Klage einer Mutter scheitert: Kein Anspruch auf Ethikunterricht
Meinung: Warum sollen Kinder ohne konfessionellen Hintergrund schlechter in Sachen moralischer Bildung versorgt werden als ihre konfessionellen Mitschülerinnen und Mitschüler? Eine Frage, die sicher viele bewegt, aber so weit wie eine Mutter aus Baden-Württemberg ist dafür noch keiner gegangen. Die dreifache Mutter zog für den grundgesetzlichen Anspruch auf die Einführung des Ethikunterrichts für ihre konfessionslosen Kinder vor Gericht ‒ bisher ohne Erfolg.
Gestaltungsfreiheit mit Grenzen?
Im Gegensatz zu dem Fach Religion ist Ethik nicht durch das Grundgesetz vorgeschrieben. Somit liege laut Richterspruch kein Gleichheitsverstoß vor und der Staat könne in dieser Frage frei entscheiden, d.h. ihm obliegt eine Gestaltungsfreiheit bei der Einrichtung von Schulfächern. Des Weiteren urteilten die Richter des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig, dass das Grundgesetz Religionsgemeinschaften im Besonderen schütze und wiesen die Klage der Mutter ab, die darin das Fach Ethik als Alternative zum Religionsunterricht ab der ersten Klasse einforderte.
Kauderwelsch
Wie so oft in Sachen Bildungsfragen können auch bei dieser keine pauschalen, für Gesamtdeutschland zutreffenden Urteile gefällt werden. Denn wie in Sachen G8/G9, Zentralabitur, Ganztagsschulen, Grund- und Leistungskursen etc. handhabt auch die Frage um den Ethikunterricht jedes Bundesland anders. Kann man in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen bereits ab der ersten Klasse zwischen Ethik und Religion wählen, wird das Fach Ethik in Baden-Württemberg erst ab der siebten oder achten Klasse, schulformabhängig, angeboten und gilt dann als Ersatzfach. In Hamburg ist nur der Religionsunterricht in der Grundschule verpflichtend, ab der 7. Klasse kann man dann wählen, ob man weiter daran teilnimmt, oder Philosophie ‒ als Wahlpflichtfach ‒ belegen möchte. In Bremen wird eine Art Zwischenlösung angeboten: das Fach der unbekennenden „Biblischen Geschichte”. Berlin hingegen handhabt es ganz anders, hier ist das Fach Religion freiwillig zu belegen und Ethik von der 7. bis zur 10. Klasse verpflichtend.
Privilegien und Kosten vor Neutralität?
Laut Zeit liegt „die Wurzel“ bei den „Privilegien der Kirche“ begraben. Hier wird sinnvoll damit argumentiert, die Privilegien der Kirche ad acta zu legen, ohne auf deren Erfahrungswert verzichten zu wollen. Denn keiner wird in Frage stellen, Wertevermittlung und religiöse Bildung als gerechtfertigten Bestandteil der Lehrpläne beizubehalten. Fakt ist aber, dass beide Fächer ‒ Religion ebenso wie Ethik ‒ diese Inhalte vermitteln, nur bildet im Religionsunterricht immer eine konfessionelle Ausrichtung die Basis jener Lerninhalte, die im Ethikunterricht nichts zu suchen hat, die Aufklärung darüber aber unumgänglicher Bildungsbestandteil ist.
Vor diesem Zweigestirn, bei dem eines entwicklungsblind die Oberhand behält, macht sich aber seit Jahren die Tatsache breit, dass die Anzahl der konfessionslosen Schülerinnen und Schüler stetig wächst und die Schulen darauf zu reagieren haben. Eine Forderung, die, so zeigt es das Urteil, nicht überall Gehör zu finden scheint.
Auch die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Baden-Württemberg Doro Moritz kann die Entscheidung über die Negierung des Anspruchs auf Ethikunterricht ab der Primarstufe nicht nachvollziehen. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk bringt sie klar zum Ausdruck, dass die Ursache für dieses Urteil allein auf Kostengründe zurückzuführen sei.
Langer Atem
Wenn über 30 Prozent (Angabe Moritz im Deutschlandfunk) der heutigen Schülerinnen und Schüler konfessionslos aufwächst und in diesem Trend womöglich keine Wendung zu erwarten ist, sollte es Aufgabe des Staates sein, einer neutralen Wertevermittlung den Weg zu bereiten. Mit jenem Urteil, wie dem vorgezeigten, legt es diesem notwendigen Bildungsbaustein jedoch nur Steine in den Weg.
Die 42-jährige Klägerin kündigte nach der Urteilsverkündung an, vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ziehen zu wollen.
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