Neues Urheberrecht: Lehrer sollen mehr Rechte bekommen

Das Urheberrecht sieht für Pädagogen und Lehrkräfte einige Ausnahmen vor. Praktisch sind sie jedoch zu gering. Bildungsministerin Wanka möchte das ändern.

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Mitte April erklärte Bundesbildungsministerin Johanna Wanka, dass sie „die Schranken des Urheberrechts an die veränderten Erfordernisse der Digitalisierung“ anpassen will. Das Kabinett beschloss daher eine Art „Basiszugang“ für Institutionen der Bildung und Wissenschaft. Denn gerade an Hochschulen, Schulen, in Bibliotheken und Archiven stellen die sogenannten Schrankenregelungen des Urheberrechts unzeitgemäße Hürden für die Arbeit mit urheberrechtlich geschützten Werken dar.

Wie ist das Urheberrecht bislang für Lehrkräfte geregelt?

Bislang war es so geregelt, dass es für den Unterrichtsgebrauch einige Sonderrechte für Schuleinrichtungen und Lehrkräfte gab. So galten folgende Grundregeln gelten für Fotokopien:

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  • Lehrkräfte dürfen bis zu 10 % eines Werkes kopieren. Insgesamt sind maximal 20 Seiten erlaubt, auch wenn die 10 % mehr Seiten zulassen würden.
  • Kleine Werke dürfen ganz kopiert werden. Dies umfasst Musikeditionen bis zu 6 Seiten, sonstige Druckwerke bis zu 25 Seiten und alle Bilder und Fotos.
  • Schulbücher oder Unterrichtsmaterialien dürfen nie ganz kopiert werden. Hier gilt stets: Bis zu 10 % des Werkes, maximal 20 Seiten.
  • Auf den Kopien muss immer die Quelle angegeben werden (Autor, Titel, Verlag, Auflage, Erscheinungsjahr, Seite).
  • Es darf aus jedem Werk nur jeweils 1 x pro Klasse pro Schuljahr in dem genannten Umfang gescannt werden.

oder für Scans galt:

  • Scans sind seit 2013 für den Schulbetrieb in einem bestimmten Umfang gestattet.
  • Aus allen Werken ab dem Erscheinungsjahr 2005 dürfen 10 % des Werkes, maximal aber 20 Seiten gescannt werden. Aus älteren Werken sind Scans nicht erlaubt.
  • Diese Scans dürfen per E-Mail an die Schüler weitergegeben oder über Whiteboards im Unterricht gezeigt werden.
  • Man darf die Scancs auch auf mehreren Speichermedien abspeichern, wenn durch effektive Schutzmaßnahmen sichergestellt ist, dass Dritte auf die gespeicherten Scans nicht zugreifen können. Die Scans müssen also durch ein Passwort oder ähnliche Maßnahmen geschützt sein.
  • Auf den Scans muss immer die Quelle angegeben werden (Autor, Titel, Verlag, Auflage, Erscheinungsjahr, Seite). Dafür reicht es auch, die Dateien entsprechend zu benennen.
  • Es darf nur jeweils 1 x pro Klasse pro Schuljahr kopiert werden.

Hält man sich diese Zahlen vor Augen, handelt wahrscheinlich eine Mehrzahl deutscher Pädagoginnen und Pädagogen rechtswidrig. Anders ist jedoch ein kreativer und verantwortungsvoller Unterricht kaum möglich. Daher reagiert das Bundeskabinett am 12. April 2017 mit einem knapp sechzigseitigen „Entwurf eines Gesetzes zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft“ (UrhWissG) auf die im Koalitionsvertrag beschlossene „Bildungs- und Wissenschaftsschranke“. Darin möchte die Regierung die Schrankenregelungen erweitern, um urheberrechtlich geschützte Werke, die im öffentlichen Interesse stehen, in Forschung und Lehre besser nutzbar zu machen.

Was ändert sich im neuen Urheberrecht?

Die Nutzungsbestimmungen für Lehre und Forschung, die keine Zustimmung des Rechtsinhabers bedürfen, sollen konkretisiert und „soweit wie möglich ohne unbestimmte Rechtsbegriffe“ festgeschrieben werden.

Die Erlaubnisrechte sollen soweit zulässig für Lehrende, Lernende und Forschende erweitert werden. Weiter geht aus dem Gesetzesentwurf zum UrhWissG hervor, dass die Reform sich im Kern auf den Unterabschnitt 4 „Gesetzlich erlaubte Nutzungen für Unterricht, Wissenschaft und Institutionen“ bezieht: „Die §§ 60a bis 60h UrhG in der Entwurfsfassung (UrhG-E) umfassen die Vorschriften für Unterricht, Wissenschaft und Institutionen wie etwa Bibliotheken, einschließlich einer neuen Vorschrift für das sog. Text und Data Mining, der softwaregestützten Auswertung großer Datenmengen. Jede Anwendergruppe findet also künftig einen eigenen Tatbestand mit konkreten Angaben zu Art und Umfang der gesetzlich erlaubten Nutzungen vor. Gleichzeitig entfallen diverse, bislang für sie bestehende Bestimmungen entweder vollständig (§§ 47, 52a,52b, 53a UrhG) oder teilweise (z. B. in § 46 UrhG sowie in der ‚Privatkopieschranke‘ des § 53 UrhG).“

Die wichtigsten Anpassungen im Überblick

  • In Unterabschnitt 4 § 60a steht demnach, dass bis zu 15 Prozent eines veröffentlichten Werkes vervielfältigt, verbreitet oder im Rahmen der Veranschaulichung des Unterrichts und der Lehre an Bildungseinrichtungen öffentlich zugänglich gemacht werden darf.
  • Abbildungen, Zeitungsausschnitte oder Beiträge aus Zeitschriften dürfen vollständig genutzt werden.
  • Mitschnitte oder Streams von Aufführungen eines Werkes dürfen nicht eigenmächtig erstellt und verbreitet werden.
  • Ebenso dürfen Schulbuchtexte nicht ohne Zustimmung bzw. entsprechende Kennzeichnung vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben werden.
  • Für die Erstellung von Unterrichts- und Lehrmedien dürfen maximal zehn Prozent eines veröffentlichten Werkes vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden. Unter „Unterrichts- und Lehrmedien“ versteht das Justizministerium „Sammlungen, die Werke einer größeren Anzahl von Urhebern vereinigen und ausschließlich zur Veranschaulichung des Unterrichts und der Lehre an Bildungseinrichtungen zu nicht-kommerziellen Zwecken geeignet, bestimmt und entsprechend gekennzeichnet sind.“

„Gute Bildung und Wissenschaft sind wesentliche Bausteine für das Wohlergehen unserer Gesellschaft. Deshalb wollen wir Forschende, Lehrende und Studierende bei ihrer täglichen Arbeit unterstützen“, begrüßt Johanna Wanka den Regierungsentwurf zur Anpassung des Urheberrechts an die Bedürfnisse der Wissensgesellschaft.

Für Menschen in Lehrberufen und der Forschung soll das neue Urheberrecht besser, übersichtlicher und vor allem praxistauglicher werden. Dadurch solle die Rechtssicherheit bei Nutzern, Urheber und Verlagen gestärkt werden, bestätigt Johanna Wanka.

Wie wirken sich die Anpassungen auf die Verlage aus?

Da die Nutzungsrechte an veröffentlichten Werken oft bei Verlagen liegen, haben diese auch das Recht, die Gebühren oder Vereinbarungen über die Nutzung der Inhalte zu bestimmen. Der Gesetzesentwurf sieht für urheberrechtlich geschützte Werke, die in Schule und Lehre eingesetzt werden, eine Pauschale vor, die der Rechtsinhaber als Entschädigung für die Vervielfältigung bzw. Zugänglichmachung erhalten. Die Vergütung soll angemessen sein, sodass die Verlage durch die Anpassung des Urheberrechts keinen Schaden befürchten müssen. Konkretere Angaben liegen jedoch noch nicht vor.

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