Flüchtlingshelferin: „Sie kamen uns entgegen und fragten: ‚Jetzt spielen?‘“
Juliane ist 14 Jahre alt und geht in die zehnte Klasse in Stuttgart. Im letzten halben Jahr hat sie jede Woche mit Flüchtlingskindern gespielt. Im Interview erzählt sie von ihren Eindrücken.
Wie bist du dazu gekommen, dich für Flüchtlinge zu engagieren?
Juliane: „Ich habe über meine Mutter die youngcaritas kennengelernt. Wir haben anschließend ein Freiwilliges Soziales Schuljahr (FSSJ) organisiert und ich konnte einmal in der Woche zum Flüchtlingsheim fahren, um dort den Flüchtlingskindern zu helfen. Das habe ich mit drei Freundinnen ein halbes Jahr lang gemacht.“
Was habt ihr im Programm genau gemacht?
Juliane: „Wir waren montags für zwei Stunden am Nachmittag im Flüchtlingsheim. Wir nannten ihn den ,Spiele-Montag‘. Zu Anfang waren wir mit den Kindern viel draußen, damit sie sich austoben konnten. Ursprünglich wollten wir jedes Mal ein anderes Spiel spielen, aber sie mochten ‚Faules Ei‘ am liebsten. Das haben wir dann immer in der ersten halben Stunde gespielt. Danach sind wir reingegangen und haben gebastelt. Wir hatten einen Raum und gute Materialien zur Verfügung: Wachsmalstifte, Farbkästen und buntes Papier. Es wurden auch mal Armbänder mit Perlen gemacht oder aus Wolle geflochten.
Wie alt waren die Kinder und wie viele haben bei der Spielegruppe mitgemacht?
Juliane: „Am Anfang haben wir einfach alle Kinder eingeladen. Das waren so etwa vierzig, die von zwei bis 14 Jahre alt waren. Wir haben gemerkt, dass die Älteren uns nicht so ernst nehmen konnten und man für die kleinen Kinder mindestens eine Person brauchten, die sich komplett um ein Kind kümmert. Also haben wir uns auf die Fünf- bis Elfjährigen konzentriert. Es waren immer so zwischen sieben und 20 Kindern dabei.“
Gibt es eine Geschichte, die dir besonders in Erinnerung geblieben ist?
Juliane: „Es gibt zwei Situationen. Es gab im Flüchtlingsheim zwei kleine Jungs, die etwa sieben oder acht Jahre alt waren. Sie kamen uns jeden Montag auf ihren Fahrrädern entgegen und haben uns gefragt: ‚Jetzt spielen?‘ Wenn wir dann genickt haben, haben sie sich gefreut. Sie standen immer vor der Tür und haben gewartet, bis wir das Zimmer fürs Basteln vorbereitet hatten. Die zweite Erinnerung ist nicht ganz so schön. Es gab einen Jungen, der war total begabt. Wir haben ihm ein weißes Blatt Papier gegeben, damit er einen Flieger falten konnte. Er hat dann ohne Kleber oder Schere eine Rose gebastelt. Ich habe ihm gesagt, er könne sie ja seiner Mutter schenken. Er antwortete nur: ‚Keine Mama‘. Er hat es eigentlich ganz ruhig gesagt.“
Wie hast du die Arbeit wahrgenommen? Meinst du, du konntest etwas bewirken?
Juliane: „Es hat uns vor allen Dingen ganz viel gebracht. Man hat am Anfang schon etwas Angst, weil man nicht weiß, was einen erwartet. Wir hatten teilweise auch Kinder in der Gruppe, die erst seit zwei Tagen in Deutschland waren. Aber insgesamt waren die Kinder so fröhlich und glücklich, dass sie hier sein durften. Das war schön. In der gesamten Zeit kann ich mich nur an einen Jungen erinnern, dem man anmerkte, dass er wohl schon andere Dinge erlebt haben muss.
Viele Kinder dürfen nicht zur Schule, wenn sie im Flüchtlingsheim sind. Sie haben nichts zu tun und freuen sich, wenn sie einen festen Termin haben.“
Wie habt ihr mit den Kinder gesprochen? Viele konnten wahrscheinlich noch nicht so gut Deutsch.
Juliane: „Ja, mit den Älteren, die schon etwas länger dort waren, konnte man in einfachen Worten auf Deutsch sprechen. Mit den Jüngeren lief viel über Handzeichen. Aber sie lernten ziemlich schnell.“
Wie reagierte dein Umfeld auf dein Engagement?
Juliane: „Mein Umfeld reagierte durchweg positiv. Erwachsene fanden das immer super, wenn ich ihnen davon erzählte. Kinder in meinem Alter waren beeindruckt Gleichaltrige hätten das vielleicht nicht unbedingt gemacht.“
Was wolltest du mit diesem Projekt erreichen?
Juliane: „Ich wollte mit diesem Projekt erreichen, dass sie sich nicht wie Fremde fühlen. Dass sie wissen, dass sie in Deutschland willkommen sind. Dass sie bei uns Kind sein können.“
Dein FSSJ ist jetzt seit dem Ende des letzten Schuljahres beendet. Was machst du jetzt?
Juliane: „Ich will mich wahrscheinlich nicht noch einmal für ein FSSJ anmelden, da es sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Aber ich überlege, mich in einer Jungpartei zu engagieren. Da kann man sich die Zeit etwas freier einteilen. Mal schauen!“
Willst du später beruflich in diese Richtung gehen?
Juliane: „Ehrlich gesagt, bin ich noch ziemlich offen. Ich habe noch keinen genauen Plan, auch wenn jetzt die ersten Fragen in diese Richtung kommen. Ich finde es aber auf jeden Fall spannend. Vielleicht mache ich nach dem Abi ein FSJ. Das weiß ich aber noch nicht genau. Ich möchte gerne etwas in einer Organisation machen- einfach mit den Menschen in Kontakt kommen.“
Was würdest du anderen Kindern raten, die helfen wollen?
Juliane: „Wenn man gerne helfen möchte, kann man ganz einfache Dinge tun. Am besten ist es, zu einer Organisation wie Caritas bzw. youngcaritas zu gehen und sich zu informieren. Und dann einfach beginnen!“
Welche Art der Hilfe findest du am sinnvollsten?
Juliane: „Geld zu spenden bringt natürlich sehr viel. Aber wenn man selbst hingeht und vor Ort ist, bringt es einem selbst etwas. Man weiß nicht nur, dass man etwas Gutes getan hat, sondern sieht es auch.“
Was wünschst du dir für die Flüchtlingskinder in Deutschland?
Juliane: „Ich wünsche mir, dass die Kinder hier bleiben können. In einem Fall gab es ein Mädchen, die bereits seit anderthalb Jahren in Deutschland lebte. Sie ging in die Schule und hatte deutsche Freunde. Sie war hier wirklich glücklich und gut integriert. Und auf einmal war sie am nächsten Montag nicht mehr da. Das fand ich krass.
Ich wünsche mir, dass alle Kinderhier in Deutschland eine schöne Kindheit haben können. Wenn sich die Situation in ihrem Land dann verbessert, dass sie auch dorthin zurückkehren können. Dass sie einfach ein glückliches Leben haben können! Egal wo, egal mit wem!“
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Juliane ist 14 Jahre alt. Sie kommt in die 10. Klasse einer Mädchenschule in Stuttgart. In ihrer Freizeit spielt sie gern Klavier und trifft Freunde in der Stadt.
Titelbild: ©Procyk Radek/shutterstock.com
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ich freue mich das. dass ist sehr gut
Arme Kinder ,die mit ihren Müttern und Familien aus der Heimat fliehen müssen um überleben zukönnen .
Der Krieg in Iran und Irak ist am schlimmsten für das gewöhnliche Volk.
Es sollte unbedingt von seiten der Politiker was getan werden um diesen sobald wie möglich zu beenden,damit die Menschen eine Zukunft sehen und nicht um Asyl in anderen Ländern bitten müssen.
Arme Kinder ,die mit ihren Müttern und Familien aus der Heimat fliehen müssen um überleben zukönnen .
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Es sollte unbedingt von seiten der Politiker was getan werden um diesen sobald wie möglich zu beenden,damit die Menschen eine Zukunft sehen und nicht um Asyl in anderen Ländern bitten müssen !!!!