Jarzombek: „Digitales in der Bildung ist kein Schnickschnack“
Als Bundestagsmitglied und Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Ausschuss „Digitale Agenda“ sieht Thomas Jarzombek in der Digitalisierung der Schulen eine wesentliche Aufgabe von Bund, Ländern und Schulen. Ein Interview.
Herr Jarzombek, welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Schulzeit und an ihre Lehrerinnen und Lehrer?
Thomas Jarzombek: „Nur gute Erinnerungen. Ich war ein toller Schüler – vorbildlich. Die Lehrerinnen und Lehrer hätten sich natürlich noch mehr anstrengen können, um mich noch mehr zu motivieren.“ (Er lacht.)
Was waren Ihre Lieblingsfächer?
Thomas Jarzombek: „Das, was ich gerade mit einem Augenzwingern gesagt habe, gilt natürlich für die Fächer, in denen ich sehr motiviert und gut war. Alles, was mit Computern zu tun hatte, faszinierte mich. Auch in den Naturwissenschaften, in Mathe und Physik lagen meine Stärken. In den anderen Fächer ging es so.“
Sprechen wir über Politik: Der Bundestag hat den Antrag zur Digitalen Bildung am Anfang des Sommers angenommen. Warum wird das Thema Digitale Bildung erst jetzt im Bundestag heiß diskutiert?
Thomas Jarzombek: „Weil Bildungsthemen Länderthemen sind. Wir stellen fest, dass beim Thema Digitale Bildung die meisten Weichen in den Ländern gestellt oder eben nicht gestellt werden. Aus diesem Grund ist meiner Meinung nach eine der wichtigsten Forderungen unseres Antrags, dass die Länder gemeinsam einen Standard für Digitale Bildung definieren.“
Was wird sich durch den Antrag ändern?
Thomas Jarzombek: „Der nächste Schritt ist es, Menschen zu überzeugen: Digitales in der Bildung ist kein Schnickschnack, sondern eine wesentliche Aufgabe. Ich glaube, wir haben schon zu viel Zeit verloren. Wir stehen vor einem Henne-Ei-Problem: Die Kommunen sind zuständig für die Hardwareausstattung. Sie fragen sich: ,Warum sollten wir in Hardware investieren, wenn es keine Lernprogramme gibt und die Lehrer nicht qualifiziert sind?‘ Umgekehrt sagen die Länder aber: ,Warum sollen wir die Lehrer ausbilden, wenn es an der Basis keine Hardware gibt?‘ Der nächste Schritt muss also sein, aus diesem Teufelkreis auszubrechen.“
Und was kann die Aufgabe des Bundes sein?
Thomas Jarzombek: „Die Aufgabe des Bundes kann sein, Anreize zu schaffen, z.B. durch eine Finanzierungshilfe. In der letzten Periode hatten wir die Enquete-Kommission ,Internet und digitale Gesellschaft’. Hier haben sich die Abgeordneten aller Fraktionen einvernehmlich darauf verständigt, jedem Schüler bzw. jeder Schülerin einen Laptop oder ein Tablet zur Verfügung zu stellen. Damit soll das Henne-Ei-Problem gelöst und Druck auf das System ausgeübt werden. Denn wenn es staatlich geförderte Geräte gibt, kann sich keiner mehr verstecken. Dann müssen alle ran an die Technik.“
Warum sollte es anders laufen, als beim letzten Mal, als den Schulen Whiteboards gestellt worden sind, diese aber nicht genutzt wurden?
Thomas Jarzombek: „Man muss es positiv sehen. Es gibt jetzt engagierte Politiker. Sie haben es geschafft, das Thema auf die Tagesordnung zu setzen und damit ein Bewusstsein herbeizuführen. Es kann keiner versprechen, dass das Ganze nun ohne Probleme funktioniert. Aber diese Maßnahme ist ein weiterer Schritt auf dem richtigen Weg. Wobei ich gestehen muss, ich bin nicht zu optimistisch. Ich fürchte, es wird noch lange dauern, bis wir eine super Lösung präsentieren können.“
Welche Unterstützung gibt es konkret für Lehrerinnen und Lehrer, um den digitalen Wandel voranzutreiben?
Thomas Jarzombek: „Ich erlebe schon viele Lehrerinnen und Lehrer, die sehr fit sind. Jüngst zeigte eine Studie, dass die IT-Kompetenz bei Lehrerinnen und Lehrer überdurchschnittlich ist – auch im Vergleich zu anderen Berufsgruppen.
Ich glaube, dass sich keiner mehr zurücklehnen und darauf warten kann, dass der Staat alles serviert. IT funktioniert heute nicht mehr so, wie es Lehrerinnen und Lehrer bisher kannten. Es gibt keine Seminare, in denen man mit Wissen für die nächsten zehn Jahre ausgestattet wird. Die technische Entwicklung ist so schnell, dass man alle drei Monate vor einer Innovation steht. Das kann keine Landesbehörde in einem klassischen Seminarangebot abbilden. Lehrkräfte müssen lernen, mit den sozialen Phänomenen der Schülerwelt wie WhatsApp umzugehen. In Zukunft müssen sich Lehrende verstärkt in Gruppen zu bestimmten Themen und Erfahrungen austauschen.“
Und wo kann jeder Einzelne ansetzen, um sich fortzubilden?
Thomas Jarzombek: „Wie Menschen in anderen Berufen, müssen auch Lehrkräfte die Eigeninitiative ergreifen. Wenn wir den Kindern und Jugendlichen beibringen wollen, dass das Internet eine große Wissensressource ist, dann müssen auch wir Erwachsenen diese nutzen. Und das Wichtigste ist: Wir müssen uns bewusst machen, dass man manche Phänomene nicht mehr nur theoretisch begreifen kann. Wer selbst keinen Facebook-Account hat, der wird nicht verstehen, was Facebook ist. Und wer kein WhatsApp benutzt, wird nie wissen, wie das funktioniert. Wir müssen die Innovationen selbst erfahren.“
Wie verändern sich die Schule und das Lernen zurzeit?
Thomas Jarzombek: „Das Wissen, das man sich heute aneignet, ist eine Wissensinfrastruktur. Man errichtet Schränke mit einem System in seinem Gehirn. Die Schubladen des Schranks müssen immer wieder neu befüllt werde. Das ist etwas, was Lehrerinnen und Lehrer ihren Schülerinnen und Schülern beibringen müssen.
Als zweiten Effekt sehe ich, dass Schulen schon seit vielen Jahren immer mehr die Erziehungsarbeit übernehmen. Es gibt viele alleinerziehende oder beruflich stark eingespannte Eltern. Damit steht die Schule vor neuen Anforderungen.
Außerdem ist Schule heute ein Ort der Integration. Das sehen wir besonders durch die Flüchtlingsthematik. Integrationsarbeit halte ich für etwas Maßgebliches an der Schule.“
Wie sieht die Schule von morgen aus?
Thomas Jarzombek: „Digital, aber nicht virtuell. Ich glaube, dass man weiterhin an einen physischen Ort kommt, miteinander arbeitet und kommuniziert. Aber ich sehe jeden Schüler und jede Schülerin mit einem eigenen elektronischen Gerät arbeiten. Lehrerinnen und Lehrer sind auch nach der klassischen Unterrichtzeit erreichbar. Peer-to-Peer-Learning wird immer wichtiger. Außerdem wird man viel stärker auf Wissensressourcen aus dem Ausland und dem privaten Bereich zugreifen und nicht mehr nur auf das klassische Lernmaterial. Das werden wir hoffentlich bald erleben.“
Vielen Dank für das Interview!
Titelbild: Thomas Jarzombek © Tobias Koch
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