Aktives Lernen statt Überforderung

Carl Wieman ist Physiker und Nobelpreisträger. Er ist überzeugt, dass jede*r Schüler*in die Begeisterung für die Naturwissenschaften entdecken kann – wenn die richtigen Lehrmethoden angewendet werden.

So klappt's mit dem Lernen – jetzt im Video anschauen!

„Anybody can do science“ – „Jeder kann erfolgreich in den Naturwissenschaften sein“, findet Stanford-Professor Carl Wieman. Es sei nicht leicht und man müsse hart arbeiten, aber man bräuchte nicht außergewöhnlich zu sein, um dieses Ziel zu erreichen, so Wieman im Interview mit Humans of Science.

Mit den richtigen Methoden lehren

Der Physiker und Nobelpreisträger ist sich sicher, dass nicht Talent oder Begabung den Lernerfolg in einem naturwissenschaftlichen Fach ausmachen, sondern die richtige Lehrmethode. Das sei für ihn sogar ausschlaggebender als die Lehrkraft, womit er dem allgemeinen Verständnis von Gelingensfaktoren nach der Hattie-Studie widerspricht.

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In dieser erstmals 2013 erschienen Studie wird die Lehrperson als wichtigster Erfolgsfaktor für erfolgreichen Unterricht benannt. Wenn man jedoch genauer hinschaut, kommt es auch hier darauf an, dass die Lehrkraft mit den richtigen Methoden lehrt und nicht, wie beliebt er oder sie bei der Schülerschaft ist.

Natürlich wünschen sich viele Kinder und Jugendliche eine nette, charismatische und mitreißende Lehrkraft. Dennoch sei diese Eigenschaft nicht so wichtig für die Kinder, wie dass sie ein eigenes Verständnis für den Lernstoff entwickelten, erläutert Physiker Wieman.

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Ein Verständnis für den Lernstoff entwickeln

Um dieses Verständnis bei seinen Studierenden an der Stanford-Universität zu schaffen, entwickelte Wieman eigene empirisch-fundierte Ansätze für die Lehrmethode des Aktiven Lernens. Damit sollten die jungen Menschen in seinen Hörsälen, Tutorien und Laboratorien verstehen, welche Bedeutung die Naturwissenschaften für jeden Einzelnen bzw. jede Einzelne hätten. Durch den Bezug zur eigenen Lebenswelt würde klar, „dass nicht alles mysteriös und magisch ist“. Effektives Lernen schafft es, dass sich Schüler*innen intensiv mit einem Thema auseinandersetzen, darüber nachdenken und ihren Lernprozess reflektieren können, so Wiemann in einem Blogbeitrag.

Er verrät seine sieben Prinzipien, um das Aktive Lernen im naturwissenschaftlichen Unterricht anzuwenden:

  1. Den Bezug zwischen Lernstoff und Lebenswelt herstellen. So können die Schüler*innen verstehen, was der abstrakte Lernstoff mit der Welt um sie herum zu tun hat. Dieses „Expertenwissen“ motiviert die Lernenden, sich mit der Theorie auseinanderzusetzen. Wieman rät hier zu einer ausführlichen Einführung ins Thema, die sich auf jeden Fall auszahlen würde.
  2. Kurze Abfragen zur Aktivierung zum Stundenbeginn einbauen. Durch kleine Quizzes wird das erarbeitete Wissen aktiviert und die Schüler*innen sind nach Wieman direkt im Thema. Sie bekommen so regelmäßig Feedback, ob sie den Schulstoff verstanden haben.
  3. Während des Frontalunterrichts sollten die Lernenden nicht gleichzeitig zuhören und mitschreiben. Wieman rät dazu, stattdessen mit gutem Material zu Hause das neu erworbene Wissen nachzubereiten. Wer sich während des Unterrichts Notizen macht, muss sich auf zwei Dinge gleichzeitig konzentrieren. Für Wieman ist das eine „kognitive Überlastung“.
  4. Interaktive Unterrichtsformate in kleinen Gruppen eignen sich besonders gut zum Lernen. Besser als eine versierte Lehrkraft, die unterhaltsam im Frontalstil unterrichtet, ist der Unterricht in Kleingruppen, in denen die Lernenden über den Lernstoff diskutieren, fand Wiemann im Rahmen seiner Pädagogik-Forschung heraus. Zuhörer*innen eines frontal gehaltenen Vortrags konnten demnach in der Regel nur zehn Prozent des Gesagten überhaupt wiedergeben.
  5. Den Lernstoff so aufteilen, dass die Schüler*innen immer nur eine Aufgabe bearbeiten. So geraten die Lernenden nicht ins Straucheln und machen schnell Fortschritte. Neue Aufgaben sollten dabei an vorheriges Wissen anknüpfen, um effektiv zu sein.
  6. Hausaufgaben gezielt einsetzen, um das Verstehen zu unterstützen. Der Unterricht erschließt neues Wissen, in der konzentrierten Hausarbeit sollen die Lernenden das erarbeitete Wissen verstehen und so im Langzeitgedächtnis ablegen. Wichtig dabei ist für Wieman, dass Hausaufgaben einen realistischen Kontext verwenden und dass sie die Möglichkeit bieten, den eigenen Lösungsweg zu hinterfragen.
  7. Falsche Lösungen nicht nur korrigieren, den Fehler im Denkprozess finden. Es reicht nicht aus, zu merken, dass eine Lösung falsch war. Die Lernenden müssten sich mit dem Fehler so weit auseinandersetzen, dass sie herausfinden, woher die falsche Annahme rührte und wie sie einen erneuten Fehler vermeiden können.

Titelbild: © Skumer/shutterstock.com