Psychische Erkrankungen bei Jugendlichen – was Lehrkräfte tun können
Wenn es Kindern und Jugendlichen psychisch nicht gut geht, merken es Lehrer*innen oft frühzeitig. Daher ist es besonders wichtig, dass Schulen sich um einen sensiblen und präventiven Umgang mit dem seelischen Wohlbefinden der Schülerschaft bemühen. Wie das funktionieren kann, erfahren Sie hier.
Jugendliche stehen oft unter einem enormen Druck. Gründe dafür sind z. B. Stress in der Schule, Streit in der Familie, Leistungsdruck oder Mobbing. Hinzu kommen hormonelle und neurologische Veränderungen in der Pubertät, die zu starken Stimmungsschwankungen führen können.
Viele Jugendliche haben Angst, über psychische Probleme zu sprechen. Daher ist es besonders wichtig, dass Schulen offen und aufmerksam mit dem Thema umgehen.
Erschreckende Zahlen: Psychische Erkrankungen unter Jugendlichen in Deutschland
Eine Studie der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) hat herausgefunden, dass die Zahl der 13- bis 18-Jährigen, die an einer Depression erkranken, zwischen 2007 und 2017 um 120 Prozent gestiegen ist. Das lasse sich zum Teil auf eine dauerbeschleunigte Gesellschaft, digitale Reizüberflutung sowie Mobbing in sozialen Netzwerken zurückführen, schlussfolgern die Macher*innen der Studie.
Auch der Verein Irrsinnig Menschlich e.V., der durch präventive Maßnahmen das Thema „Seelische Gesundheit“ in Schulen bringt, ist zu ähnlichen Ergebnissen gekommen: 75 Prozent aller psychischen Erkrankungen von Erwachsenen beginnen vor dem 24. Lebensjahr, also größtenteils zur Schulzeit. Wie sehr psychische Probleme mit schwerwiegenden Folgekonflikten wie Schulabbruch, Kriminalität, Suchtverhalten oder sogar Suizid zusammenhängt, zeigt die folgende Infografik:
Mental Health Day in Oregon und Utah
Doch das Problem betrifft nicht nur Schüler*innen in Deutschland: Eine Studie des Centers for Disease Control and Prevention (CDC) ergab, dass in den USA fast ein Drittel der Schüler*innen schon einmal an Depressionen gelitten haben. Deshalb wurde an einigen Schulen ein sogenannter Mental Health Day eingeführt. Damit ist gemeint, dass Schüler*innen entschuldigt fehlen dürfen, wenn eine psychische Verstimmung oder Erkrankung vorliegt. In Oregon und Utah wurde dazu bereits ein Gesetz erlassen. Viele Jugendliche schieben eine körperliche Erkrankung, wie Übelkeit oder Kopfschmerzen vor, um nicht zur Schule gehen zu müssen. Dies soll sich mit der Einführung des Mental Health Days ändern. Auch an deutschen Schulen wird versucht, durch Präventivmaßnahmen für das Thema zu sensibilisieren.
Seelische Krisen erkennen
Als Lehrkraft ist es nicht immer leicht, herauszufinden, was Schüler*innen belastet. Es gibt jedoch einige Warnsignale, die auf eine psychische Krise bei Jugendlichen hinweisen können. Sollte Ihnen ein*e Schüler*in aufgewühlt oder depressiv erscheinen, können Sie im Vier-Augen-Gespräch versuchen, weitere Fragen zu klären:
- Wirkt sie oder er unruhig, aufgeregt oder rastlos?
- Ist sie oder er überempfindlich oder schnell wütend?
- Hat sie oder er ein mangelndes Selbstvertrauen und wirkt unentschlossen?
- Zeigt sie oder er keine Freude mehr an Hobbys und alterstypischen Aktivitäten?
- Hat sie oder er einen Leistungsabfall in der Schule?
- Ist sie oder er häufig erschöpft und antriebslos?
- Schwänzt sie oder er die Schule oder will sie sogar ganz abbrechen?
- Klagt sie oder er über häufige Kopfschmerzen?
- Hat sie oder er eine Essstörung?
- Zeigt sie oder er Suchtverhalten oder gibt es Anzeichen eines Alkohol- und Drogenmissbrauchs?
- Zieht sie oder er sich von Freund*innen zurück und isoliert sich?
- Ist sie oder er schon mal von zu Hause weggelaufen?
- Hat sie oder er sich bereits selbst verletzt?
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Professionelle Hilfe hinzuholen
Sie als Lehrkraft können zwar bei der Prävention und der Aufdeckung von psychischen Erkrankungen helfen, aber letztlich sind Sie keine ausgebildeten Therapeut*innen. Sprechen Sie zuerst mit den Eltern der / des betroffenen Jugendlichen. Finden Sie heraus, was vielleicht im privaten Umfeld schiefläuft oder ob andere Probleme im Leben der*s Schüler*in aufgetreten sind. Empfehlen Sie ggf. den Besuch bei Hausärzt*innen, Kindern- und Jugendärzt*innen sowie Familienberatungsstellen. Diese wissen meist am besten, an wen sich die Betroffenen wenden können.
Erster Schritt: Prävention und Aufklärung
Das deutsche Gesundheitsprogramm MindMatters empfiehlt Schulen präventive Maßnahmen, um psychischen Erkrankungen bei Schüler*innen entgegenzuwirken:
- Förderung psychischer Gesundheit und Prävention, z. B. durch schulinterne Workshops oder zusammen mit externen Berater*innen
- Sensibilisierung im Unterricht für das Thema „psychische Gesundheit“
- Entwicklung einer unterstützenden und empathischen Schulatmosphäre
- Bildung von Netzwerken und Partnerschaften
- Schulinterne Mentor*innen sowie Tutor*innen als Anlaufstelle
Mittlerweile gibt es einige Präventionsprogramme und Fortbildungen zur psychischen Gesundheit an Schulen. Hier finden Sie einige Anlaufstellen:
- MindMatters: Programm zur Förderung der Gesundheit in und mit Sekundarschulen
- Verrückt? Na und!: eintägiger Präventionsworkshop für Jugendliche ab der 8. Klasse
- Fortbildungen zur (psychischen) Gesundheit von Schüler*innen in Hamburg
- SNAKE: Anti-Stress-Trainingsprogramm für Jugendliche von der Uni Bielefeld
- Gesundheit und Optimismus (GO!): Prävention von Angststörungen und Depressionen, Stressprävention von der TU Dresden
- Lebenslust mit LARS & LISA: Ein Trainingsprogramm für Jugendliche der Sek. I
Psychische Gesundheit ist für die Bildung essenziell
Klar ist, dass sich psychische Probleme extrem auf die schulischen Leistungen von Jugendlichen auswirken. Das schreibt Prof. Dr. Peter Paulus in seinem Vortrag Psychisch gesund – so geht Schule heute:
„Die Bedeutung der psychischen Gesundheit von Schüler*innen sowie von Lehrkräften für die Bildung wird immer noch unterschätzt. […] [Sie] ist eine Ressource für Bildung.“
Debbie Plotnick, Vizepräsidentin bei Mental Health America (MHA), sieht das Problem vor allem in der Tabuisierung und Stigmatisierung von psychischen Problemen:
„Der erste Schritt, um der hohen Zahl an psychischen Erkrankungen bei Jugendlichen zu begegnen, ist, das Stigma, das auf dem Thema lastet, zu beseitigen.“
Das Thema „psychische Gesundheit“ solle daher Einzug in den Unterricht halten, fordert Plotnick, damit die Hemmschwelle der Schüler*innen, über mentale Probleme zu sprechen, herabgesetzt werde: „Es muss genauso normal sein, sich ärztliche Hilfe bei psychischen Problemen zu holen, als wenn man sich etwas gebrochen hat.“
©Titelbild: Rawpixel.com/shutterstock.com
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Ich bin Lehrerin und bemerke in meinem Unterricht zurzeit ein paar verhaltensauffällige Kinder. Sie haben recht, dass die psychische Gesundheit der Kinder für die Bildung essenziell ist und sich eben stark auf die schulischen Leistungen auswirkt. Gut zu wissen, dass man bei verhaltensauffälligen Kindern immer professionelle Hilfe hinzuholen sollte, da wir ja keine ausgebildeten Therapeuten sind. Gerne würde ich selbst in einer solchen Situation helfen, weshalb ich darüber nachdenke, ob ich ein Studium im Bereich der Kinderpsychologie absolvieren sollte. [gekürzt, bitte verzichten Sie auf das Platzieren von Werbelinks, die Redaktion]
Sehr geehrte Damen und Herren,
können Sie mir bitte den download zu psychischen Erkrankungen von Jugendlichen zusenden. Ich konnte ihn mir leider nicht runterladen. Es funktionierte nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Sabine Franke
Hallo Frau Franke,
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