Patchworkfamilie – zwischen Herausforderung und Glücksfall
Jede zehnte Familie lebt in Deutschland als Patchworkfamilie. Damit das Zusammenleben klappt, gibt es Einiges zu beachten. Aber es birgt auch Chancen, die sich für alle ergeben.
Patchworkfamilien in Deutschland
Patchwork; ein aus unterschiedlichen Einzelteilen zusammengesetztes wertvolles Stück, das in mühsamer Handarbeit entsteht, beschreibt auch das Zusammenkommen verschiedener Individuen zu einem großen Ganzen. Eine Patchworkfamilie entsteht zumeist, nachdem sich ein Elternteil zuvor vom Partner bzw. von der Partnerin trennte oder als Alleinerziehende/r eine neue Partnerschaft eingeht. Die eigenen Kinder plus eventuelle Kinder des neuen Partners bzw. der neuen Partnerin und gemeinsame Kinder können dabei die Patchworkfamilie vervollständigen.
In verschiedenen Konstellationen tritt dann entweder ein sozialer Elternteil zum biologischen hinzu oder tritt an dessen Stelle, sollte der biologische Elternteil verstorben sein. Dabei ist es egal, ob die Eltern als verheiratetes Paar, nichtehelich, in einem Haushalt oder räumlich getrennt oder jeweils als Alleinerziehende leben.
Nach Angaben des Bundesfamilienministeriums lebten 2013 zwischen zehn Prozent (alte Bundesländer) und zwölf Prozent (neue Bundesländer) der Familien als Patchworkfamilie zusammen. In einer Patchworkfamilie leben in der Regel ein bis drei Kinder. Bei knapp der Hälfte aller Patchworkfamilien sind es sogar mehr als drei Kinder.
Für die Kinder des Haushalts zählen nach Angaben des Bundesfamilienministeriums in der Regel all jene zur Familie, die dauerhaft im Haushalt leben oder biologisch verwandt sind. Außerhalb lebende Personen, besonders Erwachsene, werden in ihrer Wahrnehmung vom Familienbegriff zumeist ausgeklammert.
Herausforderungen: Zuständigkeiten und Absprachen klären
Unabhängig von Definitionen und Statistiken muss individuell entschieden werden, wie das Zusammenleben in einer Patchworkfamilie gestaltet werden soll. Dabei gilt es rechtliche, finanzielle und auch emotionale Aspekte miteinzubeziehen.
Zu den Rechten und Pflichten aller betroffenen Erwachsenen gehört es, sich um die Verantwortungs- und Aufgabenverteilung innerhalb der Patchworkfamilie zu kümmern. Dafür gibt es einige gesetzliche Regelungen.
Rechte als nicht-biologischer Elternteil in einer Patchworkfamilie
Bei einer Ehe mit einem nicht-biologischen Elternteil, kann diese/r das „kleine Sorgerecht“ für das Kind erhalten. Das „kleine Sorgerecht“ räumt die Befugnis zur Mitentscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens des Kindes ein. Bei „Gefahr im Verzug“ besteht die Berechtigung, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes notwendig sind. Der sorgeberechtigte Elternteil muss in diesem Fall unverzüglich unterrichtet werden.
Im Gesetzbuch wird er oder sie weiterhin als „Ehegatte“ oder „Lebenspartner des sorgeberechtigten Elternteils“ und nicht als „Vater“ oder „Mutter“ geführt, auch nach einer Adoption des Kindes. Diese Form des Sorgerechts kann nur vereinbart werden, wenn der biologische Elternteil innerhalb der Patchworkfamilie vorher das alleinige Sorgerecht hatte.
Teilen sich die biologischen Eltern das Sorgerecht, kann der soziale Elternteil mit einer Vollmacht ausgestattet werden, um alltägliche Entscheidungen treffen zu dürfen. Dies ist vor allen Dingen hilfreich, wenn die Patchworkeltern nicht erneut geheiratet haben oder nicht heiraten wollen. Nichtsdestotrotz gilt das gemeinsame Sorgerecht der biologischen Eltern auch bei einer Wiederheirat, sodass der neue Partner bzw. die neue Partnerin bei schwerwiegenden Entscheidungen weiterhin außen vor bleibt. Sollten sich die leiblichen Eltern bei einer wichtigen Entscheidung, z. B. einem Schulwechsel, nicht einigen können, können beide Seiten das Familiengericht anrufen.
Sollten es die Umstände ermöglichen und das nicht-biologische Kind bereits seit langem Teil der Patchworkfamilie sein, kann es im Falle des Todes des biologischen Elternteils sogar in der Familie verbleiben. Das entscheidet ebenfalls das Familiengericht.
In Fragen des Umgangsrechts haben die leiblichen Eltern Vorrang. Erst danach folgen nahe Verwandte, z. B. Großeltern, und anschließend Stief- oder Pflegeeltern.
Falls Sie als Patchworkfamilie Hilfe oder Beratung suchen, können Sie sich an lokale Familienzentren oder Familienberatungen wenden.
Unterhalt für Kinder in einer Patchworkfamilie
Die biologischen Eltern kommen weiterhin für den Unterhalt ihres Kindes auf, selbst wenn der neue Lebenspartner bzw. die neue Lebenspartnerin gut verdient und dies in die Familie einfließen lässt. Dieser Anspruch bleibt auch nach Wiederheirat bestehen. Eine Änderung kann nur durch die Geburt eigener Kinder bzw. Adoption erreicht werden, die eine Neubewertung der finanziellen Verhältnisse veranlassen. Gegenüber dem sozialen Elternteil hat ein Kind keinen Unterhaltsanspruch, selbst wenn die Eltern verheiratet waren.
Koordinationskünste – die „neuen“ Eltern
Da viele Eltern in Patchworkfamilien beide voll erwerbstätig sind, gilt es neben dem Beruf und der Familienfreizeit auch noch Termine, Feierlichkeiten und die Sorgerechtsregelungen zu koordinieren. Dabei stoßen viele Eltern an ihre Grenzen. Auch gerade in einer frischen Beziehung brauchen beide Elternteile die Chance, sich ohne Kinder kennenzulernen. Das erfordert viel Geduld, Offenheit und Kompromissbereitschaft von allen Seiten.
Emotionale Herausforderungen
Vor allem dem leiblichen Elternteil, bei dem das Kind überwiegend lebt, kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Es müssen Zuständigkeiten und Entscheidungen neu getroffen werden, damit das Kind weiß, an wen es sich jederzeit wenden kann. Das alles passiert nicht über Nacht. Der Prozess des Hineinwachsens in eine neue Patchworkfamilie dauert im Schnitt fünf Jahre.
Vor allem für Kinder ist das Auseinandergehen der biologischen Eltern eine schwere emotionale Belastungsprobe. Es gilt, wenn möglich, einige Veränderungen zu vermeiden, um es nicht zusätzlich schwer zu machen. Dazu gehören: eine negative Beziehung zum außerhalb lebenden Elternteil, die Veränderung des elterlichen Erziehungsstils sowie ungelöste Probleme zwischen den leiblichen Eltern.
Kinder brauchen Zeit, um sich in der neuen Lebens- und Familiensituation zurechtzufinden, wenn sich die biologischen Eltern für eine neue Beziehung entscheiden. Dabei benötigen sie viel Fürsorge und eine individuelle Förderung. Sie brauchen die Orientierung der Erwachsenen, um die Krise zu verarbeiten und sich an die neue Lebenssituation in der Patchworkfamilie anpassen zu können.
Finanzielle Herausforderungen
„Auch wenn Mütter in Patchworkfamilien mehrheitlich erwerbstätig sind, fühlen sich sie sich in Westdeutschland häufiger ökonomischen Schwierigkeiten ausgesetzt als Familien mit beiden biologischen Elternteilen. In Ostdeutschland finden sich keine derartigen Unterschiede bezüglich der Einschätzung der ökonomischen Situation. Eine Schlüsselrolle für die wirtschaftliche Situation in Familien spielt familienformunabhängig die Erwerbstätigkeit der erwachsenen Personen im Haushalt. Die beste finanzielle Absicherung bietet die Erwerbstätigkeit beider Partner. Eine mögliche Erklärung könnte daher sein, dass es einerseits in Westdeutschland mehr Patchworkfamilien gibt, in denen drei und mehr Kinder leben und andererseits eine Erwerbstätigkeit nicht oder nicht im gewünschten Umfang möglich ist. In Ostdeutschland dagegen haben die Patchworkfamilien mehrheitlich ein und zwei Kinder.“ Dieser leicht gekürzte Abschnitt aus dem Monitor des Bundesfamilienministeriums gibt Aufschluss über die Einschätzungen von Patchworkfamilien zu ihrer finanziellen Situation. Gerade wenn vereinbarte Unterhaltszahlungen für das Kind ausbleiben, wird es für Eltern, die allein erwerbstätig oder nur teilweise erwerbstätig sind, schwer, den Wünschen ihrer Kinder gerecht zu werden.
Auch eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtert es für alle Eltern ungemein, einer Arbeit nachzugehen. Neben den Zuschüssen zur Familienversorgung, wie Elterngeld oder Kindergeld, ist daher vor allen Dingen eine Betreuung der Kinder im Kindergarten oder an Ganztagsschulen sowie flexible Arbeitszeiten förderlich für die Arbeitsfähigkeit der Eltern.
Glücksfall: Die Chance für einen Neubeginn
Damit eine Patchworkfamilie gelingt, bedarf es den Mut und Willen aller, ein Teil dieser Familie zu werden. So kann auch nach einer Trennung der beiden leiblichen Eltern eine Chance entstehen, noch einmal neu zu starten. Wenn dann noch eins oder mehrere gemeinsame Kinder in die Patchworkfamilie einziehen, ist das Glück komplett.
Eltern und Kinder haben so die Chance auf mehr Offenheit, Liebe und Respekt voreinander. Sie lernen einander noch einmal neu kennen und machen durch die „erweiterte“ Familie natürlich auch ganz neue Erfahrungen. In den 1990er Jahren gab es in der Sozialforschung die „Konkurrenzhypothese“, also dass Kinder zu einer Person, die nicht ihr leiblicher Vater oder ihre leibliche Mutter ist, nur dann eine positive Beziehung aufbauen könnten, wenn es zum Nachteil des jeweiligen biologischen Elternteils sei. Mittlerweile konnte man nachweisen, dass Kinder beide Personen unabhängig voneinander kennenlernen und wertschätzen. Sie erleben eine gute Beziehung zum leiblichen (getrennt lebenden) und nicht-leiblichen Elternteil. Gemeinsame Aktivitäten, die sich an den Interessen des Kindes orientieren, sind hierfür besonders förderlich.
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Titelbild: © lassedesignen/shutterstock.com
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