Frau Ella: „Im Referendariat läuft alles falsch“
Sie wurde Lehrerin. Dann hat Frau Ella dem Schulsystem den Rücken gekehrt. Im Interview erzählt sie von ihrer „Lehrerausbildung-nach-Studium-Hölle“.
Liebe Frau Ella, in deinem Blog Frau Ella wird Lehrerin hast du viel über dein Referendariat geschrieben. Dann hast du dich entschieden, einen anderen Weg einzuschlagen. Warum?
Steckbrief
Name: Frau Ella
Schule: irgendwo in Niedersachsen
Fächer: Deutsch und Politik
Die Schülerinnen und Schüler von heute … bringen mich immer wieder zum Staunen.
Die Schule von morgen … wird leider immer eine Utopie bleiben.
Ich werde nie vergessen, wie … sehr ich meinen Beruf liebe.
Frau Ella: „Zunächst habe ich zwei Jahre lang versucht, mich auf Planstellen zu bewerben. Was ich in den Vorstellungsgesprächen erlebt habe, spiegelte meine Erfahrungen aus dem Referendariat wider. In meiner Schulzeit bin ich gerne zur Schule gegangen. Das hat sich im Referendariat um 180 Grad gedreht. Schlussendlich hatte ich dann kurzzeitig eine Planstelle, die ich gekündigt habe. Ich habe da erst verstanden, dass ich mit dem Schulsystem abgeschlossen habe. Wohl auch, weil ich kurz vorher selbstständig war. In der Selbstständigkeit habe ich gemerkt, dass ein respektvoller Umgang in Arbeitsverhältnissen eine Selbstverständlichkeit sein kann. Nach der Kündigung stand ich kurz davor, meine eigene Sprachschule zu eröffnen. Ein absolutes Herzensprojekt. Bis dann ein Traumangebot auf meinen Tisch flatterte. Jetzt bin ich angekommen und gehe ausnahmslos jeden Tag überaus motiviert zur Arbeit. Und wer weiß, vielleicht werde ich ja doch noch irgendwann Teilhaberin einer Sprachschule.“
Du beschreibst das Referendariat als „Lehrerausbildung-nach-Studium-Hölle“. Was genau läuft deiner Meinung nach im Referendariat falsch?
Frau Ella: „Meiner Ansicht nach alles. Vereinzelt höre ich, dass das Referendariat ganz toll sein kann. Es freut mich, dass das fallweise so zu sein scheint. Der überwiegende Tenor ist aber der, dass es als überaus negativ und teilweise menschenverachtend wahrgenommen wird.
Nach meistens fünf Jahren Studium und als erwachsener Mensch kommt man an die Studienseminare und wird menschlich zurückgestuft auf die Zeit im Kindergarten. Schön war eine Aussage meines Ausbilders zu dem Problem: ‚Ich kann ja auch nichts machen. Das liegt alles im System begründet.‘ Dass er das System ist, hat er erfolgreich verdrängt. Andere Studierende haben nach erfolgreich abgeschlossenem Studium die Möglichkeit, als vollwertiges Mitglied in die Arbeitswelt einzusteigen. Lehrerinnen und Lehrern müssen nochmal 1,5 Jahre Ausbildung anhängen. Und das mit intransparenten und egomanischen Ausbilderinnen und Ausbildern. Natürlich würde jede Seminarleitung vehement leugnen, dass die Arbeit bei ihnen intransparent verläuft.“
Wie geht es danach weiter?
Frau Ella: „Am Ende erfolgt die Prüfung durch die Ausbilderinnen und Ausbilder, die einen durch das Referendariat begleitet haben. In der freien Wirtschaft undenkbar. Die Prüfungskommission, vor die man dort tritt, ist dem Prüfling unbekannt. Nur in diesem Fall kann man von fairen Bedingungen sprechen. Wer es wagt, im Referendariat andere Ansichten als der Ausbilder oder die Ausbilderin zu haben, bekommt am Ende die Quittung.
Außerdem unterliegen die Ausbilderinnen und Ausbilder im Referendariat keiner Qualitätskontrolle. Weder durch eine zwingende – anonyme, am besten online-basierte – Evaluation seitens der Referendarinnen und Referendare, noch durch externe Aufsichten.
Meiner Ansicht nach sollte das Studium ausreichend sein, um anschließend als vollwertiger Lehrerin bzw. Lehrer arbeiten zu dürfen. Dafür müssten natürlich mehr Praxisanteile integriert und das Studium eventuell um eine kurze Zeitspanne verlängert werden, aber das wäre in meinen Augen gewinnbringender. Im Studium hatte ich um Längen bessere Ausbilderinnen und Ausbilder in Didaktik und Methodik als sie mir am System Schule jemals über den Weg gelaufen sind.“
Hast du Tipps für Referendarinnen und Referendare, denen es in ihrem Referendariat nicht besonders gut geht?
Frau Ella: „Das ist schwierig. Ich erlebe auch bei anderen, wie gnadenlos das Referendariat ist. Jeder geht damit anders um. Ich hatte einen Plan B im Hinterkopf und habe mir gesagt: ‚Solange mir hier niemand schriftlich gibt, dass ich nicht geeignet bin, gehe ich nicht.‘ Denn das Unterrichten an sich hat mir großen Spaß gemacht.
Es gibt die Möglichkeit, sich für einen begrenzten Zeitraum krankschreiben zu lassen. Das wird aber teilweise als Schwäche ausgelegt oder auch als Unkollegialität. ‚Sind Sie wirklich so krank, dass jemand anders Ihre Arbeit machen muss?‘ sind Sätze, die man in solchen Situationen zu hören bekommt.
Bis zu einem bestimmten Zeitpunkt im Referendariat kann man auch eine Unterbrechung beantragen. Das Problem hierbei ist, dass man irgendwann wieder ins Referendariat einsteigt und weitermacht, wo man aufgehört hat. Ich stelle es mir schwierig vor, dann voranzukommen. Gleichwohl ist es eine Möglichkeit für diejenigen, die abwägen müssen, ob der Lehrerberuf der richtige ist.“
Du wusstest irgendwann, dass du nicht als „klassische“ Lehrerin arbeiten möchtest. Auf welche Jobmöglichkeiten für Lehrerinnen und Lehrer bist du gestoßen?
Frau Ella: „Um es ganz klar zu sagen: so gut wie keine. Ich dachte während des Studiums , dass ich zwei vollwertige Fächer studiere und die pädagogischen Inhalte quasi ein Plus seien. Das Gegenteil ist der Fall. Das Lehramtsstudium wird oftmals nicht als vollwertiges Studium wahrgenommen. Vielleicht gibt es da auch einen Unterschied zwischen Gesellschafts- und Naturwissenschaften. Meiner Erfahrung nach ist der Markt für Lehrerinnen und Lehrer, die nicht an staatliche Schulen wollen, denkbar schlecht. Wer sich unsicher ist, ob er an die Schule gehen möchte, sollte während des Studiums Praktika machen. Am Anfang in interessante Bereiche reinschnuppern und sich dann einen Schwerpunkt setzen. Ich denke, das hilft enorm. Was dagegen nicht sonderlich hilft, sind Auslandserfahrungen. Davon habe ich genug. Gebracht hat es nichts.
Am ehesten kommt man an Privatschulen unter oder eben als freiberuflich Tätiger, z. B. im Bereich Nachhilfe oder Sprachunterricht. Allerdings sind die Verdienstaussichten traurig.“
Was vermisst du an deiner Lehrtätigkeit an einer Schule und was nicht?
Frau Ella: „Ehrlich gesagt, vermisse ich gar nichts. Ich unterrichte ja immer noch. Ich bin aber froh, dass ich nicht mehr mit Menschen zu tun habe, die abwertend über Schülerinnen und Schüler sprechen. Ich vermisse auch nicht das ‚Hauen und Stechen‘ um Funktionsstellen. Vor allem vermisse ich nicht den respektlosen Umgang mit Lehrerinnen und Lehrern seitens Politik, Behörden und Teilen der Elternschaft.“
Was würdest du Lehrerinnen und Lehrern bzw. Referendarinnen und Referendaren raten, die merken, dass sie den Lehrberuf nicht (mehr) ausführen wollen?
Frau Ella: „Macht Praktika. Bewerbt euch. Auch in anderen Bundesländern bzw. Ländern. Seid mutig. Findet neue Wege. Verfolgt euren Traum, auch entgegen negativer Kommentare aus dem Umfeld. Und wenn ihr noch nicht wisst, wie dieser Traum aussieht: Nehmt euch eine Auszeit.“
Titelbild: © sofatutor.com
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Mir ging es auch sehr schlecht im Ref.
Ich war mit groteskem Fehlverhalten von Vorgesetzten mitten im Lehrerzimmer konfrontiert, wurde von der Seminarlehrerin (die zufällig Ehefrau eines hohen MBs war) zu einem „Gespräch“ in eine Außenstelle des Ministeriums komplementiert, wo ich übelst bedroht wurde und man mir mit „Existenzzerstörung“ gedroht hat, wenn ich entsprechende Grenzüberschreitungen nicht allumfassend gefallen lassen würde.
Aber zu diesem Zeitpunkt war es eh schon egal. In der Lehrprobenbewertung waren absurde Lügen über die gehaltene Stunde gestanden, die dermaßen offensichtlich erfunden waren, dass es schon wehtun muss.
Einer der dadaeskesten Elemente meiner Notenbegründung war, dass MAn kritisiert hat, dass ich das Spiel zu Stundenbeginn im Lehrprobenentwurf als „Puzzle“ bezeichnet hätte, obwohl es in Wahrheit ein „Memory“ gewesen sei. Ich habe lange vor der offiziellen Definition des Wortes „Puzzle“ gesessen und bis heute nicht kapiert, wieso diese Definition nicht passen soll. Auch die Rechtsabteilung der Lehrergewerkschaft hat Schnappatmung bekommen, als ich ihnen dieses Pamphlet vorgestellt habe.
Zu allem Überfluss hat dann der Schulleiter zunächst noch behauptet, dass es partout nicht möglich sei, dass ich das Protokoll meiner Lehrprobenstunde überhaupt einsehen könne. NAchdem ich ihm mit dem Anwalt gedroht hatte, hat er mir eine Kopie eines Schreibens zukommen lassen, das er an seinen Vorgesetzten geschrieben hat, in dem erunverschämte Behauptungen aufgestellt hat.
Man wollte mich auch von Seiten der Schulleitung gegenüber dem Ministerium unbedingt in die Ecke des unentschlossenen Trottels stellen, der ja gar nicht wisse, was er nun wolle, obwohl ich von Anfang an klar und unmissverständlich gesagt habe, dass ich Einsicht nehmen und widersprechen will.
MEin Anwalt hat mir jedenfalls geraten, mich nicht weiter mit diesem Irrsinn zu befassen, weil er meinte, dass man bei unserem BEamtensystem leider auf lange Sicht immer verliere.
Diese machtgeilen und oft psychisch stark „belasteten“ Roboter scheinen richtig für diese Aufgabe herangezüchtet worden zu sein. Was ich aber keinem dieser VErbrecher jemals durchgehen lassen werde, ist die Tatsache, dass sie den kriminellen Handlungen wie die Hühner auf der Stange amüsiert oder zumindest interessiert zuschauen und allesamt den Mund halten, weil sie froh sind, dass sie selber ein Stück weit von der „Abschussliste“ weggerückt sind.
Wer sich da noch über die aktuellen Verwerfungen in unserem Staat wundert, dem kann man wirklich nicht mehr helfen.
Bei mir hat es leider am Ende kein Happy End gegeben.
Hallo, ich würde gerne dazu sagen, dass die Ganztagsschule eine Arbeitsmöglichkeit ist. Ich habe ein halbes Jahr an einer Ganztagsgrundschule gearbeitet (als pädagogische Ergänzungskraft, halbe Stelle) und es hat mir gut gefallen. Man ist näher am Kind und man kann einige Ideen und pädagogische Konzepte einsetzen, kommt aber auch viel auf das Team an.
GRüße,
Anne
Ich bin nach 10 Jahren Berufserfahrung als Ingenieur und Projektleiter in diese Referendariats-Crash-Ausbildung gekommen (man suchte mal wieder ganz ganz schnell und völlig unvorhersehbar neue Lehrer). Es war einerseits pädagogisch/didaktisch sehr schwer da ich kein pädagogisches Studium hatte andererseits fachlich einfach, dem Fachleiter nahe zu bringen, dass er keine Ahnung hätte. Man muss das Kunststück hinbekommen, dass die Schüler etwas „modernes“ in der Stunde lernen was der Fachleiter mit seinen kurzen Besuchen und seiner Ausbildung aus der mittleren Steinzeit schon länger inhaltlich nicht mehr versteht.
Dann erst gibt es ein Analysegespräch auf Augenhöhe, immer nach dem Motto „pädagaogisch mache ich etwas besser“ und „fachlich“ muss der Fachleiter erst mal seine Hausaufgaben machen bevor er die Stunde wirklich beurteilen kann (Das schafft er dann natürlich nie). Erst mit diesem ständigen Armdrücken konnte man ernsthaft argumentieren. Danach konnte ich mich dann in 1-2 pädagogische Theorien, die auch empirisch überprüft sind (da gibt es ja kaum welche) vertiefen und den Fachleiter auch da überholen.
Es war eine unglaublich anstrengende Zeit, dennoch mit Unkündbarkeit, keinerlei existenzielle Sorgen und dem wichtigsten und meist auch motivierendsten Beruf der Welt belohnt, also gleicht sich das nach dem Ref wieder aus.
Der Artikel ist von persönlichen Erlebnissen geprägt. Tatsache ist aber auch, dass viele Lehramtsanwärter seit 30 Jahren feststellen, dass das Studium eben nicht auf die Unterrichtstätigkeit gut vorbereitet, im Gegenteil. Das ist auch kein Wunder, da an den Universitäten Ausbilder agieren, die kaum Unterrichtserfahrung haben, sogenannte Unterrichtseunuchen. Viele Lehramtsanwärter sagen, dass das Studium verlorene Lebenszeit sei. In keinem Berufsfeld wird so berufsfern ausgebildet und das schon seit über 40 Jahren. Es hat sich substanziell nichts geändert. Die Professoren haben ja auch keinerlei Interesse daran, der Unterrichtsalltag ist ja auch schwierig, Praxis ist eben schwieriger als Theorie, aber eindeutig lukrativer und stressfreier.
Hallo zusammen-
zur Zeit befinde ich mich in einer misslichen Lage, vllt kann mir einer behilflich sein.
Meinen ersten Ausbildungsabschnitt meines Referendariates habe ich im Februar in W, Bayern begonnen (gebürtige Hessin, Erstes Staatsexamen ebenfalls in Hessen abgeschlossen).
Leider ist mir in dieser Zeit von Seiten der Seminarleitung übel-auf persönlicher Ebene- mitgespielt worden.
So wurde ich von der Seminarleiterin (Direktorin) höchstpersönlich gefragt, wie ich überhaupt das Erste Staatsexamen bestanden hätte, ob ich jemand anderen anstelle mir selbst das hätte schreiben lassen, wie ich denn überhaupt in Hessen mein Abitur bestanden hätte, usw., dass sie mich eher, wenn überhaupt als Grundschullehrerin wahrnimmt, also in keinster Weise ernst nehmen kann und dass sie ihrerseits ziemlich sicher sei, dass sie mir in meiner nächsten Lehrprobe wieder eine mangelhafte Note geben würde, weil ich mich in keinster Weise weiterentwickeln würde.
Ich empfinde jene Äußerungen stark persönlich angreifend und in keinster Weise motivierend, obwohl das gerade ein Direktor/in tun sollte, sollte er/ sie es doch besser wissen, dass sich Referendare in der Ausbildung , und damit in einer Entwicklungsphase, befinden.
Ihr Argumente finde ich auch völlig unbegründet, denn die Schüler mögen mich durch und durch und loben mich auch, dass ich sie gut unterrichten würde und sie Freude daran haben, wenn ich Geschichte oder Französisch mit ihnen durchgehe.
Die Besprechung meiner ersten Lehrprobe (Note: mangelhaft) ist mir bis heute nicht wirklich klar geworden und für mich an den Haaren herbeigezogen.
Ab September werde ich mein Referendariat (Einsatzjahr, die Stelle ist vorerst fürein halbes Jahr sicher) in B fortsetzen, jedoch möchte ich mich erkundigen,
ob eine generelle Möglichkeit besteht die Seminarschule zu wechseln? Und ob ich dafür noch die Seminarleitung an meiner Seminarschule in W informieren müsste bzw. mir hierzu eine Genehmigung für den Wechsel einholen müsste, weil ich ehrlich gesagt immer noch-selbst mit Abstand betrachtet- ziemlich erbost darüber bin, wie mit mir umgegangen worden ist?
In der Hoffnung, dass Sie mir weiterhelfen können,
Hallo,
vielen Dank für deinen Kommentar!
Unseren Recherchen nach gibt es nur die Möglichkeit, sich an die jetzige Studienseminarleitung zu wenden und einen Antrag auf Schulwechsel innerhalb des Studienseminars zu stellen.
Hier müssen erhebliche Gründe angegeben werden, denn normalerweise ist ein Wechsel nicht möglich.
Beim Wechsel des Studienseminars kann es sein, dass auch die Einsatzschule gewechselt werden muss, da allen Studienseminaren bestimmte Einsatzschulen zugeordnet sind.
Wir hoffen, wir konnten dir ein wenig weiterhelfen.
Viele Grüße
Katharina vom sofatutor-Magazin
Ich kann mich den Ausführungen von „Ella“ nur anschließen: Ihre Biografie ähnelt in dieser Hinsicht stark der meinen: Was mir – vor dem Referendariat erfolgreich jahrelang als freiberuflicher Dozent sowohl in der Erwachsenenbildung als auch als Nachhilfe – Coach für Schülerinnen und Schüler der Regelschule tätig gewesen, war mir der entscheidende Fakt des Refs. gar nicht bewusst und mir ging sprichwörtlich ein Licht auf: Die Regelschule ist ein BÜROKRATISCHES STAATLICHES damit oft genug LEBENSFERNES System, in welchem es nicht um erfolgreiches Arbeiten geht sondern um Hierachie, Dienstvorschriften, Ideologisierung durch ein derzeit gerade angesagtes pädagogisches Paradigma (durch das Studienseminar und die sogenannten „Ausbildungslehrer“) geht. Eine Beamtenclique bei der es nur zwei Möglichkeiten gibt: Entweder Du bekommst das Visum zur Ausreise oder Du bekommst es nicht! Und OB Du es bekommst, DAS entscheidet NICHT DEINE Leistung!!!
Das Leiden am Referendariat ist strukturbedingt: Referendare saßen 13 Jahre lang als Schüler hinten und wurden von Lehrern vorne beurteilt. Sie nahmen diese Beurteilungen in der Regel sehr ernst und lernten, dass Noten wichtig für die Zukunft und das eigene Selbstbewusstsein sind.
Im Studium sitzen die Studenten dann wieder hinten, vorne stehen jetzt Professoren. Die benoten ebenfalls, alles Weitere verläuft wie oben.
Im Referendariat nun müssen diese Ex-Schüler und Ex-Studenten nun selber vorne stehen. Nun sollen Sie vor den Schülern einen „erwachsenen Eindruck machen“, gleichzeitig aber den Fachlehrer als Halbgott der jeweiligen Fachdidaktik respektieren.
Und schon kommen sich Kind-Ich und Erwachsenen-Ich in die Quere. „Seien Sie doch mal souverän“ heißt es seitens des Fachleiters, aber wehe seine Kritik wird nicht unterwürfig akzeptiert.
Dass diese Fachleiter selbst auch keinen genialen Unterricht hinbekommen, ist meist ein offenes Geheimnis. Aber die Lehrprobe ist dann wie ein Theaterstück, bei dem nur der Fachleiter, nicht aber die Schauspieler (Schüler) das Drehbuch gelesen haben.
Es ist eine teilweise absurd inszenierte Show, die mit der Unterrichtsrealität kaum etwas zu tun hat. Das wissen Referendar, Fachleiter und Schüler! Und genau auf diese exzeptionelle Stunde hin wird der Referendar beurteilt, wird seine berufliche Zukunft begründet.
Und nochmal: Wir reden hier von Individuen, die mehr als andere in diesem Alter auf externe Beurteilungen reagieren (weil sie das nämlich bisher immer gemacht haben), und die weniger als andere in diesem Alter jemals erwachsen sein konnten.
Ihr Selbstbewusstsein hängt an wenigen Stunden, an wenigen Lehrern (bei denen man daher eher schleimt oder kuscht). – Und das macht Angst. Das beschädigt die Referendare in ihrem Selbstwertgefühl so sehr, dass noch Jahrzehnte nach den Examenslehrproben jeder Lehrer sagen kann, was in seiner Prüfung damals schief gelaufen ist und wie er sich dabei gefühlt hat.
Der verstorbene Professor Albert Illien hat Anfang der 90er Jahre im Studienseminar Hannover einen Referendarsjahrgang begleitet und dabei eine Menge wertvoller Erkenntnisse zum Problem des Referendariats gewonnen. Leider scheinen seine Untersuchungen nicht mehr archiviert zu sein.
Ich habe das Referendariat ebenfalls als Hölle erlebt. Vor allem, da ich wegen Schwangerschaft und zwei Kleinkindern das Referendariat in zwei Teilen absolvieren musste. Die Nächte der Vorbereitung waren lang und die Auswertung der Stunden voller Negativität. Sätze wie: Das ist nicht gut und das muss anderes werden und so geht das nicht, standen an der Tagesordnung. Ständig wurden meine nächtelangen Bemühungen vor meinen Augen zerfetzt und alles mies gemacht. Aber es gab nie eine Rückmeldung, wie ich es nun hätter anderes machen sollen.Igendwann erfuhr ich dann, dass man als Referendar mit Unterbruch während der Ausbildung sowieso keine Chance hat eine bessere Note als ein genügend zu erhalten. Es war so abwertend und frustrierend. Ich habe nun gerade eine zweite Ausbildung zur Heilpädagogin abgeschlossen in der Schweiz. Auch hier musste ich Sachanalysen, Stundenberichte und Leistungsnachweise schreiben. Ich erlebte zu Beginn eine solche Angst in mir, wieder alles falsch zu machen, dass ich mich fast nicht getraut habe, irgendetwas ohne Anleitung zu formulieren. Dann bekam ich meine ersten Feedbacks und diese waren so komplett anderes formuliert: wohlwollend und aufmunternd mit Tipps zum Verbessern. Das was ich hier inder Schweiz erlebt habe, war eine völlig andere Feedbackkultur. Positiv und vorwärts gerichtet. Das sollte in den Referendariaten in Deutschland ebenfalls zum Usus werden. Dann verliert es seinen Schrecken.
Als das referendariat vorbei, habe ich tief durchgeatmet und mich auf die Zeit gefreut, endlich eigener Herr im Klassenraum zu sein, den Unterricht so zu planen, wie es mir gefällt und plötzlich ging alles wie von allein. Ich bin dem Beruf treu geblieben, aber nun da ich weiss, dass es auch anders geht, fordere ich euch regelrecht auf: Fordert euch ein wohlwollendes Feedback ein. Eines das euch hilft und nicht eines das euch fertig macht. Wenn ihr möchtet, ich habe solche Feedbackformulare von meiner Ausbildung hier in Zürich noch. Die kann ich euch gern schicken.
Die Darlegungen von Frau Ella kann ich nicht bestätigen.
Ich habe mein Referendariat in Baden-Württemberg absolviert. Bei uns würde man von Unbekannten Prüfern geprüft, die einem unvoreingenommen begegnen. Außerdem finden regelmäßig Evaluationen seitens der Referendare statt, sowohl zu den Seminaren als auch zur Ausbildung an den Schulen.
Zu JEDER Zeit würde ich äußerst respektvoll behandeln. Meine Meinungen wurden gehört und teilweise umgesetzt. Regelmäßig hatte ich ein Beratungsgespräch mit meiner Mentorin und auch die Kollegen sowie die Schulleitung standen mir begleitend zur Seite. Am Schulalltag und der Schulentwicklung wurde ich beteiligt und auch an Elterngesrpächeb durfte ich jederzeit teilnehmen.
Die Gespräche nach den Besuchen waren ebenfalls sehr zielführend, transparent und unterstützend.
Ja, man muss seinen Unterricht reflektieren, aber keinesfalls zerpflücken, sondern fachlich und didaktisch durchleuchten. War der Unterricht gut, gab es auch keinen Anlass, diesen niederzumachen.
Die Lehrprobennote wurde bei uns anhand von bekannten Qualitätskriterien ausführlich begründet, ebenso die Note für das Kolloquium.
Selbstverständlich gibt es Schulen und Seminare, an denen das anders läuft. Ich habe jedoch in meinem Umfeld zu 90% Gutes gehört. Von netten Kollegen und fairen Prüfern. Das Referendariat bringt einen teilweise an die Grenzen, was auch gut ist. Schließlich sollten nur sowohl fachlich als auch didaktisch kompetente Lehrer auf Lebenszeit auf die Kinder losgelassen werden. Oftmals habe ich die Erfahrung gemacht, dass gerade diejenigen, die sich irgendwie durchs Studium gemogelt haben, im Ref die Quittung bekommen haben. Unselbstständige Vorbereitungen und mangelndes Wissen haben zu einer Überforderung geführt, die dementsprechend benotet wurde. Das hört sich hart an, aber der Lehrerberuf wird viel zu oft ergriffen und irgendwie muss ja mal gefiltert werden.
Das soll nicht heißen, dass diejenigen, denen es schlecht ergeht, inkompetent sind. Manchmal hat man wirklich Pech und wird schlecht behandelt, da kann man leider nur die Zähne zusammenbeißen, freundlich lächeln und sich seinen Teil denken.
Dennoch glaube ich, dass die meisten Probleme hausgemacht sind und sich durch etwas Einsatz und Eigeninitiative bewältigen lassen. Es reicht nicht, sich die Inhalte ab und zu man durchzulesen und sich auf die Dinge der Ausbildung zu minimieren. Es sollte reflektiert und hinterfragt werden, nur so hat das System Schule eine Zukunft.
Natürlich läuft auch hier so Manches schief. Es geht durch diverse Reformen in eine ungute Richtung, immerhin haben wir nun einen überarbeiteten Bildungsplan, der Grund zur Hoffnung gibt. Dennoch sollte der Lehrer entlastet werden, beispielsweise durch Teamteaching, dadurch würde die Qualität des Unterrichts enorm steigen! Das Bild des faulen Lehrers in der Gesellschaft ist schlichtweg unfair, wenn man bedenkt, wie viel nebenher anfällt. Leider wird man das nicht ändern können.
Ich setze auch unsere grün-schwarze Regierung und hoffe, dass sich demnächst etwas verbessert.
Ansonsten kann ich nur sagen: durchhalten, es lohnt sich. Ich kann mir keinen erfüllenderen Beruf als das Lehrerdasein vorstellen.
Diese Missstände scheinen international in etwa gleich schlimm.
Ich kann die Erfahrungen von Frau Ella leider nur bestätigen: Im Referendariat wird es nicht gerne gesehen, wenn der Referendar selbstständig handelt und seine Aufgaben eigenverantwortlich lösen möchte. Ich hatte vor dem Referendariat in einem beruflichen Fortbildungszentrum als kaufmännischer Ausbilder für kaufmännische Berufe gearbeitet. Daher war ich es gewöhnt, mit Schülern sogenannte „Entwicklungsgespräche“ zu führen, um sie auf ihrem schulischen Weg weiter zu bringen.
Im Referendariat durfte ich noch nicht einmal bei Elterngesprächen anwesend sein. Mich hat es auch sehr gestört, dass ich immer den Eindruck hatte, dass die Ausbildungslehrer, die Schulleitung und die Lehrbeauftragten am Seminar ständig in Kontakt standen und über uns Referendare gesprochen wurde, aber mit uns selbst sehr selten gesprochen wurde.
Die Beratungsgespräche nach einem Unterrichtsbesuch waren für mich die Hölle: Die Lehrbeauftragten und die Schulleitung erwarteten von uns, dass wir unsere eigenen Stunde regelrecht zerpflücken und schlecht reden sollten. Danach meinten sie dann immer: „Ach soo schlecht war ihre Stunde nun auch wieder nicht, wenn Sie das und das in der nächsten Stunde beachten, dann…!“
Ich habe dieses Verfahren stets als sehr entwürdigend empfunden. Wer in einem solchen Gespräch dem Lehrbeauftragten oder der Schulleitung widersprach, konnte sein Referendariat vergessen!!
Das Verfahren ist absolut intransparent, entwürdigend und vollkommen willkürlich!! Besonders die Benotung bei den Lehrproben waren nicht nachvollziehbar. Und das Beste: Die Benotung muss ( und darf „aus rechtlichen Gründen“) nicht begründet werden!! Und es gibt keine Kriterien, die für alle Referendare gleichermaßen gültig sind!
Ich habe mich entschlossen, an die Uni zurück zu gehen und einen anerkannten akademischen Abschluss zu machen. Denn das Staatsexamen ist außerhalb des Schulsystems keinen Pfifferling wert!