Was tun, wenn ich als Lehrer/-in verklagt werde?
Ungerechte Noten, daran ist sicher die Lehrerin oder der Lehrer schuld. So denken manche Eltern und drohen zu klagen. Was Lehrkräfte tun können.
In welcher Situation kann es zum Rechtsstreit kommen?
„Der Anteil der Eltern, die immer nur die Schule für das Fehlverhalten ihrer Kinder verantwortlich macht, ist deutlich gestiegen“, so der Ehrenpräsident des Deutschen Lehrerverbands Josef Kraus in einem Interview mit dem sofatutor Lehrer-Magazin. So klagten Eltern häufig beim Übertrittszeugnis der vierten Klasse, um ihr Kind notfalls per Gerichtsbeschluss aufs Gymnasium zu bringen.
Pädagogische und erzieherische Maßnahmen sind in jedem Fall nicht rechtswidrig und können zielgerichtet und mit Augenmaß angewendet werden: So dürfen Lehrkräfte das Nachsitzen oder den Unterrichtsausschluss anordnen, jedoch kein allgemeine Bestrafung für die gesamte Klasse aufgrund einzelner Schülerinnen oder Schüler verhängen. Was Lehrerinnen und Lehrer konkret dürfen und was nicht, regeln die Schulgesetze der Länder und die Kultusministerkonferenz. Wir haben es in diesem Artikel zusammengefasst.
Daneben kann es jedoch zu Situationen kommen, in denen Eltern oder Kinder angeben, der Lehrer oder die Lehrerin hätte die Aufsichtspflicht verletzt oder sich unfair gegenüber einem Schulkind verhalten, z. B. es beleidigt. Dann kann es nach Gesprächen mit den Eltern oder der Schulleitung sowie einer Meldung bei der Schulaufsichtsbehörde in letzter Instanz zum Rechtsstreit kommen.
In der Regel wird jedoch nicht die einzelne Lehrkraft verklagt, sondern die Schule als Institution. Nur wenn sie sich straf- oder zivilrechtlich etwas zu Schulden kommen lassen hat, wenn er oder sie z. B. ein Kind beschimpft oder tätlich angegriffen hat, kann ein Lehrer oder eine Lehrerin als Individuum angeklagt werden. „Wenn es aber um Noten, Zeugnisse oder Disziplinarmaßnahmen geht, wird die Schule als Institution verklagt, nicht der Lehrer oder die Lehrerin. Der Schulleiter muss sich mit der Klage auseinandersetzen und gegebenenfalls eine Überprüfung oder eine Nachkorrektur veranlassen“, erklärt Kraus.
Welche Möglichkeiten gibt es?
Lehrkräfte sollten sich zunächst rechtlich beraten lassen. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten.
Genau dokumentieren
Pädagogische Maßnahmen werden von den Gerichten in der Regel nicht behandelt, Ordnungsmaßnahmen wie Unterrichtsausschluss oder Schulverweis hingegen schon.
Meistens geht es aber um die Aufnahme oder Entlassung von der Schule, Versetzung in die nächste Klassenstufe oder die Empfehlung fürs Gymnasium. Sollte es hier zu einem Gerichtsverfahren beim Verwaltungsgericht kommen, müssen Lehrerinnen und Lehrer als „Zeugen“ im Zweifel nachweisen können, wie sie z. B. mündliche Noten vergeben haben. Daher sollten sie rechtzeitig Arbeitsprozesse etablieren, in denen genau dokumentiert wird, wie eine Entscheidung zustande kam. Dazu sagt die Berliner Schulanwältin Simone Pietsch im Interview mit dem Focus: „Klagen gegen Noten haben nur Sinn, wenn der Lehrer beispielsweise die Durchschnittsnote falsch ausgerechnet hat. Liegt sie innerhalb seines Ermessensspielraums, müsste ich nachweisen, dass der Lehrer das Kind nicht mag – das funktioniert nicht.“
Das Verhalten einiger Eltern in Notenfragen ist sicherlich damit zu begründen, dass sie z. B. Angst davor haben, dass ihrem Kind ohne Abitur die Zukunft verbaut wird. Daher empfehlen Rechtsexperten Schulungen der Lehrkräfte in juristischen Fragen und Elternarbeit, wie Hans-Peter Etter, Leiter der Rechtsabteilung des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands auf Spiegel online sagt.
Berufsverbände und Lehrergewerkschaften kontaktieren
Die Lehrerinnen- und Lehrerverbände der Länder, der Verband Bildung und Erziehung (VBE) oder der Deutsche Lehrerverband bietet den Mitgliedern die Möglichkeit der Rechtsberatung und auch Rechtsvertretung im Ernstfall. Außerdem gibt es gewerkschaftliche Interessensvertretungen, wie die GEW oder die DGB, die ebenfalls einen Rechtsschutz für angestellte und beamtete Lehrkräfte anbietet.
Juristinnen und Juristen, die mit den Verbänden und Gewerkschaften zusammenarbeiten, haben in der Regel viel Erfahrung im Schul- und Verwaltungsrecht und können dementsprechend zügig ermitteln, ob ein Gerichtsprozess nach Klärung der Positionen Aussicht auf Erfolg hätte.
Webseiten der Lehrerverbände und Gewerkschaften (Auswahl):
- Verband Bildung und Erziehung
- Deutscher Lehrerverband
- Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
- DGB
- Deutscher Beamtenbund und Tarifunion (DBB)
- Interessenvertretung Lehrkräfte in Schleswig-Holstein
- Deutscher Lehrerverband Hamburg DLH e. V.
- Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband
- Lehrerverbände NRW
- Sächsischer Lehrerverband
- Verband Niedersächsischer Lehrkräfte
- Philologenverband Baden-Württemberg
- Deutscher Lehrerverband Hessen
- Brandenburgischen Pädagogen-Verband (BPV)
- Saarländischer Lehrerinnen- und Lehrerverband
- VBE Bremen
- VBE Berlin
- GEW MV
- GEW Rheinland-Pfalz
- Philologenverband Sachsen-Anhalt
- Thüringer Lehrerverband
Titelbild: © DGLimages/shutterstock.com
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Das sind nützliche und alltagstaugliche Hinweise. Wesentlich für das professionelle Auftreten und die Handlungssicherheit von Lehrkräften ist ein Grundlagenwissen im Schulrecht. Sinnvoll wäre es, diese Vermitttlung in die Lehrerausbildung einzubeziehen und durch berufsbegleitende Fortbildungen von Zeit zu Zeit aufzufrischen. [gekürzt, bitte verzichten Sie auf Werbung, die Redaktion]