Es sollten viel mehr Lehrerinnen und Lehrer bloggen!

Marco Bakera ist Informatik- und Mathelehrer und bloggt leidenschaftlich gerne unter www.bakera.de. Welche Methoden er im Unterricht anwendet und warum Blogs gerade für Lehrer wichtig sind, erzählt der „Lehrer der Woche“ im Interview.

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Herr Bakera, Sie sind Lehrer für Informatik und Mathematik an einer Technischen Berufsschule. Man könnte vermuten, dass Sie nur IT-begeisterte Schülerinnen und Schüler vor sich haben. Welche Herausforderungen begegnen Ihnen in Ihrem täglichen Unterricht?

Marco Bakera: „Das könnte man meinen und in vielen Fällen trifft das auch zu. Ich bin jedoch immer wieder erstaunt, wie unterschiedlich die Begeisterung für das Fach Informatik erlebt wird. So gibt es im Alltag häufig unterschiedliche Vorstellungen von dem Fach und seinen Inhalten. Viele Schülerinnen und Schüler kommen mit verzerrten bis falschen Vorstellungen an unsere Schule. Das mag daran liegen, dass der Computer heute vielfach als Konsumgerät verwendet wird: zum Spielen, Surfen, Videogucken oder Kommunizieren. Das produktive Arbeiten findet nur selten statt und muss an unserer Schule – häufig mühsam – erlernt werden. Obwohl es das gleiche Gerät ist, werden Computer im professionellen Kontext ganz anders eingesetzt als in der privaten Nutzung.

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Zudem haben Fächer wie Programmieren oder Datenbanken einen hohen fachlichen Anspruch. Es gehört ein großes Maß Selbstdisziplin und Abstraktionsvermögen dazu, um erfolgreich zu sein.“

Steckbrief


Name: Marco Bakera
Schule: Technische Berufliche Schule 1
Fächer: Informatik und Mathematik
Die Schülerinnen und Schüler von heute …
sind deutlich besser als ihr Ruf. Man muss sie nur lassen.
Die Schule von morgen …
wird genauso aussehen, wie die Schule von heute. Übermorgen mag es vielleicht die ersten Ansätze für Veränderungen geben. Aber vielleicht dauert es auch eine ganze Woche. Das ist gut und schlecht zugleich.
Ich werde nie vergessen als…
ich gemerkt habe, wie viel Potenzial und Kreativität in den Schülerinnen und Schülern steckt, wenn man ihnen die Möglichkeit zur eigenen Entfaltung gibt.

Was ist die Funktion Ihres Blogs Bakera.de? Newsticker, Nischentreff für Informatikfans oder persönlicher Anekdoten-Blog?

Marco Bakera: „Mein Blog ist mein Gedächtnis. Ich schreibe es mehr für mich als für andere. Wenn ich mich länger mit einem Thema beschäftigt habe, möchte ich einen Abschluss finden, indem ich meine Erkenntnisse und Erfahrungen dort niederschreibe. Vielleicht hilft dies auch anderen Menschen weiter. Und eventuell kann ich damit Vorbild für andere Lehrerinnnen und Lehrer sowie Schülerinnern und Schüler sein. So ergaben sich immer wieder Situationen, in denen ich in einem Gespräch auf einen Artikel verweisen konnte, den ich zu einem bestimmten Thema geschrieben hatte.

Ich bin zudem ein Wikipedianer der ersten Stunde und Admin im Wiki der Zentrale für Unterrichtsmedien (kurz ZUM). Das zeigt, wie sehr mir die Verbreitung eigener Inhalte auf freien Plattformen am Herzen liegt. Damit haben wir erstmals eine Möglichkeit, Inhalte vorbei an etablierten Produktionsprozessen zu verbreiten. Wir sollten dies nutzen, damit experimentieren, versuchen, sie zu verstehen und daraus zu lernen.“

Ist das Bloggen für Lehrerinnen und Lehrer Ihrer Meinung nach noch zeitgemäß?

Marco Bakera: „Ja, absolut und mehr denn je. Es sollten viel mehr Lehrerinnen und Lehrer bloggen. Neben der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem eigenen Fach und dem beruflichen Alltag lernt man viel über die technischen Hintergründe eines Blogs. Es ist ein praktisches Vehikel für den Erwerb von Medienkompetenz. Andere Plattformen wie Twitter und Facebook haben ihre eigenen Regeln und ihre eigenen Server. Dort kann ich nur bedingt mitgestalten und erfahre wenig über die Prozesse. Wie kommt z. B. eine Timeline bei Facebook zustande? Wie werden die Daten abgespeichert? Was bedeutet es, wenn ich meinen Account lösche? Sind dann meine Beiträge und Nachrichten an andere Nutzer auch weg? Welche Schlüsse können aus den Daten gezogen werden? All dies sind aktuelle Fragen des Datenschutzes, der Datensparsamkeit und der algorithmischen Kompetenz. In meinem eigenen Blog kann ich den Vorhang lüften und dahinter schauen. Ich kann revidieren, löschen, anpassen und gestalten, wie ich es möchte. Daher rate ich nicht nur Lehrerinnen und Lehrern, sondern allen Menschen, die etwas zu sagen haben, sich selbst ein Sprachrohr zu verschaffen, über das sie die größtmögliche Kontrolle haben. Es wäre doch toll, wenn Schülerinnen und Schüler ihre Hausaufgaben nicht per WhatsApp verteilen oder auf Facebook posten, sondern auch frei im Internet zugänglich machen würden – wenn man auf die Erkenntnisse der vorigen Jahrgänge zurückblicken und daraus lernen könnte.

Bis vor einigen Jahren war es noch sehr kompliziert, ein eigenes Blog aufzusetzen. Heute wird es immer leichter und es müssen immer mehr Menschen – unter anderem auch Schülerinnen und Schüler – in die Lage versetzt werden, genau dies selbstständig tun zu können.“

Welche neuen Trends sehen Sie in der digitalen Kommunikation von Lehrerinnen und Lehrern untereinander?

Marco Bakera: „Das ist eine schwierige Frage. Ich sehe aktuell – mit großer Sorge – immer mehr Kolleginnen und Kollegen in geschlossene Plattformen wandern – z. B. Facebook und WhatsApp. Leider sehe ich wenige Trends, die in eine gesicherte und verschlüsselte Kommunikation münden. Ich hoffe, dass die Enthüllungen von Edward Snowden eine Trendwende bringen werden.

Das wichtigste Kommunikationsmedium ist und bleibt jedoch das gesprochene Wort und der persönliche Austausch. Ich hoffe, dass dies auch in Zukunft so bleiben wird und jede digitale Kommunikation nur einen ergänzenden Charakter haben wird.“

Wie regelmäßig beziehen Sie neue Trends, die Sie im Blog aufspüren und vorstellen, in Ihren Unterricht mit ein?

Marco Bakera: „Wenn mir etwas sinnvoll erscheint, probiere ich es aus. Wenn es klappt, dann übernehme ich es in mein Repertoire. Falls nicht, überlege ich, woran es gelegen hat und ob es in einem anderen Kontext funktionieren könnte. Prinzipiell gefallen mir alle Dinge, die den Schülerinnen und Schülern mehr Verantwortung und Eigenständigkeit übertragen. Ich experimentiere gerne und vermische etablierte mit neuen Konzepten. So bleibt es für mich und meine Schülerinnen und Schüler stets abwechslungsreich.“

Ich habe in Ihrem Wiki gesehen, dass Sie sich mit dem Konzept Flipped Classroom auseinander gesetzt haben. Was sind Ihre Erfahrungen?

Marco Bakera: „Ich habe von vielen tollen Erfahrungen damit gehört, wünsche mir jedoch eine Variante, die den Schüler und die Schülerin stärker in den Produktionsprozess der vorbereitenden Materialien integriert. Ich habe es bereits vor ein paar Jahren einmal erprobt. Leider klappte es mangels Vorbereitungsbereitschaft der Schülerinnen und Schüler nicht so, wie ich es mir erhofft hatte. Also legte ich das Thema ad acta. Durch einen Vortrag von Sebastian Schmidt bin ich wieder darauf aufmerksam geworden. Er adressierte genau mein damaliges Problem und bot durch kleine Quizze die Möglichkeit der Kontrolle. Gepaart mit einer stärkeren Integration der Schülerinnen und Schüler kann ich mir nun eine deutlich fruchtbarere Zukunft des Konzeptes vorstellen und wünschen.“

Hier geht es zu den weiteren „Lehrkraft der Woche“-Interviews!

Titelbild: Marco Bakera/sofatutor