„Bei technischen Problemen: Einatmen, ausatmen!“

Bei Malte Strang übernehmen Schüler*innen viel Verantwortung im Unterricht. Sie entscheiden sogar, wie sie bewertet werden.

So klappt's mit dem Lernen – jetzt im Video anschauen!

Steckbrief

Name: Malte Strang
Schule: Gymnasium Harsewinkel
Fächer: Englisch, Philosophie
Die Schüler*innen von heute … … tun mir echt leid. (Aber nicht immer.)
Die Schule von morgen … wird gar nicht so anders sein, als viele das heute denken.
Ich werde nie vergessen, wie … eine Willkommensschülerin, die zu Fuß aus Syrien geflüchtet ist, mich nach einem Lehrkräftewechsel auf dem Schulhof ansprach: „Why you not teach us anymore? We love you!“ Das hat mich auf den Boden zurückgebracht.
Blog: https://neugierologie.org


Malte, du hast das Lernkonzept KOSIMA entwickelt. Wofür stehen die Buchstaben?

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Malte Strang:Kooperieren – Organisieren – Selbstständig arbeiten – Interessen folgen – Miteinander – Aktiv sein.“

Und was bedeutet das für den Unterricht?

Malte Strang: „KOSIMA war ein Experiment, bei dem es darum ging, die Verantwortung der Lernenden so weit wie möglich zu fassen. Ich hatte damals einen Philosophiekurs mit sechs Schüler*innen und dieses Konzept entwickelt, das neben der Wahl des Themas auch die Entscheidung über Erarbeitungsformen, Zuständigkeit, Kommunikation, Präsentation und Bewertung einschloss. Hinter allem stand der Gedanke, die gebrochene Beziehung der Lernenden zur Schule und Lehrenden durch Selbstentfaltung zu ,heilen‘. Es entstand sogar ein Film zu diesem Projekt.“

Am Anfang des Films zeigst du Zeitungsartikel, die sich um das Thema Burnout bei Lehrkräften und Überforderung bei Schüler*innen drehen. War es dein Anreiz, ein Konzept zu entwickeln, das hier Abhilfe schafft?

Malte Strang: „Bestimmt war das ein unbewusstes Motiv. Nach zahllosen Erfahrungen glaube ich mittlerweile, dass im gegenwärtigen Rahmen jede Form der Bemühung, etwas anders zu machen, zwangsläufig wirkungslos bleiben muss. Das hat damit zu tun, dass es sich bei unseren Schulen um ein Problem ‚Zweiter Ordnung‘ handelt. Der Begriff kommt aus der Lösungsorientierten Therapie und bezeichnet einen Zustand, bei dem die ursprüngliche Lösung zum Problem geworden und ein Überschreiten des bisherigen Denkens notwendig ist.“

Du hast während des Projekts mit digitalen Medien gearbeitet. Auf dem Lehrerkongress #excitingEDU hast du den Workshop „Digitale Medien – ein Selbstläufer?” angeboten. Wie lautet deine Antwort?

Malte Strang: „Das war eine rhetorische Frage. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die meinen, dass die ‚Digitalisierung‘ alle Probleme des Schulsystems lösen wird. Ganz im Gegenteil: Man kann davon ausgehen, dass Frau Wankas fünf Milliarden die bestehenden Probleme eher verschärfen werden. Infrastruktur ohne kreativen Sprung im Denken: Was soll das? Mir scheint die ‚schulische Krise‘ eher Ausdruck einer gesamtgesellschaftlichen Krise zu sein – der des Menschen auf der Suche nach Sinn. Leute wie Erich Fromm und Viktor Frankl haben das schon vor über 60 Jahren festgestellt. Sicher könnte das Lernen mit digitalen Medien einen Beitrag zur Lösung des ,Meta‘-Problems leisten. Aber solange wir in allen Bereichen weiter funktionalisieren, bewerten und maximieren, wird sich meines Erachtens nichts Grundlegendes ändern.“

Du hattest an deiner Schule das Glück, das Projekt mit einer kleinen Gruppe Lernenden durchzuführen. Inwieweit müsste sich das Bildungssystem verändern, dass solche Projekte auch an anderen Schulen umgesetzt werden könnten?

Malte Strang: „Darüber sollte sich eine Konferenz aus Lehrkräften, Wissenschaftler*innen, Politiker*innen sowie Unterhändler*innen wirklich mal Gedanken machen! Das Wichtigste sind eine wertschätzende Atmosphäre und ein verantwortungsvoller Rahmen. Kinder müssen sich als Teil der Welt erleben können. Ob das allerdings top-down möglich ist, da bin ich sehr skeptisch. Der einzige Weg wäre wahrscheinlich bottom-up, wie es ja auch an manchen Nicht-Mainstream-Schulen gemacht wird.“

Wie setzen Sie die digitalen Medien in deinem regulären Unterricht ein?

Malte Strang: „Zur Kommunikation und Recherche beim Lernprozess und der Erstellung von Lernprodukten. In Zukunft würde mich auch ihr Potenzial als Feedback- und Bewertungstool reizen.“

Was raten Sie Lehrer*innen, die digitale Medien in Ihrem Unterricht einsetzen möchten?

Malte Strang: „Ignoriert die Ignoranten! Und bei technischen Problemen: Einatmen, ausatmen …“ (lacht)



Hier geht es zu den weiteren „Lehrkraft der Woche“-Interviews!



Titelbild: © Malte Strang/sofatutor.com