Vor der Klasse in Portugal: Erfahrungen einer Auslandslehrerin
Einmal Lehrerin oder Lehrer im Ausland sein – mit diesem Gedanken hat sicher schon der ein oder andere spekuliert. Doch die Hemmungen sind nicht gerade klein: Was erwartet mich? Sind die Schulstrukturen dort sehr verschieden? Fällt es leicht, soziale Kontakte zu knüpfen? Um dem Ganzen ein wenig näher zu kommen, haben wir mit Dr. Michaela Gemander gesprochen, Lehrerin aus Bamberg für die Fächer Deutsch und Französisch, die zweimal, von 1996-2002 in Lissabon und von 2008-2011 in Porto, als Auslandslehrerin in Portugal tätig war. An Gymnasien deutscher Auslandsschulen hat sie dort Schülerinnen und Schüler von der fünften bis zwölften Klasse unterrichtet. Wie sie dazu kam, was anders war und was sie Interessierten rät, hat sie uns in einem Interview verraten.
Wie kamen Sie persönlich dazu, im Ausland zu unterrichten?
M.Gemander: „Ich habe mich immer für das Ausland interessiert, wollte immer mal weg und da habe ich mich beim ersten Mal ganz offen beworben. Es ist so, dass man sich nicht für ein bestimmtes Land bewerben, sondern überall zugeteilt werden kann. Es ist aber möglich, eine begrenzte Anzahl an Gebieten ausschließen. Damals war ich aber offen für alles und wäre bereit gewesen, überall hinzugehen. Wenn man zum zweiten Mal ins Ausland geht, muss man eine Funktion übernehmen und kann sich dann auch etwas gezielter bewerben. Damals wusste ich dann, dass in Porto eine Stelle frei wird und habe mich gezielt darauf beworben.”
Was muss man als Lehrerin oder Lehrer tun, um an einer Auslandsschule tätig zu sein?
M.Gemander: „Man muss erst dafür befreit werden. In meinem Fall musste mich der Bayrische Staat vom Schuldienst befreien. Dabei kann es vorkommen, dass es nicht gleich klappt, vor allem bei Fächern wie Mathematik, für die in Deutschland der Lehrerbedarf sehr groß ist. Wenn man diese Freistellung dann bekommen hat, schickt man die entsprechenden Unterlagen nach Köln an die Zentralstelle für Auslandsschulwesen. Man wird in eine Kartei aufgenommen und aus dieser Kartei suchen sich dann die Leiter der Auslandschulen passende Lehrkräfte heraus, die sie eventuell einstellen wollen. Nachdem eine nähere Auswahl festgelegt wurde, kommen die Chefs dieser Auslandsschulen nach Deutschland und es werden Interviews und gegebenenfalls Einstellungsgespräche geführt.”
Was sind die Unterschiede, die Vor- und Nachteile im Vergleich zu einer deutschen Schule?
M.Gemander: „Man hat vor allem mit fremdsprachigen Schülern zu tun, denn Schüler mit deutschsprachigem Hintergrund machen nur einen sehr kleinen Prozentsatz aus. Meistens sind die Kinder schon ab dem Kindergarten an einer deutschen Schule und sollten Deutsch beherrschen, wenn sie mit der fünften Klasse auf das Gymnasium wechseln. In den meisten Fällen ist das Deutsch aber noch sehr schlecht und daraus ergibt ich de facto das Problem, dass man mit Fremdsprachlern muttersprachlichen Unterricht durchführen muss. Darauf sollte man dann reagieren und versuchen, die Schüler weiter sprachlich voran zu bringen. Das ist zum einen das Aufregende aber auch gleichzeitig das Schwierige bei der Tätigkeit an einer Auslandsschule.
Die Schüler sind aber trotzdem sehr motiviert. Wenn ich beispielsweise im Französischunterricht der achten Klasse eine Frage gestellt habe, hatte ich praktisch alle Finger oben und jeder wollte antworten und war beleidigt, wenn ein anderer vielleicht zweimal aufgerufen worden ist. In Deutschland ist es ja eher so, dass die Schüler froh sind, wenn sie ihre Ruhe haben. Ich kann das aber natürlich nur mit Portugal vergleichen.
Im Allgemeinen sind es sehr dynamische Schulen, weil Lehrer dorthin gehen, die etwas bewegen wollen, die engagiert, offen und interessiert sind. Deshalb wird auch ein größeres Engagement im Vergleich zum Inland erwartet. Und es gibt weniger Verwaltungsaufwand, der aber mittlerweile auf einem guten Weg ist, auch dort anzukommen.”
Hatten Sie besondere Erlebnisse?
M.Gemander: „Das ist schwierig, weil es eine sehr intensive Zeit voller Erlebnisse war, in der viel passiert ist. In Lissabon war es damals noch so, dass alles viel freier war als beispielsweise in Bayern. Wir haben z.B. den Lehrplan selber gestaltet, was natürlich auch mehr Zeit in Anspruch nimmt und einen als Lehrkraft auch mehr fordert.”
Was raten Sie Interessierten?
M.Gemander: „Ich würde den Leuten raten, es einfach zu versuchen, wenn sie Lust darauf haben. Man fällt dort in ein soziales Netz, das von den Lehrern der jeweiligen Schulen gespannt wird – es wird einem bei der Wohnungssuche geholfen oder bei administrativen Sachen. Es ist einfach eine gute Möglichkeit, Ausland zu erleben und dabei relativ eingebettet in eine Struktur zu sein, die es einem erlaubt, dort auch gut anzukommen. Oft haben Leute Hemmungen, mit kleinen Kindern ins Ausland zu gehen, aber wir haben die Erfahrung gemacht, dass Kinder damit sehr gut zurecht kommen. Schwierig wird es erst ab der Pubertät. Aber wenn sie kleiner sind, machen Kinder das gerne mit und lernen auch sehr schön die Sprache.
Wichtig ist noch zu wissen, dass man nicht einfach so abbrechen kann. Bei den Verträgen handelt es sich um eine Mindestlaufzeit von drei Jahren und die sollten dann auch eingehalten werden. Hat man keine stichhaltigen Gründe, warum man nach einem Jahr zurück möchte, muss man unter Umständen auch viel Geld zurück bezahlen, weil z. B. auch die Kosten für den Umzug ins Ausland übernommen werden. Aber drei Jahre sind ja fast nichts – nach dieser Zeit hat man sich eigentlich gerade erst eingewöhnt.”
Was haben sie aus der Erfahrung an der Auslandsschule mitgenommen, was Sie hier umsetzen können?
M.Gemander: „Es war eigentlich immer so, dass die deutschen Auslandsschulen ein bisschen weiter waren, als die Inlandsschulen. Sei es hinsichtlich neuer Unterrichtsmethoden oder Tendenzen im Schulwesen – vor allem hinsichtlich der Vereinheitlichung. Dadurch, dass sehr viele Lehrer aus verschiedenen Bundesländern zusammen arbeiten, hat man schon versucht, einen gemeinsamen Nenner zu finden.
Was ich persönlich mitgenommen habe, war, dass die Schüler dort sehr emotional sind, mehr den persönlichen Kontakt zum Lehrer suchen und auch stärker als Person wahrgenommen werden wollen. Wenn sie in einer Stunde vom Lehrer nicht angeschaut, angesprochen und am besten sogar angelächelt werden, fehlt ihnen etwas. Man darf sich bei ihnen nicht hauptsächlich als Vermittler von Information oder Lernstoff sehen, was den Unterricht weniger sachorientiert macht. Somit muss man auch versuchen, die Unterrichtsinhalte mit Emotionen in Verbindung zu bringen, besonders in den Sprachen, dann erhält man eine ganz andere Aufmerksamkeit. Das habe ich im Ausland ganz stark gemerkt, und es nützt mir heute auch bei meinen deutschen Schülern.
Momentan unterrichten Sie wieder in Deutschland. Haben Sie vor, nochmal als Lehrerin ins Ausland zu gehen?
M.Gemander: „Das war auf jeden Fall das letzte Mal. Man macht das auch nicht in einer Endlosschleife und es ist schon sehr selten, dass ein Lehrer drei Mal an eine Auslandsschule geht. Zumal das eine Sache ist, die man in einem gewissen Alter macht, wenn man kleine Kinder hat und zwischen 30 und 40 Jahre alt ist. Die meisten Lehrer, die an deutschen Auslandsschulen unterrichten, sind in diesem Alter und wenn man dann wesentlich älter ist, fällt es einfach schwerer z. B. soziale Kontakte zu knüpfen. Ich habe meinen ersten Auslandsaufenthalt auch als angenehmer empfunden als den zweiten.”
Vielen Dank für das Interview
Titelbild: ©EUROPHOTOS/shutterstock.com
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Es wäre vielleicht jetzt an der Zeit mal Kontakte zwischen Schulen und Schülern zu knüpfen. Gemeinsam an Projekten zu arbeiten halte ich für sinnvoll. Zum Ausstausch von Daten kann man das Internet prima nutzen. In anderen Ländern denke ich, intressiert sich kaum einer für Datenschutz…
schöne Grüße aus dem Emsland