Jeder hat ein Recht auf Feierabend – Kind und Eltern
Wann ist Freizeit wirklich Freizeit und wann werden die Hobbys zu Stress – für Eltern und Kind? Warum Mama Henrike manchmal Langeweile der Frühförderung vorzieht.
Wie viele Hobbys sind zu viel?
Sich mit meiner Freundin Anne zu verabreden, ist schwierig. Wir arbeiten beide. Und dazu sind Annes Nachmittage proppevoll: Montags bringt sie ihre Tochter Julia zum Yoga, mittwochs zur musikalischen Früherziehung und freitags zum Handball. Neulich erzählte sie mir, Julia würde gern noch reiten, sie wüsste aber nicht genau, weil Julia doch im Herbst eingeschult würde. Ich zuckte mit den Schultern und brummte nur: „Hm.“ Ich bin bei derlei Fragen eine ganz schlechte Gesprächspartnerin.
Da kann ich nicht mitreden
Mit meiner Freundin Kathrin kann ich mich niemals am Wochenende verabreden. Ihr Sohn spielt Eishockey und ist samstags und sonntags irgendwo auf Turnieren. Mitsamt seinen Eltern!
Und trotzdem fragen sich meine Freundinnen, ob sie ihre Kinder genug fördern würden. Vielleicht noch eine Fremdsprache? Man habe ja gehört, Vorschulkinder lernten so schnell und spielerisch. Ich kann da nicht mitreden.
Wurden Fußballprofis auch frühgefördert?
Wenn ich mit meinem Fünfjährigen nach Hause komme, sind wir beide erschöpft von unserem Tag. Er spielt noch ein wenig Fußball oder übt auf dem Trampolin Kunststücke. Natürlich könnte ich auf die Idee kommen, meinen Kleinen beim Fußballverein anzumelden, schließlich macht er eine gute Figur am Ball. Ob er der neue Maradonna oder Toni Kroos wird? Keine Ahnung. Ich frage mich, ob die beiden deshalb so gut sind, weil ihre Eltern sie früh gefördert haben. Ich könnte denken: Moment mal, der Fünfjährige kann schon eine Rolle rückwärts und übt sich am Salto, möglicherweise ist er ein Turntalent. Ab mit ihm in den Turnverein! Die ehrliche Antwort ist: Ich will das nicht! Und zwar aus ganz egoistischen Gründen.
Ich bin ein Freund meiner eigenen Freizeit
Es ist nicht so, dass ich für meine Kinder nicht auch die allerbeste Förderung möchte. Ich glaube auch nicht, dass ihre Möglichkeiten und Talente weit hinter denen Gleichaltriger liegen, wirklich nicht. Aber ich bin ein großer Freund von Freizeit. Und zwar auch von meiner eigenen! Ich hätte einen Riesenfrust, müsste ich jeden Sonntag in aller Herrgottsfrühe aufstehen und zu einem Fußballturnier oder Eishockeyspiel fahren. Ich habe keine Lust, zweimal in der Woche nach einem langen Arbeitstag meinen Sohn zum Geigespielen oder Russischlernen zu motivieren. Ich will das einfach nicht.
Projekt „Schwimmen und Fahrradfahren“
Es ist ja nicht so, dass ich meinem Kind rein gar nichts beibringe. Ich nehme mir immer mal wieder ein Projekt vor. So hat der Kleine im vergangenen Winter einen Schwimmkurs besucht. Nützlich, wie ich finde. Und nein, er wird vermutlich kein zweiter Michael Phelps werden. Ziel war es, dem Kind Schwimmen beizubringen, weil es in meinen Augen lebensnotwendig ist. Jetzt im Frühjahr hat er Fahrradfahren gelernt. Auch wichtig, weil wir als Familie gern Radausflüge unternehmen.
Für den kommenden Winter habe ich ihn für ein Instrumentenkarussell angemeldet. Hier können die Kinder viele verschiedene Instrumente kennenlernen und ausprobieren. Wir werden sehen, wie das läuft.
Man braucht auch Zeit fürs Rumsitzen
Ansonsten sitzen wir bei schönem Wetter schweigend im Garten und beobachten Kellerasseln und anderes Getier. Das mag mein Sohn sehr. Manchmal unterhalten wir uns auch dabei. Wir basteln zusammen oder jeder für sich. Wir genießen einfach die Zeit, die wir nach Kindergarten und Büro für uns haben. Ich finde, die Hobbys der Kinder müssen auch ein Stück zum Familienalltag passen. Zumindest solange, bis sie sich und ihre Freizeitgestaltung selbst organisieren.
Ich weiß schon, Kinder sind wissbegierig und haben unglaublich viel Energie. Und vermutlich würde jeder meiner Söhne mit Freude an mehreren Freizeitaktivitäten wöchentlich teilzunehmen. Aber ihre Mutter nicht.
Bleiben deshalb ihre verborgenen Talente und Neigungen auf der Strecke? Ich persönlich glaube das nicht.
Kinder und Eltern müssen sich mal langweilen
Langeweile ist wichtig, habe ich gelesen. Weil es die Fantasie der Kinder anregt. Aber was ist mit uns Erwachsenen? Meine Fantasie will auch angeregt werden. Und vor allem brauche ich Regeneration nach einem Arbeitstag. Ich finde, ich habe auch ein Recht auf Langeweile und Erholungspausen.
Deswegen verabschiede ich mich jetzt auch. Ich bin nämlich mit meinem Sohn im Garten verabredet: Wir bauen heute eine Ritterburg für die Kellerasseln.
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Titelbild: © ESB Professional/shutterstock.com
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