Was ich an meiner Schülerschaft nie verstehen werde
Franziska hat schon oft festgestellt, dass zwischen ihr und ihren Schülerinnen und Schülern keine Welten liegen. Doch einiges an ihnen – und ihren Eltern – versteht sie trotzdem nicht.
Schüler- und Schülerinnen-Generationen sind immer vom Wandel betroffen. Das zeigt sich besonders in Trends und Erziehungsmethoden, die je nach Jahrzehnt einen Auf- oder Abschwung erleben. Meine Eltern sagen gerne: Früher war das alles anders. Früher wurde mit Säuglingen anders umgegangen. Früher ließ man den Jugendlichen weniger durchgehen. Und etwas Wahres ist da dran: Gefühlt erfuhr zum Beispiel die antiautoritäre Erziehung erst nach meiner Jugend ihre Geburt und die Quittung dafür sitzt nun in meinem Unterricht und diskutiert mich in Grund und Boden. So sehr ich mich für einen offenen Menschen halte – für vieles fehlt mir doch das Verständnis.
Schulzeit als Investition
Das fängt bei der Unterrichts-, nein, Schulbereitschaft meiner Schützlinge an. Bereits vor Schuljahresbeginn gab es ein Treffen meiner neuen siebten Klasse, zu dem nur wenige Eltern und Schüler sowie Schülerinnen kamen. Auf mich als Lehrerin wirkte es so, als wäre kein Interesse vorhanden. Und tatsächlich fehlten genau die Jugendlichen, die heute in der Schule um gute Noten kämpfen müssen. In meiner Familie stand die Schulbildung immer an erster Stelle, aber bei vielen Familien meiner Schülerinnen und Schülern scheint das weniger der Fall zu sein. Das hat sicherlich nichts mit dem Zeitgeist zu tun. Diese Schülerinnen und Schüler gab es schon zu meiner Schulzeit. Trotzdem kann ich mir nicht erklären, warum so vielen die Bildung als Investitionsmittel in die eigene Zukunft egal ist.
Ein Paradies der Büroartikel
Ein anderes Thema ist den Kindern und Jugendlichen dagegen umso wichtiger und das betrifft die materiellen Güter. Die Debatte um eine einheitliche Schulkleidung wird allein aus dieser Entwicklung heraus immer wieder angetrieben, doch es sträuben sich zu viele. An dieser Stelle soll nun auch keine Erörterung des Für und Wider stehen. Nur die Feststellung: Viele Schülerinnen und Schüler sind eher damit beschäftigt, ihren (vermeintlichen) Burberry-Schal glattzustreichen, als im Unterricht aufzupassen. Ich verstehe ebenso wenig, wozu die Jugendlichen ganze Waschtaschen statt Federmäppchen mitbringen, mit ihren zweiundachtzigmillionen unterschiedlichen Farben aber nicht sinnvoll einen Text markieren können. Eine Schülerin von mir brachte jüngst einen ganzen Beutel voll Washi-Tapes mit. Ich selbst beklebe auch gern alle möglichen Sachen mit den bunten Klebebändern, kann mir aber noch immer nicht den Sinn dessen im Schulbetrieb erschließen.
Akute Gefährdung der Motivation
Ein weiteres Phänomen meines Arbeitsalltags sind die Eltern. An unserem letzten Elternsprechtag versetzten mich 50 Prozent dieser ohne jegliche Abmeldung. Meine Zeit so verschwendet zu sehen, frustrierte mich massiv. Abgesehen davon führe ich mittlerweile die absurdesten Diskussionen mit Müttern und Vätern. Vor einer Woche rief ich die Mutter eines Schülers an. Ihr Sohn hatte in einem Test die Antworten vorgesagt. Seinen Test sowie den seines Mitschülers bewertete ich auf Grundlage eines Betrugsversuchs mit einer Sechs. Die Mutter diskutierte daraufhin am Telefon mit mir, sie fände die Motivation ihres Sohnes für meinen Unterricht nun arg gefährdet, schließlich habe ich auf die richtige Antwort ihres Kindes eine schlechte Note erwidert. Ich gebe zu, dass mich dieses Argument sprachlos gemacht hat.
Lob im Sandwichprinzip, bitte!
Eine Kollegin berichtete von einer Mutter, die sich bei ihr darüber beschwerte, dass unter die Deutscharbeit ihrer Tochter kein Feedback im Sandwichprinzip (Lob – Verbesserungsvorschlag – Lob) geschrieben wurde. Auch sie sehe die Motivation ihres Kindes durch eine solche Nachlässigkeit akut bedroht. Dass die besagte Schülerin eine Sechs in der Klausur bekommen hatte und meiner Kollegin dazu einfach kein Lob eingefallen ist, ließ das Elternteil nicht als Ausrede gelten.
Dass ich mir gerade zum Jahresende den Frust von der Seele schreibe, macht nun wahrscheinlich den falschen Eindruck. Weder habe ich meinen Job noch meine Klientel oder ihre Erziehungsberechtigten satt. Und wenn ich ganz ehrlich bin, ist vieles davon gar nicht so neu. Zu meiner Zeit waren die Didl-Federtaschen zum Bersten mit Nutzlosem gefühlt und im Zweifelsfall hätten auch meine Eltern sich immer auf meine Seite gestellt. Die veränderte Wahrnehmung ist sehr wahrscheinlich auch der veränderten Perspektive geschuldet.
Der Schülerschaft möchte ich dennoch immer wieder sagen: Geht zur Schule! Nutzt die Zeit! Und nehmt uns Lehrerinnen und Lehrer ernst!
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Titelbild: © Marta navarroP/shutterstock.com
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Your comment
Auch wenn der obige Artikel und der untenstehende Kommentar schon ein paar Tage alt sind – beides richtig und sehr empathisch.
Kommunikation auf dieser Ebene: absolut WEITER SO!
Mittlerweile ist eine 2-jährige Coronawelle durchs Land gerauscht und alle Beteiligten der Schul- und Erziehungsfamilie wissen aus eigenem Erleben der jeweils anderen Perspektive: jeder macht einen guten Job und leistet was er kann.
Es dürfte auch hilfreich sein, dass nicht Eltern-Schüler-Lehrer sich als Sparringspartner sehen sondern als Partner, die an einem Strang ziehen und nur das Beste für die Lernenden im Blick haben.
Die großen Probleme, die oft zu soviel Frust führen, liegen am hausgemachten Schulsystem, das seit Jahrzehnten unterfinanziert ist mit allen Auswirkungen…
Fakt ist, wenn nicht jede einzelne Lehrkraft seit Jahr und Tag alleine mit all ihrer persönlichen Kraft (egal welcher Tagesform) samt halbem Hausstand inclusiver kompletter privater IT-Ausstattung VOR und INMITTEN ihrer Schülerschaft stehen würden (bzw. eingewählt in die Wohn- und Kinderzimmer der HomeSchoolingKinder), wäre unser Bildungssystem schon endgültig an die Wand gefahren.
Und trotzdem machen wir täglich weiter, sprechen mehr mit Händen und Füßen statt in deutsch und freuen uns über jeden kleinen und großen Erfolg unserer Anvertrauten. Wir geben (fast) alles – denn es geht um unser höchsten Gut: unsere Zukunft!!!
Mit ❤ – Marion
Liebe Franziska,
der Artikel ist wohl schon etwas älter, nichtsdestotrotz für viele sicher noch aktuell. Mich wundert allerdings, wie wenig er kommentiert wurde.
Ich sehe die Dinge heute, nach über 20 Jahren Unterrichtserfahrung ein wenig anders. Auch mir begegnen kuriose Menschen in meinem Schulalltag und ich bin nicht die perfekte Lehrerin. Die Antwort auf den Frust liegt aber vielleicht schon im Titel: „Was ich …nie verstehen werde“ Es fehlt also möglicherweise bei vielen, die ähnlichen Frust bescheiben, ein grundlegendes Verständnis für Andersartigkeit.
Ich selbst war eine relativ leistungsstarke Schülerin aus einem Akademikerhaushalt, besaß nie „Didl“-Kram oder Ähnliches und hielt mich an so gut wie alle Regeln, obwohl ich im angemessenen Rahmen sehr kritische Fragen stellte. Solche Schüler*innen gibt es noch heute. Mit denen verstehe ich mich natürlich besonders gut. Wir ticken ähnlich. Das ist jedoch keine (pädagogische) Kunst.
Interessant wird unser Beruf erst, wenn es mir bzw. uns gelingt, alle wenigstens ansatzweise nachzuvollziehen, zu respektieren und ins Boot zu holen. Darum habe ich mich über all die Jahre darum bemüht, Schüler*innen, die ganz anders sind, als ich es damals war, zu verstehen.
1. Sie diskutieren uns in „Grund und Boden“. Nun, sie wollen einbezogen werden und mitgestalten. Wer dieses Potential konstruktiv nutzt anstatt die Tendenz als unliebsame Auflehnung gegen die eigene Autorität und Unfehlbarkeit zu betrachten, kann viel Verantwortung an Schüler und Eltern abgeben. So geschieht es an unserer Schule. Das ist sehr entlastend. Es ist sogar Teil unseres Konzepts. Dazu gehört natürlich eine große Offenheit und Selbstbewusstsein von eigener Seite. Die hatte ich erst nach vielen Berufsjahren. Aber jetzt genieße ich diese Diskussionen sogar, weil sie mich persönlich weiterbringen.
2. Schule als Investition in die eigene Zukunft.
Bildung als hoher Wert ist eine Komponente des Mittelstandes. Hier gelten hohe Abschlüsse als Garant für eine spätere gute wirtschaftliche Stellung innerhalb der Geselschaft.
Für Menschen aus anderen Schichten ist dies jedoch weniger relevant. Wenn ich aus einer wohlhabenden Familie stamme, ist Statusbewusstsein sowie die Fähigkeit zum Netzwerken ausschlaggebend. Ein reich geborenes Kind kommt notfalls auch ohne „Bildung“ im engeren Sinne weiter. Akademische Bildung wird damit zu einem schmückenden „Kann“.
Darüber hinaus wird uns medial ständig vorgelebt, dass man nur mit einer guten Idee und einem guten Geschäftssinn schnell reich werden kann. Auch mit Durchmogeln oder durch Bluff lässt es sich leben. Die permanente Berieselung der Bevölkerung durch solche attraktiven Bilder ist nicht zu unterschätzen. Eigentlich ist es ein Zeichen von großer Stärke, wenn Jugendliche sich davon abgrenzen und dennoch Energie in den Erwerb von ehrlichem Wissen stecken. Alle anderen brauchen Unterstützung, um sich wenigstens darüber klar zu werden, welche Entscheidung sie da gerade fällen.
Bei Kindern aus bildungsfernen Familien, die gleichzeitig wirtschaftlich unterprivilegiert sind, fehlt meist das typische Leistungsethos, der Hang zum Perfektionismus, was schon früh bei Kleinkindern der Mittelschicht akzentuiert wird. Dort gelebte Werte wie Solidarität und Herzlichkeit sind an unseren Bildungseinrichtungen dagegen weniger gefragt bzw. nur „sekundär“. Im Gegensatz zu den USA wird in öffentlichen Schulen wenig dafür getan, die für Schule wichtigen Werte (Pünktlichkeit, Disziplin, Präzision etc.) im Rahmen des Unterrichts erst heranzubilden. Wir klagen nur (verständnislos) die Defizite ein, welche das Elternhaus nicht „bringt“ und interessieren uns nicht für das, was sie von sich aus mitbringen. Das gleiche gilt für Schüler*innen aus fremden Kulturkreisen, die nach ihrer Ankunft wenig Unterstützung dabei erhalten, sich kulturell zu orientieren. Einigen Zugezogenen, vor allem den Angehörigen der Mittelschicht, da sie über ähnliche Werte verfügen, gelingt die Integration in die deutsche Gesellschaft. Die meisten anderen ziehen sich lieber in ihre eigene Herkunfts-Community als sicherer Hafen zurück und leben dort ihre eigene Blase. Dazu gehört dann auch eine fehlende elterliche Bindung an die örtliche Schule, denn in bestimmten Kulturkreisen gehört dies zur Norm.
3. Die Betonung materieller Güter
Ganz ehrlich, darüber würde ich einfach hinwegsehen, solange es den Unterricht nicht stört. Pubertierende sind nicht immer zu verstehen. Ihr Gehirn ist im Umbau begriffen, ihr Verhalten treibt zuweilen kuriose, übertriebene Blüten, die sich später wieder auswachsen. Richtung Klasse 11 erscheint meist wieder das Licht am Ende des Tunnels.
Die Pubertät ist auch eine innere Suche nach der eigenen Identität, die sich über Äußerliches / Materielles manifestiert. So kann man zum Beispiel Gleichgesinnte erkennen. Tausend Aufkleberchen würde ich interpretieren als tausend Unterstreichungen, dass mir genau das gerade gefällt, mich als Persönlichkeit ausmacht. Ein Erwachsener hat diese Unterstreichungen und Codes später in der Regel nicht mehr nötig.
Nur wenn es sich um menschenverachtende, staatsfeindliche Äußerungen oder sonstige schwerwiegende (umwelt)schädliche Handlungen handelt, müssen wir als erwachsene Pädagogen zum Schutze aller anderen klare Leitplanken aufstellen und immer wieder darauf pochen, dass wir damit nicht einverstanden sind und derartige Entgleisungen innerhalb unserer Einrichtung nicht unsanktioniert durchgehen lassen.
4. Eltern
Richtig. Einige Eltern interessieren sich nicht für das, was innerhalb der Schule passiert. Sie verstehen nicht, dass ihre Verantwortung am Schultor nicht aufhört, auch wenn sie nicht dabei sein dürfen. Solche (deutsche) Eltern haben in einigen Fällen auch nicht verstanden, was Verantwortung für ein Kind überhaupt bedeutet. Das ist Teil unserer Zeit, in der Kindererziehung und alles was damit zusammenhängt, in Deutschland nicht mehr innerhalb einer kinderreichen Familie von der Großmutter über die Tante, den großen Bruder und die Cousine inklusiv den Nachbarfamilien weitergegeben wird. (Ich stamme väterlicherseits zum Glück aus einer spanischen Großfamilie, darum fiel es mir nicht schwer, vier Kinder großzuziehen. Fühlte mich in Deutschland jedoch etwas alleine damit.) Heute muss jeder ganz individuell seinen Weg finden. Kindererziehung wird also zur Fleißarbeit, die einige deutlich schlechter als andere bewältigen, weil sie sie nicht zur Priorität oder zu sehr zur Priorität erheben. Hier kann ich als Lehrkraft jedoch mit viel Empathie versuchen, den Eltern (womöglich eines Einzelkindes) ihre Rolle nahezubringen. Wir brauchen konstruktive Eltern in der Schule! Nur so ergeben sich beispielsweise ausgewogene Elternabende, auf denen alle wichtigen Themen abgedeckt werden.
Was die abwesenden Eltern betrifft: Immer wieder freundliche persönliche Einladung zu Elterngesprächen in Klasse 7. Am besten per Telefon, bis die Eltern freiwillig kommen. Macht viel Arbeit, aber es zahlt sich langfristig auf allen Ebenen aus!
Ich lege „meinen“ Eltern übrigens auch ans Herz, sich vielleicht nicht bei mir einzutragen, wenn nichts vorliegt. Das hat jedoch pragmatische Gründe, da ich bei 100 Kindern, die ich im Jahr unterrichte, pro Elternsprechtag aus Zeitgründen nur 25 Eltern sehen kann. Da ist es mir wichtig, mit denen zu reden, wo tatsächlich dringender Gesprächsbedarf besteht. Diese Pragmatik ist in Gesprächen durchaus vermittelbar. Trotzdem sind grundsätzlich alle Eltern willkommen.
5. Bewertung und Motivation
Festigkeit, wenn es um Fragen der Bewertung und sonstigen Unterrichtsführung geht, wenn man die elterliche Kritik für unangemessen hält. Am Anfang meiner Laufbahn, standen die Eltern mit Notizblock vor mir und erklärten mir, was ich zu tun und zu lassen hätte. Das gab mir zu denken. Im Laufe der Jahre gelang es mir, den „Spieß“ einigermaßen umzudrehen. Ich bin letztendlich professionelle Lehrkraft, die ihr Handwerk gelernt hat, wir haben klare Schulregeln inklusive Schulgesetz, und es gibt eine Bringschuld der Eltern.
Die Note 6 bei Teilnahme an einem Betrugsversuch ist grundsätzlich berechtigt, der fehlende Kommentar auch, darauf besteht ohnehin kein Anspruch. Kurze Erklärung warum. Punkt. Wir müssen als Schule hart gegen Betrug vorgehen, denn die besagte Mutter fände es sicherlich nicht schön, wenn bei uns Abschlüsse den Ruf hätten, verwässert zu sein. Über die pädagogischen Konsequenzen und ob man aus pädagogischen Erwägungen heraus Milde walten lassen möchte, kann man sich hinterher unterhalten. Aber erst hinterher.
Für die nötige Motivation bin ich ohnehin nur bedingt zuständig, sage ich Eltern immer mal wieder. Ich bemühe mich um interessanten Unterricht (der weit über Frontalunterricht hinausgeht) und faire Bedinungen, gehe persönlich auf die Jugendlichen ein, erkläre ihnen das Fernziel, aber dass eine Aufgabe im Einzelnen wichtig ist, müssen die Kinder irgendwann einfach hinnehmen. So funktioniert Lernen nun einmal, Schritt für Schritt, und diese Schritte sind durchaus anstrengend. Spaß macht es oft erst, wenn man am Ende etwas geschafft hat und sich auf die nächste Aufgabe freut.
Ich sage Eltern notfalls, dass sie eine wenig konstruktive Rolle spielen, wenn sie am Abendbrottisch gemeinsam mit ihren Kindern über Lehrer lästern. Die Kinder müssen ihren Frust loswerden. Die Eltern könnten jedoch versuchen zu beschwichtigen und zu vermitteln, indem sie die Position der Schule erklären.
Den Eltern ihre Rolle auch insofern klar machen, dass man die kritisch-konstruktive Meinung der Eltern gerne anhört (ich habe viel dadurch gelernt), aber dass man sich trotzdem als pädagogische Expertin bzw. als Schule am Ende selber für eine bestimmte Methode entscheiden darf. Das müssen Eltern hinnehmen. Wenn Mütter oder Väter daraufhin ungehalten reagieren, weil sie es gewohnt sind, Recht zu bekommen, muss man das auch mal ertragen können, selbst wenn es in der konkreten Situation sehr unangenehm ist.
Vor 10 Jahren hatte ich ebenfalls eine Situation, die mich zunächst sprachlos hinterließ, als Eltern meinten, die Kursfahrt nach Spanien (Stufe 9) sei schließlich dafür da gewesen, dass die Kinder auch mal über die Stränge schlagen. Es sei daher mein Job als leitende Lehrkraft, damit umzugehen. Die damals verordneten Konsequenzen führten zu viel Unmut in der Klasse. Mich hat das geärgert, denn ja, ich muss natürlich immer mal wieder mit Schüler*innen umgehen, die auf Klassenfahrten Quatsch machen, aber wenn die Eltern das schon im Vorfeld empfehlen und richtig finden und die folgenden Sanktionen ablehnen, fühle ich mich nicht unterstützt. Mit dieser Lerngruppe bin ich am Ende von Klasse 10 nicht noch einmal weggefahren.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, gute Schule ist möglich, aber es bleibt ein ständiges Bemühen um gegenseitiges Verständnis. Wer das aufbringt, kann dazu beitragen, Schule zu einem tollen Lernort für alle zu machen. (Dann melden sich auch wieder mehr junge Menschen für diesen Beruf an und wirken damit dem notorischen Unterrichtsausfall entgegen.)
Macht was aus eurer Schulzeit! Das sage auch ich meinen Schüler*innen. Bringt euch ein, egal was für Lehrkräfte man euch vorsetzt! Findet euren persönlichen Weg! Wir tun das hier für euch!
Allen alles Gute dabei!
Cäcilia Harder
Nelson-Mandela-Schule Berlin
Liebe Franziska,
Gott sei Dank sind Lehrer auch „nur“ Menschen und haben Freuden und Sorgen wie alle andere. Ich sehe in deinen Artikel – entschuldige meinen Grammatik, ich bin Dänin – eine Lehrerin, die diesen Beruf als Berufung sieht, was ich wunderschön finde. Und trotzdem möchte ich gerne erzählen, was ich als Mutter auch erlebe – abgesehen von genau solche Lehrer wie du. Ich lebe in SH. Die Schulzeit meines Sohnes habe ich bislang erlebt wie eine lange Strecke mit Frontalunterricht als fast einzige Lehrmethode. Einladungen zu Elterngespräche mit der ausdrückliche Bitte NICHT zu kommen, „wenn nichts ist“. Elternabende, wo das Thema eher den Preis für einen Ausflug und eine Klassenkasse war, statt wie es um das Lernen steht. Einen Schulleiter, der meint „46 Fehltage eines Lehrers im Jahr durchschnittlich hält sich im Rahmen. – Auch wenn kein Ersatzunterricht stattfindet.“ Und ohne weiter Jammern zu wollen bis hin zu Lehrer, die mich direkt angelogen haben. Glücklicherweise habe ich auch LehrerInnen erlebt, die ich jeden Tag hätte umarmen können, weil sie sich für die Klasse einsetzen, weil sie modern, offen und lebendig den Unterricht gestalten, weil sie andere Meinungen als ihre eigenen zulassen. LehrerInnen, die ich phantastisch finde – auch wenn ich nicht immer ihre Meinung bin, was Methodik/Didaktik angeht. (Lob-Tadel-Lob finde ich übrigens in den meisten Fällen angebracht und zielführend). Aber ich glaube, dass gerade Unterricht und Schule ein so wichtiges Element in unserem Leben ist und bleibt, dass wir sehr viele Gefühle hineinstecken auf allen Seiten. Und so lange wir nicht darüber kommunizieren – und das Auge ins Auge – so lange werden wir am Jahresende doch Frust ablassen müssen. Ich glaube, dass Lehrer oft lernen müssen, wie z.B. auch Ärzte, dass die Elternhäuser eine andere Sprache sprechen als sie. Wir haben nicht Lehramt studiert und stecken nicht in die akademische Materie drin. Dazu müssen die Elternhäuser lernen besser zu zuhören und Fragen zu stellen. Wir müssen lernen uns zu trauen, nicht einfach die Schule als Obrigkeit zu sehen, sondern als Sparringspartner in der Erziehung unsere Kinder. Selbst habe ich den Code nicht geknackt. Also schiebe ich auch am Jahresende Frust. Aber jetzt wo das Abitur sich nähert, werde ich entspannter. Das Gleich wünsche ich dir, denn du erscheinst mir als eine Lehrerin, die es auch wagt dich selbst in Frage zu stellen und du bist sehr überlegt. Ich wünsche dir viel Kraft und Mut! Und tröte bitte bitte deine Meinung überall, wo es jemand gibt, die zuhört, denn nur so können wir etwas bewirken und ändern! Viele liebe Grüße aus SH, Jane