Berufe: Wie wird man … Drehbuchautor?
Am Anfang einer jeden Filmproduktion steht ein langer Schreibprozess. Drehbuchautorin Ulrike Maria Hund erzählt, warum zu einem Film gleich mehrere Drehbuchfassungen existieren und warum ihre Arbeit oft in den Hintergrund rückt.
Frau Hund, Sie haben Slawistik und Sozialpädagogik studiert. Beide Studiengänge haben erst einmal nichts mit dem Drehbuchschreiben zu tun. Wie sind Sie denn Drehbuchautorin geworden?
Ulrike Maria Hund: „Geschrieben habe ich eigentlich immer schon ‒ hauptsächlich journalistische Texte aber auch kleine Erzählungen. Eigentlich wollte ich immer Romane schreiben, habe aber für mein erstes Romanmanuskript keinen Verlag gefunden. Und da mir damals oft gesagt wurde, dass ich sehr filmisch schreibe, habe ich es einfach mal mit einem Drehbuch probiert.
Mit meinem ersten Drehbuchprojekt habe ich mich dann für ein begleitendes Tutoriat an der Internationalen Filmschule Köln beworben und auch bekommen. Mich hat ein WDR-Redakteur bei dem Schreibprozess begleitet und ich konnte viele Workshops an der Filmschule besuchen. So hat alles angefangen.“
Ist das der normale Weg, den Beruf zu ergreifen?
Ulrike Maria Hund: „Damals war das der normale Weg. Mittlerweile hat sich das aber geändert: An den Filmhochschulen, z. B. an der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin, an der HFF in Potsdam oder in Köln an der Kunsthochschule für Medien, gibt es neben den Regiestudiengängen auch Studiengänge für das Drehbuchschreiben. Aber Quereinsteiger sind in diesem Bereich gar nicht so selten.“
Wie sieht der Weg von der ersten Idee bis zum fertigen Drehbuch aus?
Ulrike Maria Hund: „Man schreibt zu allererst ein Exposé ‒ entweder einer eigenen Idee oder im Auftrag. Mit diesem versucht man dann einen Vertrag oder eine Filmförderung zu bekommen, z. B. über öffentliche Filmfördergelder oder direkt von der Filmproduktion. Als nächstes wird ein Treatment geschrieben, in dem im Gegensatz zum Exposé schon alle zentralen Handlungabläufe und Charaktereigenschaften der Figuren beschrieben sind. Dann folgt die erste Drehbuchfassung, in der nun auch die Dialoge enthalten sind.
Von der ersten Drehbuchfassung bis zum fertigen Drehbuch kann es noch sehr lange dauern. Wie lange genau, ist ganz unterschiedlich, denn während des Schreibprozesses kommen immer mehr Leute dazu, die dann auch Ideen einbringen, z. B. der Produzent, die Regie und eine oder mehrere Redaktionen. Für einen kleinen Kinofilm und auch für einen Fernsehfilm schreibt man manchmal sieben bis zehn Drehbuchfassungen.“Erkennen Sie dann Ihr erstes Drehbuch oder auch die erste Idee überhaupt noch wieder?
Ulrike Maria Hund: „Es stimmt leider wirklich, dass man manchmal seine erste Idee aus den Augen verliert, wenn so viele Menschen mitreden. Aber man braucht natürlich immer wieder frische Augen von außen, weil man selbst im Schreibprozess keinen Abstand und keinen objektiven Blick mehr hat.“
Sind Sie als Drehbuchautorin, sobald das Drehbuch fertig ist, bei der Filmproduktion noch dabei?
Ulrike Maria Hund: „Nein, sobald die Dreharbeiten anfangen, ist der Autor normalerweise nicht mehr dabei. Es sei denn, es muss noch etwas am Drehbuch geändert werden. Man wird dann aber zum Bergfest, also nach der Hälfte der Dreharbeiten, und natürlich zur Abschlussfeier eingeladen.“
Sie haben also keinen Einfluss darauf, wie Ihr Drehbuch umgesetzt wird?
Ulrike Maria Hund: „Doch, man kann z. B. bei der Besetzung der Rollen mitreden. Aber wie viel Einfluss man als Autor hat, ist von der Filmproduktionsfirma und von der Regie abhängig.“
Man kann bei Filmpremieren und Filmpreisen das Gefühl bekommen, dass die Arbeit der Drehbuchautorinnen und -autoren in den Hintergrund rückt, da sie kaum Erwähnung findet. Empfinden Autorinnen und Autoren das auch so?
Ulrike Maria Hund: „Ja, ein Filmprojekt verselbstständigt sich immer ein bisschen. Und nachher denkt jeder, der mitgewirkt hat, es wäre sein Film: Der Kameramann sagt, dass es sein Film sei. Der Schauspieler präsentiert seinen Film und der Regisseur natürlich sowieso. Dass es aber irgendwann mal eine Idee gab, die mühevoll entwickelt und gestaltet wurde, gerät dann in den Hintergrund, da der Schreibprozess schon lange vor den Dreharbeiten stattgefunden hat.“
Was lieben Sie trotz alledem an Ihrem Beruf?
Ulrike Maria Hund: „Dass ich eine eigene Welt erschaffen darf. Ich habe früher als Sozialpädagogin gearbeitet und da ist man ständig mit Konflikten der Außenwelt konfrontiert und kann diese Konflikte nicht selber lösen. Aber als Autorin kann ich die Konflikte in der erschaffenen Welt ganz alleine lösen.“
Und was stört Sie manchmal?
Ulrike Maria Hund: „Es kann sehr anstrengend sein, dass einem so viele Leute in die Arbeit reden und dadurch auch vieles nie richtig fertig wird. Außerdem habe ich in den letzten Jahren das Gefühl, dass sich ein Schubladendenken in der Filmszene etabliert hat. Wenn eine Idee oder ein Thema nicht in eine bestimmte Schublade passt, kann man sehr viel Lob bekommen und sehr viele Preise, aber am Schluss scheitert dieses Filmprojekt dann doch. Eben weil es in kein Schema passt. Das ist frustrierend und aus diesem Grund braucht man wirklich sehr viel Ausdauer und Beharrlichkeit.“
Was braucht man noch für Eigenschaften und Fähigkeiten außer Ausdauer und Beharrlichkeit?
Ulrike Maria Hund: „Selbstbewusstsein und ein gutes Gefühl für Themen, die in der Luft liegen. Und eine Kombination aus der Fähigkeit, sein eigenes Ding zu machen und als Teil eines Teams zu arbeiten.”
Was würden Sie Schülerinnen und Schülern mit auf den Weg geben, die mit der Idee spielen, Drehbuchautorin oder Drehbuchautor zu werden?
Ulrike Maria Hund: „Ich glaube, es ist sehr wichtig, sich erst einmal einen Filmdreh anzuschauen, z. B. während eines Praktikums, um ein Gefühl für die Filmarbeit zu bekommen und dafür, was einen Film ausmacht. Und egal in welchem Bereich man schreiben möchte, man sollte immer viel schreiben und sich nicht nur mit sich selbst beschäftigen, sondern sich für die Welt interessieren. Das ist das Allerwichtigste beim Schreiben.”
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Titelbild: © Resul Muslu/shutterstock.com
Weiteres Bild: © Ulrike Maria Hund
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