selbstständig zu arbeite. Als selbstständige Hebamme kann man Schwangerenvorsorge anbieten, Kurse leiten, außerklinische Geburtshilfe oder Wochenbettbetreuungen anbieten.“

Mit dem Beruf hat man viel Verantwortung. Welche Eigenschaften sollte man mitbringen?

Jule Tilgner: „Empathie und Einfühlungsvermögen sind für den Beruf sehr wichtig. Außerdem sollte man ordentlich sein sowie gewissenhaft, pflicht- und verantwortungsbewusst arbeiten. Hinzu kommt, dass man unbedingt belastbar sein muss. Besonders im Krankhaus ist man als Hebamme einer hohen Belastung ausgesetzt.“

Was mögen Sie am liebsten an Ihrem Beruf?

Jule Tilgner: „Mir macht es sehr viel Freude, Frauen während der Schwangerschaft zu begleiten und sie dabei immer besser kennenzulernen. Im Idealfall erlebt man die Geburt und das erste Lebensjahr des Kindes zusammen. Als Hebamme bin ich sehr nah bei den Familien und berate sie in wichtigen Themen.“

Was stört Sie manchmal?

Jule Tilgner: „Ganz schwierig ist die berufspolitische Situation: Die freiberuflichen Hebammen sind zurzeit einer großen Versicherungsproblematik ausgesetzt. Die Berufshaftpflichtversicherung für Hebammen ist extrem teuer und für viele kaum zu bezahlen. Die angestellten Hebammen im Krankenhaus sind einem sehr hohen Arbeitspensum und hoher Belastung ausgeliefert. Es gibt zu wenig Personal für zu viel Arbeit. Einige Kolleginnen sagen, dass hier ein großer Knall kommen muss, damit sich diese Situation wieder entspannt.“

Was würden Sie Schülerinnen bzw. Schülern mit auf den Weg geben, die mit dem Gedanken spielen, Hebamme bzw. Entbindungshelfer zu werden?

Jule Tilgner: „Es ist schwierig einen Ausbildungsplatz zu bekommen, da es deutlich mehr Bewerberinnen und Bewerber gibt als Ausbildungsplätze. Das bedeutet, dass man schon vor der Bewerbung für die Ausbildung unbedingt praktische Erfahrungen sammeln muss, z. B. während eines Praktikums im Kreißsaal eines Krankenhauses oder bei einer freiberuflichen Hebamme. Da die berufspolitische Situation in Deutschland zurzeit sehr angespannt ist, kann ich jungen Menschen nicht guten Gewissens raten, diesen Beruf zu ergreifen. Aber wenn es einer tiefer Berufswunsch ist, nimmt man die Strapazen der relativ harten Ausbildung und des Berufsalltags in Kauf. Und das lohnt sich.“

Wie werden diese Strapazen belohnt?

Jule Tilgner: „Was mich nachhaltig als Frau, Hebamme und Mutter prägt, sind die Frauen, die ich bei der Geburt begleite und die aus eigener Kraft ihre Kinder geboren haben.
Eine Frau, die aus ihrer Kraft ein Kind geboren hat, besitzt ein unbeschreibliches Strahlen: Sie strahlt wie eine Königin oder wie jemand aus einer anderen Welt. Ich bin sehr dankbar, dass ich dieses Strahlen bei viele Frauen erleben durfte.“

Hebamme Jule Tilgner

Jule Tilgner ist seit sechs Jahren Hebamme. Sie war u. a. in einer Uniklinik und in einer Hebammenpraxis tätig. Bevor sie selbst Mutter wurde, ist sie als Fahrradhebamme durch die Stadt gefahren und hat Familie zu Hause betreut. Auf ihrem Blog Hebammezauberschön schreibt sie über den Start ins Leben und über das Leben selber.

Das Hebammenwesen wurde am 9. Dezember 2016 ins Deutsche Verzeichnis für Immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Das beschlossen die Kultusministerkonferenz, die Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und die Deutschen UNESCO-Kommission. Dem Verzeichnis werden jährlich neue ausgewählte Träger Immateriellen Kulturerbes hinzugefügt. Diese zeichnen sich durch Tradition, Wissensformen und Können aus. Gleichzeitig spielen Kreativität und Erfindergeist sowie Identität und Kontinuität eine Rollen. Das Wissen wird von Generation zu Generation weitergetragen und neu gestaltet.

Titelbild: © chuanpis/shutterstock.com

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