Rabe: „Langsam wird es Zeit“
Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe fordert Taten von der Bundesregierung beim Thema Digitalisierung. Die Hansestadt geht mit gutem Beispiel und Pragmatismus voran.
Herr Rabe, was war Ihr Lieblingsfach in der Schule?
Ties Rabe: „Ich lese gerne, mag und mache Musik und ich fand Tiere schon immer faszinierend. Daher waren meine Lieblingsfächer Deutsch, Biologie und Musik. Welches Fach gerade Favorit war, hing vom Lehrer bzw. der Lehrerin ab. Meistens lag Deutsch vorn.“
Was ist der größte Vorteil einer Digitalisierung des Unterrichts in Ihrer Wahrnehmung?
Ties Rabe: „Die Schule soll auf das Leben vorbereiten – und in Beruf, Studium und Freizeit begegnen wir digitalen Medien auf Schritt und Tritt. Internet und Computer bieten zudem große Chancen, schneller und besser zu lernen. Aber sie bergen auch Risiken. Es ist daher wichtig, dass Kinder und Jugendliche den richtigen Umgang mit digitalen Medien schon in der Schule lernen.“
Finden Sie, dass Handys weiterhin im Unterricht verboten sein sollten?
Ties Rabe: „Nein, Handys bereichern den Unterricht und gehören erlaubt. Aber mit dem Handy im Unterricht daddeln und Unsinn machen – das gehört weiterhin verboten.“
Was möchten Sie diesbezüglich für die Hamburger Schulen in den nächsten zwei Jahren erreichen?
Ties Rabe: „Ich möchte in einem ersten Schritt in allen weiterführenden Schulen die meisten Unterrichtsräume mit WLAN ausstatten. Und ich möchte, dass schrittweise in allen Unterrichtsfächern neben Schulbuch, Arbeitsheft und Stift genauso selbstverständlich auch Smartphones, Tablets oder Laptops zum Lernen und Üben eingesetzt werden.“
Es soll laut Medienberichten zusätzliches Geld für die Ausstattung der Schulen und digitale Unterrichtsbausteine über ein eigenes Portal geben. Wie stellt die Hamburger Schulbehörde sicher, dass beides zügig und sinnvoll eingesetzt wird?
Ties Rabe: „Wir stehen schon seit einem Jahr Gewehr bei Fuß und wollen schnellstens WLAN in den Klassenräumen einbauen. Leider wurstelt die Bundesregierung noch immer an der Umsetzung des ‚Digitalpaktes‘. Der war schon für Ende 2016 angekündigt. Langsam wird es Zeit.“
Wie bilden Sie Lehrer und Lehrerinnen entsprechend aus und weiter?
Ties Rabe: „Natürlich werden wir viele Schulungen organisieren. Aber erst einmal brauchen wir geeignete Unterrichtsmodelle mit digitalen Medien, funktionierende Lernprogramme und Ideen für den Einsatz von Computern im Unterricht. Daran arbeiten wir. Wenn das steht, legen wir mit den Schulungen los. Doch bei der Veränderungsgeschwindigkeit digitaler Medien sollten wir ehrlich sagen: Bis 700.000 Lehrkräfte in Deutschland geschult sind, ist die Technik schon mehrere Jahre weiter. Deshalb setzen wir auch auf digital erfahrene Lehrkräfte, die an jeder Schule das Prinzip ‚Learning by Doing‘ fördern. Wir brauchen nämlich beides: Schulungen und Selbsthilfe. Anders ist so ein Projekt nicht zu stemmen.“
Finden Sie, dass die Medienkompetenzbildung bei Lehrerinnen und Lehrern sowie Schulleitern und -leiterinnen umfassend greift?
Ties Rabe: „Ich finde, es wird schon mehr gelehrt, gelernt und gemacht, als öffentlich wahrgenommen wird. Wir haben viele junge Lehrkräfte, die ganz anders mit digitalen Medien groß geworden sind und besser damit umgehen können, als ich es kann. Klar, wir müssen noch besser werden – aber wer muss das nicht?“
Da die digitalen Bausteine bislang nur auf freiwilliger Basis angeboten werden sollen, ist die Möglichkeit gegeben, dass sich nur Wenige damit auseinandersetzen. Welche Anreize möchten Sie Lehrkräften und Schulleitungen geben, sich mit den Angeboten auseinanderzusetzen?
Ties Rabe: „Es gibt auch keine Anreize, Schulbücher im Unterricht zu verwenden. Trotzdem setzen die Lehrkräfte Schulbücher ein. Denn der Anreiz liegt in der Sache selbst: Wenn etwas im Unterricht gut funktioniert, wenn die Schülerinnen und Schüler damit etwas lernen und wenn alle zufrieden sind, dann wird es gemacht. Aber wenn etwas nicht funktioniert, dann nützen auch Anreize nichts. Deshalb müssen wir erreichen, dass digitale Medien im Unterricht gut funktionieren und die Schülerinnen und Schüler etwas lernen. Das ist der beste Anreiz.“
Wie sieht für Sie der Schulalltag im Jahr 2030 aus? Benutzen Schülerinnen und Schüler noch Stift und Papier?
Ties Rabe: „Ja, klar! Ich wünsche mir das jedenfalls. Aber sie sollten genauso selbstverständlich auch digitale Medien verwenden.“
Als ehemaliger Präsident der Kultusministerkonferenz: Ist das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern im Schulbereich Ihrer Meinung nach zeitgemäß?
Ties Rabe: „Wichtige große Vorhaben können die Länder nur gemeinsam mit dem Bund stemmen. Da behindert uns das Kooperationsverbot. Aber wir brauchen auch künftig getrennte und eindeutig zuzuordnende Aufgabenbereiche zwischen Bund und Ländern. Wenn alle gleichzeitig alles machen und überall hineinregieren, dann kommt nichts Gutes heraus. Das ist wie beim Hausbau: Klempner, Zimmermann und Maurer müssen zusammenarbeiten. Aber wenn der Maurer Rohre verlegt und der Zimmermann mauert, geht es schief.“
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Titelbild: © Michael Zapf (Hintergrund durch sofatutor.com geändert)
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Es ist schon erschreckend, wie hier bei https://magazin.sofatutor.com/ unverhüllt
Lobbyismus betrieben wird. Ständig liest man Stellungnahmen von Lehrern, die unter dem Deckmantel der „Digitalisierung“ fordern, man solle die Nutzung von Smartphones im Unterricht zulassen. Selbstverständlich wird dabei immer alibimäßig darauf hingewiesen, dass die Schüler natürlich nicht „daddeln“, sondern einen verantwortungsvollen Umgang mit den Spielzeugen lernen sollen. Das ist ebenso wirklichkeitsfern wie lächerlich. Kein Schüler lernt besser durch die Nutzung eines Smartphones. Das haben mehrere internationale Studien ergeben. Ja, richtig: Auch in den Universitäten spielen das Handy und das Internet zunehmend einer Rolle. Und zwar immer stärker in dem Sinne, dass die Studenten doch bitte gar nichts mehr mitschreiben und wenn möglich auch nicht zu Vorlesungen oder Seminaren vor 10 Uhr erscheinen müssen. Lauthals wird nämlich verlangt, die entsprechenden Skripte online zu stellen, damit man sie sich nur noch runterladen braucht. Die „frühe“ Anwesenheit in der Uni oder das lästige Mitschreiben würden somit obsolet.
Die Forderung nach der Handynutzung im Unterricht stammt meist von Lehrern, die a) selbst gern das Handy im Unterricht verwenden (weil sie sich dann weniger zuhause auf den Unterricht vorbereiten müssen) oder die b) nicht in der Lage sind, die Handynutzung während des Unterrichts zu unterbinden. Sie kapitulieren, gestehen mit einer solchen Forderung indirekt ihre Hilflosigkeit und ihren Autoritätsverlust ein. Schön, wie das auf dieser Seite hier immer als leuchtendes Beispiel dargestellt wird.