Rezension: Routenplaner #digitale Bildung

Fünf Pädagogen haben sich zusammengetan und ein analoges Buch über ein digitales Thema veröffentlicht. Klingt paradox, hat aber gute Gründe …

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Sie wollen zeigen, dass die digitale Bildung kein Mittel zum Selbstzweck ist: Bildung mithilfe digitaler Medien ist weder Teufel noch Heilsbringer. Um eine kritische, vielseitige Auseinandersetzung mit der Digitalisierung in Bildungseinrichtungen anzuregen, haben die fünf Autoren auf gut 280 Seiten insgesamt 32 Essays als Routenplaner #digitale Bildung veröffentlicht. Die Autoren sind Axel Krommer, Martin Lindner, Dejan Mihaijlović, Jöran Muuß-Merholz und Philippe Wampfler, weitere Texte kommen von Lisa Rosa und Kathrin Passig. Alle Autorinnen und Autoren haben einen pädagogischen Hintergrund, sind Lehrende, Forschende oder haben Lehrstühle an Hochschulen inne. Die 32 Essays wurden bereits online veröffentlicht und für diese Neuveröffentlichung teilweise aktualisiert, gekürzt oder angepasst.

Netzdiskurs im Hardcover-Format

Die Autoren führen mit diesem Buch fort, worüber sie seit einigen Jahren schon auf Twitter oder in Blogs diskutieren: So fordert Deutschlehrer und Digitalexperte Philippe Wampfler etwa, dass es natürlich einen guten Datenschutz für Lehrende und Lernende an Schulen geben sollte. Aber unrealistische Forderungen an die Lehrkräfte, die Fort-Knox-ähnliche Rechner vorweisen sollen, seien hinderlich, um die Arbeit mit digitalen Medien überhaupt in der Schule zu ermöglichen. Daher warnt er u. a. vor Datenschutzrenitenz in der Schule.

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Weitere Beiträge beschreiben die Partizipationsmöglichkeiten von jungen Menschen an politischen Diskursen durch das Netz (Dejan Mihaijlović), fordern eine kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff digitale Medien und welchen „Mehrwert“ sich Schulen und Lehrende davon für den Unterricht erhoffen können (Axel Krommer) oder wie sich Schule, der Wissenserwerb und das Verständnis von Fakten und Zusammenhängen durch das Digitale verändern (Lisa Rosa).

Warum braucht es ein Buch, wenn es bereits Online-Texte gibt?

Die Autoren beschreiben ihre Haltung zur Digitalisierung der Bildung als kritisch, aber aufgeschlossen. Das wird durch ihre zahlreichen Texte und Blogposts deutlich, die sie in diesem Buch zusammengetragen haben. Das Problem sei jedoch, so die Autoren im Vorwort, dass andere Lehrkräfte, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das gedruckte Wort ernster nähmen als Online-Texte. Damit hätten die eigenen Texte der Autorinnen und Autoren in der Diskussion über digitale Bildung nicht den gleichen Stellenwert, wie solche, die sich (überwiegend in Buchform) negativ über eine digitale Bildung äußerten. Mit dem Routenplaner #digitale Bildung möchten sie ein Gegengewicht darstellen und den vielen Warnungen vor der Digitalisierung etwas Positives entgegensetzen. Daher haben sie ihre Online-Texte abgedruckt und den Netzdiskurs in die analoge Sphäre erweitert.

Der Essayband der fünf Pädagogen Krommer, Lindner, Mihajlović, Muuß-Merholz und Wampfler dient als Orientierungshilfe für alle, die verstehen wollen, was die Herausforderungen und Chancen sind, die eine Bildung mit digitalen Inhalten und Ausdrucksformen mit sich bringt.

Kritik an der Digitalisierungseuphorie

Doch die Autoren sehen nicht alles positiv: Die Vorhaben der Bundesregierung zur Digitalisierung der Bildung griffen nach Meinung der Autorinnen und Autoren zu kurz. Zu vorsichtig und zu oberflächlich seien die Umsetzungen in den Ländern. Viele der gut 30 Essays wirken daher eher resigniert ob der Digitaleuphorie des Bundes, obwohl die Lehrkräfte und „Bildungsinfluencer“ selbst aktive Internetpersönlichkeiten sind. Sie sind (noch) nicht überzeugt – und das sagen sie auch deutlich. 

Fazit: Das Buch hält
(nicht komplett), was es verspricht

Das einzige Manko des Buchs ist, dass der Routenplaner nicht das tut, was im Titel angekündigt wird: Eine Route vorschlagen, die Pädagoginnen und Pädagogen hilft, die digitalen Ergänzungen des Unterrichts proaktiv und optimistisch oder wenigstens gut gerüstet mit hilfreichen Tipps anzugehen.

Zwar gibt das Buch immer wieder Hinweise, welche Chancen sich etwa durch Adaptive Learning (Jöran Muuß-Merholz) im Unterricht ergeben, um individuelle Lernpfade zu begleiten. Aber leider wird nicht konkret vorgeschlagen, wie man als Lehrkraft selbst vorgehen kann, um herauszufinden, ob computergestützte Binnendifferenzierung im eigenen Fachunterricht machbar und sinnvoll ist.

Das ist schade, denn durch ihre eigene langjährige Erfahrung mit einer, wie sie es nennen, „zeitgemäßen Bildung“ und mit ihrem Netzwerk an inspirierenden Lehrpersönlichkeiten hätte das sicherlich leicht gelingen können. Es ist richtig und verständlich, kritisch zu sein, aber mit mehr konkreten Lösungsvorschlägen wäre der Routenplaner noch nachhaltiger geworden.

Informationen zum Buch

Routenplaner-digitale-Bildung_Buchcover

Das Buch „Routenplaner #digitale Bildung: Auf dem Weg zu zeitgemäßem Lernen. Eine Orientierungshilfe im digitalen Wandel.“ von Axel Krommer, Martin Lindner, Dejan Mihaijlović, Jöran Muuß-Merholz und Philippe Wampfler ist am 10. September 2019 bei ZLL 21 erschienen. Weitere Informationen erhalten Sie unter https://routenplaner-digitale-bildung.de/

Titelbild: ©ZLL21 Buchcover / zugeschnitten von sofatutor