Bildungsföderalismus: Soll das Kooperationsverbot fallen?
Nachdem der „Lehrer des Jahres“, Robert Rauh, eine Online-Petition startete, fragen wir: Sollte die Trennung von Bund und Ländern im Schulbereich aufgehoben werden?
Hintergrund
Die seit 2006 geltende Föderalismusreform untersagt eine Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in Bildungsfragen. Das bedeutet, es gibt in Deutschland 16 verschiedene Bildungspolitiken – in Form von Schulminister/innen, Schulsenator/innen und Landesbildungsministerien, die 16 verschiedene Bildungswege und Abschlüsse spezifizieren. Das ist nicht nur unübersichtlich, sondern oft auch hemmend für Lehrende und Lernende, die zwischen den Bundesländern wechseln.
Schülerinnen und Schüler werden teilweise nicht in der gleichen Klassenstufe anerkannt. Ihr Schulabschluss wird bei Uni- oder Ausbildungsbewerbungen schlimmstenfalls herabgestuft. Wenn sie im Laufe ihrer Schulzeit das Bundesland wechseln, kann es andere Regeln zur Einschulung, zum Spracherwerb, zu Pflicht- und Wahlunterricht, zu Schulformen und zu den Abschlussprüfungen geben. Lehrerinnen und Lehrer ereilt ein ähnliches Schicksal: Für Lehramtsabsolvierende besteht kein Rechtsanspruch auf Anerkennung einer „laufbahnrechtlichen Voraussetzung“, also einer gleichwertigen Ausbildung in einem anderen Bundesland. Wer nach Abschluss des Studiums in ein anderes Bundesland zieht, hat kein Recht darauf, dass seine Ausbildung vollständig anerkannt wird. Zudem unterscheiden sich Lehrpläne und Lehrerausbildungen je nach Bundesland.
Im Oktober 2014 wurde das Kooperationsverbot zwischen der Bundes- und der Länderebene im Hochschulbereich aufgeweicht. Finanzielle Unterstützungen können jetzt vom Bund in die Länder und an die Hochschulen fließen, wenn die Projekte von überregionaler Bedeutung sind.
Kooperationsverbot im Schulbereich bleibt bestehen
Für die Grund- und weiterführenden Schulen besteht weiterhin das Kooperationsverbot. Somit kommen alle konzeptionellen und finanziellen Verantwortungen immer noch den Schul- und Bildungsministerien der Länder zu.
Einige Politiker, wie etwa Grünen-Politiker Öczan Mutlu, fordern auch für die Schulbildung die Aufhebung des Kooperationsverbots. Mutlu will es bundesweit möglich machen, öffentliche Schulen einheitlich auszustatten. Dieses Missverhältnis trage derzeit auch dazu bei, dass keine Bildungsgerechtigkeit in Deutschland herrsche: „Es kann nicht sein, dass die Bildungschancen von Kindern davon abhängen, ob sie in Bayern oder Bremen zur Welt kommen.“
Im Dezember 2015 stellt der stellvertretende Bundestagsfraktionschef der SPD, Hubertus Heil, einen Antrag, der das Kooperationsverbot aufheben möchte. Dieser Antrag will mit einer „nationalen Bildungsallianz“ auch Flüchtlingskindern den Zugang zur Bildung ermöglichen. Im Antrag stellt die SPD fest, dass Bildungserfolg in Deutschland immer noch sehr eng mit der sozialen Herkunft und der ökonomischen Leistungsfähigkeit der Familie verknüpft sei. Weiter heißt es: „Wir brauchen eine gesamtgesellschaftliche Kraftanstrengung von Bund, Ländern und Kommunen, wenn wir die Integrationschancen, die eine gute Bildung bietet, nutzen wollen.“ Dazu soll der Bund nicht nur finanziell sondern auch konzeptionell in die Schulbildung eingreifen können.
Aber nicht nur Politiker stellen das Kooperationsverbot infrage. Anfang November 2015 startete der ehemalige „Lehrer der Jahres“ Robert Rauh eine Online-Petition. Darin fordern er und seine Mitstreiter und Mitstreiterinnen „das Ende der Kleinstaaterei im Schulwesen“. Das regelmäßige Reformchaos nach Landtagswahlen würde nicht, wie von den Landesbildungsministerien argumentiert, zu einem Wettbewerb um das beste Schulsystem führen. Stattdessen würden Kosten verursacht und Schüler und Schülerinnen sowie Lehrkräfte strapaziert. Bislang haben knapp 2500 Menschen die Petition unterschrieben.
Und was sagen Sie?
Wir möchten Ihre Meinungen einfangen. Sollte die Bundesregierung das Kooperationsverbot kippen oder bestehen lassen? Nehmen Sie an der Umfrage teil und schreiben Sie uns einen Kommentar unter den Beitrag.
Die Umfrage wurde mittlerweile beendet. Zur Auswertung gelangen Sie hier.
Titelbild: © file404/shutterstock.com
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Allein das Konzept des Kooperationsverbotes hat mich als früheren [österreichischen!] Lehrer der beruflichen Sekundarstufe wie ein Blitz getroffen (wusste nicht, dass es so etwas heute noch geben kann).. Und ich dachte immer, wir müssten uns im Bildungswesen ein Beispiel am EU-Staat >Deutschland nehmen …. Also ich finde das unfassbar – wie soll da Europa irgenwie weiterkommen? hg ph
Leider finde ich diese Umfrage nur z.T. aussagekräftig. Es wäre meiner Meinung nach notwendig, nicht nur ein Argument je Stichpunkt angeben zu können. Vor allem bei „Wofür könnte das Verbot aufgeweicht werden?“ müsste man jedes(!) Argument ankreuzen!
Zur ersten Frage muss ich sagen, dass das Kooperationsverbot nicht nur nicht mehr zeitgemäß ist sondern meiner Meinung nach sogar verfassungswidrig.
Ach, ich liebe die Demokratie. Jeder sagt seine Meinung, keinen schert es.
Wollen wir hoffen, dass irgendwann eine Bildungsreform nicht auf Kosten der Beteiligten sondern auch für die Beteiligten (Lehrer wie Schüler) durchgesetzt wird.
Hallo!
Die Liste der Nachteile durch den Föderalismus ließe sich noch weiterführen. z.B. Schlechte Versorgung mit Schulmaterial für den inklusiven Unterricht, da es sich für einzelne Bundesländer nicht lohnt Inklusionsbegleitmaterial zu entwickeln.ODER viele (gut dotierte) Stellen in den Bildungsministerien würden u.U. überflüssig… nicht auszudenken, was mal an der Schule vor Ort damit machen könnte….
Ps ich hätte gerne mehrere Antworten bei Frage 2 beantwortet.
Beim 1. Teil habe ich mit ja auf die Frage geantwortet, ob das Kooperations fallen muss!
Bei der Frage nach dem Wofür müssten mehrere Antworten zugelassen werden. Ich hätte allen Teilen zugestimmt.
Sehr geehrter Herr Görner,
sehr geehrte [ich],
vielen Dank für Ihr Feedback zur Umfrage! Wir haben, nach Ihren Anregungen, die Zwischenfrage in der Umfrage entfernt. So lassen sich hoffentlich im weiteren Verlauf Irritationen vermeiden. Die erste Frage zu ändern ist nachträglich nicht möglich. Ebenso ist es bei der Antwortauswahl. Wir nehmen das Feedback für zukünftige Umfragen auf.
Viele Grüße
Virginia
aus den sofatutor-Magazinen
Dieses Schulsystem ist äußerst hinderlich für einen fortschrittlichen Staat. Das ist gerettete Kleinstaaterei, wo einige ihre Daseinsberechtigung zu Lasten des Fortschritts dokumentieren.
Der Unterricht gibt genügend Möglichkeiten der Differenzierbarkeit.
Lehrerausbildung straffen und Referendariat unabhängig von Einzeleinschätzungen machen.
Bitte ändern Sie die erste Frage! Ich dachte fälschlicher Weise, dass sie die Frage des Artikels („Soll das Kooperationsverbot fallen?“) aufgreift und habe sie daher nur überflogen und mit „Ja“ geantwortet, denn ich finde das Kooperationsverbot muss fallen! Mit meinem „Ja“ habe ich nun aber das genaue Gegenteil angegeben, nämlich, dass ich es sinnvoll fände =(