Über das Lehrersein in der Ferienzeit
Viele beneiden Referendarin Franziska für die Sommerferien. Nur sie selbst findet sich in ihren Ferien nicht zurecht.
Der Lohn nach der Schufterei
Als die letzte Unterrichtsstunde geschafft, der Schreibtisch aufgeräumt und die Zeugnisse verteilt sind, fällt mir ein Stein vom Herzen. Die letzten Monate kennzeichnete eine gnadenlose Schufterei. Ich habe wenig geschlafen und viel zu viel gearbeitet. Die sechs Wochen Ferien, die jetzt kommen sollen, verstehe ich als eine Art Lohn. Ich blicke gern zurück: Früher, als die Schule für den Sommer aus war, beherrschte meine Freunde und mich ein Gefühl grenzenloser Freiheit. Wir haben ausgeschlafen und das Freibad oft für die gesamte Ferienzeit belagert. Gemeinsam streunerten wir durch die Stadt. Der Sommer kam uns unendlich lang vor.
Alte Erinnerungen an die Ferienzeit
Dass ich die Ferien jetzt mit ins Arbeitsleben nehme, gefällt mir gut und weckt Erinnerungen an die alte Zeit. Ich habe die Hoffnung, mir dieses Gefühl zurückholen zu können. Als die erste Woche vergangen ist, stelle ich allerdings enttäuscht fest: Mit mir haben nur die Schülerinnen und Schüler frei. Meine Freunde, mit denen ich damals jede freie Minute verbracht habe, gehen arbeiten. Was ich jetzt sage, wird mir unter den Leserinnen und Lesern dieses Texts viel Unmut einbringen, das weiß ich schon jetzt: Mir ist langweilig.
Komfortabilisiertes Serienbinging
Für die Ferien habe ich mir viel vorgenommen. Nun stelle ich fest, dass ich ohne Druck schlecht arbeiten kann. Meine mangelnde Produktivität schiebe ich auf die dringend nötige Erholungspause, die sich der Kopf jetzt einfach nimmt. Ganz wie zu Studentenzeiten und nur komfortabilisiert durch einen kostenpflichtigen Streamingdienst lenke ich mich mit Serienbinging ab. Es dauert keine Woche und die Welt von Lorelai und Rory ist eher die meine als die Realität. Ich nehme außerdem ihre Essgewohnheiten an, drehe die Musik laut auf und tanze im Schlafanzug mit einer Haarbürste als Mikrofon durchs Zimmer. Als ich dabei zufällig an einem Spiegel vorbeikomme, kriege ich einen Schreck. Ich nehme mir vor, ab morgen konstruktiver mit meinen freien Tagen umzugehen.
Als Lehrerin im Fitnessstudio
Die Produktivität kommt nicht am nächsten Tag. In der folgenden Woche schaffe ich es immerhin ins Fitnessstudio. Zugegeben: Nicht der Wille zu sportlicher Aktivität treibt mich dorthin. Der Sommer hat ein kleines Tief und da ich mich weigere, in den Sommerferien die Heizung anzuschalten, friere ich nun zu Hause. Im Fitnessstudio gibt es eine Sauna und mit ein bisschen Bewegung vor der wohltuenden Wärme kann ich mich arrangieren. An der Plastiktafel der Dusche entdecke ich einen Rechtschreibfehler und im Kopf korrigiere ich die fehlerhafte Grammatik meines Kursleiters.
Lange To-do-Liste
Neben diesem Ausflug habe ich es außerdem geschafft, mir eine lange To-do-Liste zu schreiben. Und siehe da: Ich habe in den Ferien gar nicht so wenig zu tun, wie ich dachte! Zwei Wochen vor Schluss habe ich endlich das Gefühl, etwas Sinnvolles vorzuhaben und nützlich zu sein. Ein Auszug: Neben einigen privaten Aufgaben möchte ich meine grobe Planung für zwei Kurse im kommenden Schuljahr fertig machen. Und die erste Unterrichtseinheiten würde ich auch gern planen. Ich muss meine Seminarunterlagen sortieren und mir einen Plan für meine Prüfung zum zweiten Staatsexamen machen. Außerdem habe ich noch ein Gutachten und mehrere Schülerbeschreibungen zu formulieren. Ich nehme mir Bibliotheksbesuche und Bürotage vor. Endlich. Ein Plan.
Mein Urlaubsmodus
In drei Tagen geht die Schule wieder los. Was von meiner To-do-Liste habe ich geschafft? Nun. So gut wie nichts. Mein privater Serienmarathon hatte mich fest im Griff, Freunde hatten endlich frei, Unternehmungen wurden gemacht. Alles. Nur kein Fleiß. All das rechtfertige ich mit meinem Urlaubsmodus. Eine Pause vom Stress ist einfach nötig. Ganze sechs Wochen waren dafür allerdings nicht geplant. Schon jetzt weiß ich, dass ich mir für die nächsten Ferien wieder viel vornehmen werde. Ob ich es dann auf die Reihe kriege, eine gesunde Balance zwischen Erholung, Langeweile und Ambition zu finden, wird sich zeigen. Offenbar muss ich auch das Ferienhaben erst wieder lernen.
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Titelbild: © NOISO PHOTOGRAPHY/shutterstock.com
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Liebe Franziska
Weist du, dass es am Besten ist, sich einfach vorzunehmen: „Nichts zu tun.“ Einfach nichts. Genau das: Langeweile. Sie ist brutal wichtig in unserem Job als Lehrer/in von Kindern mit besonderen Bedürfnissen und überhaupt im Grunde von allen Lernenden, gross oder klein, besodners oder nicht.
Einfach die nur die eine kleine Welt geniessen und fröhlichs ein, ohne schlechtes Gewissen.
Nur so kannst du das Erlebte während der Schulzeit verarbeiten, all die kleinen oder grossen Kümmernisse, die emotionalen Pakete, die die Kinder und Fmailien bei uns Lehrpersonen abgeben.
Das sind sechs Wochen, die du dir erarbeitet hast mit viel zu vielen Überstunden, vielen Gedanken rund um das Wohl von dir im Grunde ja fremden Kindern, auch wenn sie einem, bei der vielen Zeit, die wir mit ihnen verbringen, gar nicht mehr so fremd vorkommen.
Plane also nciht zu viel für deine Ferien. Erledige Routineaufgaben zügig und schnell, lass alles los und bereite dann in der letzten Ferienwoche deinen Unterricht vor. Das sind dann 4 Wochen Schulfrei, gnadenlos schulfrei. Nicht ein Gedanke, auch nicht an das Referendariat oder irgendwelche Prüfungen.
Ich war im letzten Sommer mit der halben Masterarbeit fertig. In den Sommerferien hab ich einfach nichts getan und das war super. So viele Ideen und frische Gedanken, die dann kamen, als ich mich wieder aufmachte, die Arbeit zu beenden, hatte ich das ganze halbe Jahr vorher nicht ;).
Also schieb es weg das schlechte gewissen und geniess alles nach Lust und Laune.