Neue Studien zum digitalen Unterricht

Digitaler Unterricht besitzt immer noch einen Sonderstatus. Bislang gibt es wenige wissenschaftliche Erkenntnisse über dessen Nutzen. Zuletzt wurden jedoch zwei neue Studien veröffentlicht.

So klappt's mit dem Lernen – jetzt im Video anschauen!

Die Kritik am digitalen Unterricht um jeden Preis ist groß. Nachdem es nicht gelang, den Unterricht durch Smartboards zu revolutionieren und mittlerweile auch ganze Tabletsätze ungenutzt im Keller verschwinden, sobald der Wartungsaufwand zu hoch wird, fragen sich Lehrkräfte, ob sich der Aufwand überhaupt lohnt. Zwei Studien haben sich mit dieser Frage auseinandergesetzt. Sie machen Mut, mahnen aber auch zur pädagogischen Umsicht.

Digitale Medien in Mathe und Naturwissenschaften

Ein Team des Zentrums für internationale Bildungsvergleichsstudien (ZIB) an der Technischen Universität München (TUM) hat im Auftrag der KMK fast 80 Studien ausgewertet, die seit dem Jahr 2000 erschienen sind. Ziel war es herauszufinden, ob digitale Medien den Unterricht verbessern und die Lernmotivation bei Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe in Mathematik und den Naturwissenschaften steigern. Die kurze Antwort lautet: Ja.
Die etwas ausführlichere Antwort lautet, dass es eine Leistungsverbesserung gegenüber Klassen gab, die konventionell und ohne digitale Medien unterrichtet wurden. Außerdem war die Motivation der Schülerinnen und Schüler höher, die digitale Unterrichtsmaterialien zur Verfügung hatten. Aber digitale Medien an sich garantieren noch keinen Erfolg. Es gibt Faktoren, die den Lernerfolg mit digitalen Medien steigern: Kinder und Jugendliche profitieren in Partnerarbeit stärker von digitalen Medien. Der Austausch über das Gesehene bzw. Erlebte fördere den Lernprozess, so die Forscherinnen und Forscher. Die Anleitung durch Lehrkräfte ist ebenso erfolgsversprechender, besonders wenn die Lehrkräfte zuvor professionell geschult wurden. Digitale Medien sollten dabei analoge Medien im Unterricht nicht ersetzen, sondern ergänzend angeboten werden, so die Metastudie weiter.

Gratis Zugang für Lehrkräfte
Jetzt informieren

Durchdachter Einsatz

Mithilfe einer methodisch und didaktisch fundierten Einbindung können digitale Medien vor allen Dingen bei komplexen und abstrakten Inhalten der Mathematik und in den Fächern Chemie, Physik und Biologie überzeugen, um z. B. chemische Verbindungen oder geometrische Formen darzustellen. „Wenn mit neuen Unterrichtsmethoden darüber hinaus die Motivation der Schülerinnen und Schüler erhöht wird, ist das eine große Chance für die MINT-Fächer“, betont Prof. Kristina Reiss, Leiterin des ZIB und Mitherausgeberin der Studie. Weiterhin konnte die Metastudie nachweisen, dass Tutorensysteme, die Inhalte in kleinen Einheiten vermitteln und Übungen ermöglichten, besonders erfolgreich seien. Am besten schnitten Tutorensysteme ab, die sie sich dabei in Komplexität, Hilfestellung und Geschwindigkeit an die Lernenden anpassten.

Digital und analog im Mix

Dass sich digitale und analoge Medien nicht gegenseitig ersetzen sollten, betont auch Erziehungswissenschaftler Prof. Steve Higgins. Er hat in einer anderen Metastudie 48 Einzelstudien zur digitalen Bildung aus dem englischsprachigen Raum untersucht. Außerdem sei es wichtig, nicht einfach irgendwelche Medien und mobilen Geräte für den Unterricht anzuschaffen, so Higgins. Lehrkräfte müssten die Geräte und Medien verstehen und ihre Möglichkeiten kennen, um sie sinnvoll einsetzen zu können. Erst der sinnvolle Einsatz bestimme, ob der Unterricht besser würde oder nicht. So könnten PC, Tablet und Smartphone guten Unterricht zwar unterstützen, jedoch keinen Ersatz für bestehende Unterrichtsmethoden bieten. „Das deutet darauf hin, dass bestehende Methoden bereits relativ effektiv sind und dass es daher nicht so leicht ist, sie zu verbessern“, sagte er gegenüber didacta DIGITAL.

Digitales Lernmaterial helfe, so kommt Higgins auf Grundlage seiner Metastudie zum Schluss, vor allen Dingen beim individualisierten Lernen, also um Schülerinnen und Schülern einen nach Wissensstand und Kompetenzen angepassten Lehrplan zu ermöglichen. Higgins empfiehlt außerdem, weniger auf die Vermittlung von Medienkompetenz und mehr auf den pädagogischen Nutzen der Technik im Unterricht einzugehen. So könnten sie die Lernergebnisse in Mathe und den Naturwissenschaften verbessern und es gäbe Hinweise darauf, dass auch das Leseverständnis und Schreiben durch digitale Anwendungen verbessert würden.

Titelbild: © Rawpixel.com/shutterstock.com