Wie kann die Lehrerkrise gelöst werden? – Ideen & Ansätze

Deutsche Schulen leiden unter dem Lehrkräftemangel. Besonders an Grundschulen sorgt dieser für viel Stundenausfall und teils chaotische Zustände kurz nach Beginn des Schuljahres. Wir fassen zusammen, welche Forderungen und Lösungsvorschläge bislang diskutiert wurden.

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Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung prognostiziert, dass bis zum Jahr 2025 etwa 35.000 Lehrkräfte an deutschen Grundschulen fehlen werden. Über alle Schulformen verteilt sind es sogar 50.000. Der Mangel tritt zum Teil aufgrund der Überalterung des Berufsstands auf, aber auch aufgrund der immer stärker steigenden Schülerzahlen. Ein weiteres Problem: Bislang gibt es zu wenig Bewerberinnen und Bewerber auf die Stellen an den Grundschulen. Auch die geringere Vergütung, im Vergleich zum Gehalt der Sekundarschullehrkräfte, spielt dabei eine Rolle.

Um den Beruf der Grundschullehrkraft attraktiver zu machen, schlagen Gewerkschaften und Lehrerverbände vor, das Gehalt anzuheben. Den Vorschlag befürworten in einer Forsa-Umfrage gemeinsam mit dem Robert-Bosch-Institut drei Viertel der Lehrer und Lehrerinnen. Sie fordern, dass alle gleich viel verdienen – nämlich das höhere Gehalt der Gymnasiallehrkräfte. 91 Prozent der Grundschullehrerinnen und -lehrer wollen das, aber nur 54 Prozent der Gymnasiallehrkräfte.

Baden-Württemberg: 10.000 neue Stellen schaffen

Der Gewerkschaftsverband für Lehrkräfte GEW hatte im Frühjahr 2019 einen Mehrbedarf von gut 10.000 Lehrstellen für Baden-Württemberg errechnet. Das Kultusministerium gab dieser Prognose statt, sodass zum kommenden Schuljahr mehr Stellen an den Schulen geschaffen werden können.  Dabei bezieht sich die GEW Baden-Württemberg in ihren Forderungen auf die Sekundarschulen und die Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ). So soll der Unterricht bei steigenden Schülerzahlen, einem erweiterten Ganztagsangebot sowie mithilfe einer höheren Vertretungsreserve gewährleistet werden können. Der Landeshaushalt entscheidet im Herbst über weitere neue Stellen, die sich aus dem berechneten Bedarf des Kultusministeriums ergeben haben.

Neben der Neuschaffung von Stellen inklusive eines Ausbaus der Vertretungsreserve an Gymnasien fordert die Gewerkschaft GEW in Baden-Württemberg weitere Maßnahmen, um mehr Bewerberinnen und Bewerber zu generieren, die hauptsächlich an Grund- und Förderschulen fehlen. Weitere Forderungen sind:

  • „Die Bedingungen für das Aufbaustudium Sonderpädagogik verbessern und Lehrkräfte aller Schularten während dieses Studiums bezahlen.
  • Mehr Absolventinnen und Absolventen aus Baden-Württemberg nach dem Lehramtsstudium motivieren, in den Vorbereitungsdienst zu gehen und eine Stelle in Baden-Württemberg anzunehmen. Dafür sind vor allem bessere Arbeitsbedingungen und eine bessere Bezahlung
  • Bessere Bedingungen schaffen, damit mehr gymnasiale Lehrkräfte für die Arbeit in den Grundschulen und in der Sonderpädagogik qualifiziert werden.
  • Grundschullehrerinnen und -lehrer nach A 13
  • Die Studienplätze für Sonderpädagogik erhöhen (seit 2016 unverändert) und den Ausbau der Studienplätze für Grundschule fortsetzen.“

Sachsen-Anhalt: Keine Zwischenzeugnisse

In den vergangenen Jahren mussten Referendarinnen und Referendare verstärkt den Regelunterricht übernehmen, um den Lehrermangel an Sachsen-Anhalts Schulen auffangen zu können. Um Lehrkräfte zu entlasten, forderte der Grundschulverband Sachsen-Anhalt im Jahr 2017 sogar, dass nur zum Ende des Schuljahres Zeugnisse geschrieben werden sollten. Elternverbände wehrten sich gegen den Vorschlag. Die Eltern befürchteten, mit nur einem einzigen Zeugnis pro Schuljahr die Leistungen ihrer Kinder nicht ausreichend überprüfen zu können. Die Präsidentin des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands (BLLV), Simone Fleischmann, stimmte dem sachsen-anhaltinischen Vorschlag zu. Sie forderte die Lehrkräfte auf, „Stopp“ zu sagen. Dadurch sollten sie deutlich machen, dass sie unter den gegebenen Umständen – weniger Lehrerinnen und Lehrer bei gleichzeitig steigenden Schülerzahlen – keine Qualität des Unterrichts sicherstellen können. Umgesetzt wurde die Forderung bislang nicht.

Eine Volksinitiative von Eltern und Eltenvertretungen forderte außerdem, mithilfe von 77.000 gesammelten Unterschriften, die Einstellung weiterer 1000 Lehrkräfte sowie 400 pädagogischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an sachsen-anhaltinischen Schulen. Aktuell wird ein Volksbegehren diesbezüglich vorbereitet, dass eine Änderung des Schulgesetzes vorsieht. Dadurch soll der tatsächliche Gesamtbedarf an Lehrkräften, pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern bestimmt werden, die die Schulen des Bundeslands benötigen. Bedarfskürzungen sollen zurückgenommen und ein Mehrbedarf sowie eine Reserve in der Planung berücksichtigt werden.

Sachsen: Verbeamtung von Lehrkräften

In einigen Teilen Sachsens war der Lehrermangel an Grundschulen so groß, etwa in einem Dresdner Vorort, dass kurzzeitig Eltern den Unterricht übernommen hatten, da kein Ersatz für eine erkrankte Klassenlehrerin gefunden werden konnte. Sachsen setzte dann, wie viele Bundesländer, verstärkt auf die Unterstützung von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern. Teilweise machte ihr Anteil mehr als die Hälfte aller Neuanstellungen des jeweiligen Schuljahres aus. Doch im vergangenen Schuljahr konnten sogar die 300 vorgesehenen Seiteneinsteiger-Stellen nicht voll besetzt werden: Nur 227 Jobs wurden vergeben.

Um die große Personal-Lücke schließen zu können und für Bewerberinnen und Bewerber attraktiver zu werden, hat der Freistaat seit Januar 2019 einige Änderungen vorgenommen: Lehrkräfte können in Sachsen verbeamtet werden und bereits verbeamtete Lehrerinnen und Lehrer können aus anderen Bundesländern übernommen werden. Alle Lehrkräfte werden schulformunabhängig im Eingangsamt mit A13 verbeamtet. Bis 2023 soll diese Regelung gelten und danach ggf. angepasst werden.

Berlin: Lehrkräfte ohne volle Lehrbefähigung (LovL)

Um Lehrkräfte zu entlasten, forderte der Landeselternverband in Berlin zum Schuljahreswechsel 2018 u. a. weniger Prüfungen. So sollte etwa die MSA-Prüfung abgeschafft werden, um mehr Unterrichtszeit zu generieren. Ein Übertritt in die 11. Klasse sollte ausreichen, um den MSA zu erlangen. Außerdem wollte man Lehrkräfte von zeitaufwändigen bürokratischen Aufgaben, etwa der Pausenaufsicht, entbinden. Dafür sollten Schulsozialarbeiterinnen und -arbeiter sowie Verwaltungskräfte eingestellt werden, forderte die Elternvertretung.

Das Bundesland Berlin wählte zum Schuljahr 2018/2019 einen anderen Weg. Erstmals wurden 915 „Lehrkräfte ohne volle Lehrbefähigung (LovL)“ eingestellt. Im Gegensatz zu Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern hatten die LovL zwar einen Bachelorabschluss, jedoch kein Berliner Schulfach studiert. Damit wollte das Bundesland auffangen, was über voll ausgebildete Lehrkräfte nicht mehr zu leisten ist: Der flächendeckende reguläre Unterricht an öffentlichen Berliner Schulen. Von der Bildungssenatorin Sandra Scheeres wurde versprochen, dass ein Großteil der LovL aus erprobten Vertretungslehrkräften bestünde. Daran zweifelte die Lehrer-Gewerkschaft GEW Berlin. Viele der einspringenden ungelernten Lehrkräfte waren zudem nur befristet an den Schulen angestellt. Die Gewerkschaft wollte hier so schnell wie möglich nötige Qualifizierungen erreichen, um den LovL eine Perspektive zu bieten, zukünftig als volle Lehrkraft mit zweitem Staatsexamen zu arbeiten.

Zwar wurden zum kommenden Schuljahr erneut 938 Personen als Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger – ehemals Lovl – eingestellt. Aber ob ihnen die Möglichkeit zum Quereinstieg und damit zur Qualifikation gewährt wird, sei noch in der Beratung, laut der Berliner Schulsenatorin.

Nordrhein-Westfalen: Mehr Fachkräfte an den Schulen

Zum Schuljahr 2018/2019 konnten in NRW nur 24,2 Prozent der ausgeschriebenen Stellen im Grundschulbereich besetzt werden. Um die Attraktivität des Grundschullehramtes zu steigern, fordert der Verband Bildung und Erziehung VBE daher angemessene Rahmenbedingungen für die Arbeit an Grundschulen: die Gehaltsstufe A 13 für alle, eine Minderung der Unterrichtsverpflichtung, um Zeit für individuelle Förderung zu haben, den Einsatz einer sozialpädagogischen Fachkraft pro Schule, Doppelbesetzungen in Klassen des gemeinsamen Lernens und den Einsatz multiprofessioneller Teams aus Lehrkräften, Pädagoginnen und Pädagogen sowie Psychologinnen und Psychologen.

Fazit: Um dem Lehrermangel Einhalt zu gebieten, haben die aufgezeigten Länder folgende Maßnahmen geplant bzw. bereits umgesetzt: eine angeglichene Vergütung aller Lehrkräfte, eine bessere Vorbereitung der Studierenden auf den Schuldienst sowie mehr Lehrstellen und pädagogisches Fachpersonal.

Titelbild: © Oleksandr Berezko/shutterstock.com