Medienkompetenz der Schüler: Das sagen Lehrer dazu

Wie gut ist die Medienkompetenz der Digital Natives? Nur mittelmäßig, fand die ICILS-Studie heraus. Lehrerinnen und Lehrer verschiedener Schulformen erklären, was Schule in Sachen digitaler Bildung liefern kann und muss.

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Mädchen sind besser im Umgang mit dem Internet als Jungs, Achtklässler kennen sich im europäischen Vergleich nur mittelmäßig mit der digitalen Welt aus und Computer werden im Unterricht zu wenig genutzt. Das sind die Ergebnisse der International Computer and Information Literacy Study (ICILS). Wir haben einige Lehrerinnen und Lehrer gefragt, warum digitale Bildung im Unterricht zu kurz kommt.

Deutschland ist auf den letzten Rängen beim Thema Computernutzung im Unterricht. Überrascht Sie das?

Jörg Freese, Schulleiter am Gebrüder Montgolfier Gymnasium Berlin: „Das überrascht mich nur teilweise. Die Ausstattung an den Schulen ist ja tatsächlich nicht sehr weit fortgeschritten und nur mit einer angemessenen und vor allem funktionierenden Ausstattung werden sich die Medien besser integrieren. Selbst bei guter Ausstattung mangelt es oft an Support, so dass die Geräte brach liegen, wenn etwas nicht funktioniert oder es werden keine Updates gefahren, etc.‟

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Dirk Weidmann, Lehrer an der Heinrich-Grupe Schule Grebenstein: „Das Ergebnis ist für mich nicht überraschend. Wer die Vorgängerstudien der letzten Jahre kennt, sieht das Ergebnis in einer Linie mit den Erkenntnissen der vorangegangenen Untersuchungen. Alarmierend ist jedoch der Trend, wonach sich dieses Ergebnis zu verfestigen scheint. Ohne Zweifel werden zwar bei den vergleichsweise wenigen Schulen, welche durch die Studie abgebildet werden, unterschiedliche Ergebnisse erzielt worden sein, sodass Pauschalisierungen sicherlich unangemessen sind. Aber generell scheint es dringend geboten, dass die Diskrepanz zwischen der privaten Nutzung digitaler Geräte und der schulischen Nutzung vermindert wird.”

Glauben Sie, dass immer noch viele Vorurteile von Lehrerseite gegen Computernutzung im Unterricht vorherrschen und halten Sie dies für gerechtfertigt?


Tablets im Unterricht

©Tablets im Unterricht; ©Tyler Olson/Shutterstock

Christiane Guse, Lehrerin am Diesterweg-Gymnasium Berlin: „Im Bundesland Berlin (trifft auch auf andere Bundesländer zu) zeigt sich erschwerend, dass die Lehrerkollegien im Altersdurchschnitt eher der Generation elektrische Schreibmaschine mit Internetanschluss zuzuordnen sind. Wenn also keine permanente Durchmischung mit jüngeren Lehrkräfte-Generationen erfolgt, verfestigen sich Routinen, die dann zu einer eingeschränkten Medienkompetenz oder sogar Vorbehalten führen können.Wenn Lehrerkollegien nicht am jüngeren Vorbild erfahren, wie sie ihren Unterricht erweitern können, bleibt es beim bisher Bewährten. Es ist bemerkenswert, wenn sich Lehrerinnen in neue Medien engagiert einarbeiten.”

Dirk Weidmann: „Gewiss kursieren hinsichtlich der Mediennutzung bei Lehrern diverse Vorurteile. Ein Blick in die Lehrerzimmer zeigt jedoch, dass sowohl ältere als auch jüngere Lehrkräfte mit Smartphones, Tablets oder Laptops arbeiten – eine allgemeine Technikaffinität kann man ihnen daher nicht absprechen. Ein in meinen Augen wichtiger Aspekt im Zusammenhang mit Ihrer Frage ist jedoch die Ausstattung der Schulen mit geeigneten Medien. Es bedarf einer zuverlässig funktionierenden Medienausstattung, sodass Lehrkräfte nicht das Gefühl haben müssen, dass eine auf Medieneinsatz basierende Stunde zum Lotteriespiel werden könnte.”

Sehen Sie in Sachen Medienkompetenz das Grundproblem in der Lehrerausbildung verankert? Oder was muss sich Ihrer Meinung nach ändern?

Markus Reisch, Lehrer am Galileo Gymnasium Berlin: „Der Begriff Medien ist weit gestrickt, dass es hier schwer ist, eine einheitliche Aussage zu treffen. Grundsätzlich bringen alle jungen Lehrer eine gewisse Medienkompetenz mit und diese reicht (überwiegend). Aus meiner Sicht ist es die Aufgabe des Arbeitgebers, die Medienmöglichkeiten so zu gestalten, dass alle damit arbeiten können. Im Alltag scheitern die Leute ja nicht an der minderausgeprägten Medienkompetenz, sondern am fehlenden HDMI-Kabel oder weil die Lizenz abgelaufen ist.

Zumal ändert sich das Mediengehabe ständig, so sind z. B. die Computerräume schon wieder old school und alle hantieren nur noch mit W-LAN und Notebooks. Die nächsten Opfer sind die tollen Smartboards. Ich sehe schon die großen Friedhöfe mit Beamergrabsteinen. Daher ist es eher sinnvoll, die Medienkompetenzen der Lehrer ständig fortzubilden. Aber bitte nicht die Bücher vergessen.”

Jörg Freese: „Es fehlt vor allem am technischen Support. Aber es bedarf sicherlich auch intensiver Weiterbildung, um den didaktischen und bildungstheoretischen Mehrwert digitaler Unterrichtsmedien und -prozesse zu vermitteln.”

Dirk Weidmann: „Das Lehrpersonal muss im Rahmen von verpflichtenden Aus- und Fortbildungsbestandteilen zum kompetenten Einsatz neuer Medien befähigt werden. Sobald Lehrkräfte erkennen, dass sich durch die gezielte Verwendung neuer Medien für ihren Unterricht ein didaktischer Mehrwert einstellt, sind meiner Erfahrung nach die allermeisten aufgeschlossen für die Technik. Auf den Aspekt der geeigneten Fortbildungen für Lehrkräfte gehe ich gemeinsam mit einer anderen Autorin unter Rückbezug auf die Implementierung des ICM im Schulkontext in einem aktuellen Beitrag für die Fachzeitschrift PÄDAGOGIK näher ein. Dieser erscheint in der Ausgabe 1 / 2015.”

Wie schätzen Sie die Medienkompetenz Ihrer Schülerinnen und Schüler ein?


Schüler Medienkompetenz

Fehlende Medienkompetenz? ©EugenioMarongiu

Andreas Hofmann, Lehrer an der Waldschule Hatten: „Ich sehe leider weniger Kompetenz als den Jugendlichen nachgesagt wird. Es handelt sich oft um sehr einseitige Kenntnisse, wobei fast immer ein umsichtiger, vorsichtiger Umgang mit Dingen wie Datenschutz, Urheberrecht, etc. fehlt.”

Claudia Singer, Lehrerin am Gebrüder Montgolfier Gymnasium Berlin: „Die Medienkompetenz meiner Schüler und Schülerinnen schätze ich als sehr hoch ein. Es ist eine Generation, die von Kindesbeinen an Zugang zu verschiedensten Medien hat und sich u.a. dadurch schnell neue Medien zu erschließen vermag.”

Robert Rauh, Lehrer am Barnim-Gymnasium Berlin: „Wie meine Schüler mit modernen Medien umgehen, ist für mich beängstigend professionell. Erst recht, wenn ich mir ansehe, wie wir Lehrer uns damit versuchen. Schüler lernen scheinbar mühelos und in einer atemberaubenden Schnelligkeit, sich in der Medienwelt zu orientieren, an der Kommunikation in den sozialen Netzwerken teilzunehmen oder sich Medien kreativ zunutze zu machen. Und all das lernen sie außerhalb der Schule. Aber besitzen sie damit automatisch auch Medienkompetenz? Das muss weitgehend verneint werden. Es fehlt ihnen häufig an kritischer Distanz gegenüber Medien. Das beginnt beim unüberlegten Hochladen von privaten Fotos und endet bei der kritiklosen Übernahme von Informationen für ein Referat. Hier kann und muss Schule ansetzen.”

Christiane Guse: „Dies ist eine Frage, die auf Altersstufen bezogen beantwortet werden müsste, und die z. B. rechtliche Kenntnisse mit einbeziehen müsste. Surfen, googeln und digitale Spielwelten sind keine Kompetenzen. Mediale Kompetenzen entstehen erst im bewussten zielgerichteten Einsatz des Computers als Werkzeug, z. B. zur Informationssuche aus mehreren Quellen und Einschätzen der Wertigkeit von Quellen. Auch der Umgang mit Netzwerken ist bei Jugendlichen oft oberflächlich, ohne die Konsequenzen zu bedenken – im positiven wie negativen Sinne. Wichtig ist, dass Jugendliche aller Altersstufen – meiner Erfahrung nach – zu wenig über Urheberrechte und Datenschutz wissen. Dies bezieht sich auf eigene als auch fremde Daten und Urheberrechte.”

Soll Medienkunde ein Schulfach werden? Wenn ja, wie könnte das aussehen? Wenn nein, warum nicht?

Markus Reisch: „Medienkunde sollte kein Schulfach werden, sonst können wir auch gleich Heimatkunde in Klasse 10 einführen. Das Abkoppeln von Methoden aus den Inhalten ist fatal. Schwerpunktmäßig sollte es ggf. fünf bis sechs Schwerpunktfächer geben, die sehr ‚Moderne-Medien-lastig‛ sind, damit die Schüler hier Anwendung und Inhalt sinnvoll nebeneinander sehen.”

Andreas Hofmann: „Nein, ich denke nicht, dass Medienkunde ein Fach sein sollte. Es sollte fester Bestandteil des täglichen Unterrichts sein, implementiert in jedes Fach. Leider ist dies in naher Zukunft nicht erkennbar, da der Ausbildungsstand des Großteils aller Kollegien diesbezüglich eher schlecht ist. Leider ist es auch nur rudimentärer bereits in die Lehrerausbildung verankert, womit dieser alltägliche Umgang mit Themen der Medienbildung auch noch lange auf sich Warten lassen wird.”


IT-Ausstattung Schule

IT-Ausstattung oft veraltet; ©LesPalenik/Shuttersock

Robert Rauh: „Der fächerübergreifende Umgang mit Medien ist längst in den Schulalltag integriert. Denn Medienkompetenz ist inzwischen fester Bestandteil vieler Curricula. Aus dem Unterricht sind Medien ohnehin nicht mehr wegzudenken. In Sozialkunde wird über die sozialen Netzwerke diskutiert, in Kunst ein Filmprojekt realisiert, in Mathematik mit digitalen Lernplattformen gearbeitet und in Deutsch nicht nur das Recherchieren von Informationen im Internet, sondern auch der kritische Umgang mit diesen trainiert. Es muss nur konsequent umgesetzt werden. Ein Schulfach ‚Medienkunde‛ ist überflüssig wie die Forderung nach Abschaffung aller Fächer ‒ zugunsten von Projektunterricht. Was wir dagegen brauchen, ist eine moderne Ausstattung der Schulen mit digitalen Medien: Bezahlbare Tablets mit geprüfter Unterrichtssoftware und Internet im Klassenzimmer. Damit unsere Schulen nicht den Anschluss verlieren.”

Claudia Singer: „Nein. Die Schülerinnen und Schüler unserer Schule verbringen bereits sehr viel Zeit vor Bildschirmen. Ihre Medienkompetenz ist größtenteils sehr hoch und sie nutzen die Medien effektiv. Allerdings steigen gleichzeitig bundesweit die Zahlen der Computerspielsüchtigen, Onlinesüchtigen, etc. Für mich ist es wesentlich in den Mittelpunkt zu rücken, dass zahlreiche Studien der Lernpsychologie belegen, dass die Dauer des Medienkonsums bzw. der Zeit vor Bildschirmen negativ mit der Konzentrationsfähigkeit, Merkdauer sowie der Kompetenz Wissen zu verknüpfen, zu verankern und sachlogisch aufgebaut auf andere Gebiete zu transferieren und im Kontext wiederzugeben steht.

Noch mehr Zeit vor Bildschirmen in Form eines Extraschulfaches halte ich für überflüssig, ja sogar kontraproduktiv im Sinne des Bildungsaspektes. Viel eher ist es wichtig, für den Umgang mit den Medien in Bezug auf Datenschutz, Cybermobbing, etc. – wie es an unserer Schule bereits der Fall ist – noch wirksamer zu sensibilisieren.”

Titelbild: © Syda Productions/Shutterstock