eduScrum – Projektmanagement fürs Klassenzimmer

Wie können Schüler*innen effektiv in Gruppen zusammenarbeiten? Diese Frage hat sich ein niederländischer Lehrer gestellt und daraus eduScrum entwickelt. Was es damit auf sich hat.

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In kleinen Teams eigenverantwortlich, produktiv und flexibel arbeiten – das ist die Philosophie des Projektmanagement-Rahmenwerks Scrum. Seit den 1990er Jahren hat sie sich im Bereich der Softwareentwicklung etabliert und wird mittlerweile weltweit angewandt. Doch nicht nur in großen Unternehmen ist es wichtig, eigenständig und dynamisch Projekte planen zu können. Auch in der Schule können Schüler*innen davon profitieren. Wie das funktioniert, erfahren Sie hier.

Was bedeutet Scrum und was kann man sich darunter vorstellen?

Scrum bezeichnet ein Rahmenwerk des agilen Projektmanagements. Das Wort „Scrum“ bedeutet „Gedränge“. Angelehnt ist der Begriff an einen gleichnamigen Spielzug aus dem Rugby, bei dem das Team besonders eng zusammensteht. Denn so soll auch die Zusammenarbeit im Unternehmen stattfinden – mit Strategie und Teamwork.

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Wie ist die Projektarbeit mit Scrum organisiert?

Die Projekte werden mithilfe des Scrum Rahmenwerks in kurze zeitliche Einheiten von ca. zwei, maximal vier Wochen, sogenannte Sprints, unterteilt. 

Diese Sprints haben eine feste Struktur und beginnen immer mit einer detaillierter Planung, dem sogenannten Planning. Veränderungen und Unterbrechungen sollen innerhalb der Sprints vermieden werden. 

Im anschließenden Sprint Review wird das entstandene Ergebnis betrachtet und nötige Erweiterungen oder Änderungen besprochen. Das jeweilige Feedback kann dann im nächsten Sprint berücksichtigt werden.

Die Aufgaben, die während der Sprints bearbeitet werden sollen, werden meist an einem Scrum Board visualisiert. Das kann eine Tafel, ein Whiteboard oder ein digitales Tool (z.B. Scrumblr oder iceScrum) sein. 

Zusätzlich findet täglich ein kurzes Stand-Up-Meeting (ca. 15 Minuten) statt, bei dem sich die Mitglieder eines Teams über den Stand der Arbeit austauschen.

Wer übernimmt bei Scrum welche Aufgaben?

Im Scrum-Team gibt es drei zentrale Rollen: den Scrum Master, den Product Owner und das Entwicklungsteam.

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© sofatutor.com

Der Scrum Master unterstützt und berät die Entwicklungsteams. Er bzw. sie hilft beim Verständnis sowie der Umsetzung vom Scrum Rahmenwerk und von Meetings. Außerdem hilft der Scrum Master bei Moderation und Coaching und unterstützt die Kommunikation
in den Teams.

Der Product Owner ist verantwortlich für die Produktvision. Er bzw. sie legt fest, welche Eigenschaften das Endprodukt haben soll und übernimmt die Kommunikation mit Kund*innen. Er oder sie ist dafür verantwortlich, dass das jeweilige Team das beste aus der Arbeitszeit herausholen kann und den größten Nutzen für den Kunden bzw. die Kundin schafft.

Das Entwicklungsteam kümmert sich selbstorganisiert um die Umsetzung des Projekts ggf. mit Unterstützung des Scrum Masters. In der Retrospektive reflektiert das komplette Scrum Team, welche Fortschritte gemacht wurden, welche Probleme aufgetreten sind und welche Entwicklungen in Zukunft wünschenswert wären.

eduScrum im Klassenzimmer – was muss ich dazu wissen?

Der niederländische Lehrer Willy Wijnands lernte Scrum erstmals durch seinen Schwiegersohn kennen. Das brachte ihn auf die Idee, Scrum auch für seinen Unterricht zu nutzen. So entstand das Konzept eduScrum.

Laut Wijnands lernen Schüler*innen mit eduScrum , sich Themen effektiver und vor allem effizienter zu erarbeiten, besser miteinander zu kooperieren und die eigene Arbeit zu reflektieren. Gerade beim Erwerb der vier Schlüsselkompetenzen der Zukunft, Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritisches Denken, kann eduScrum hilfreich sein.

Agiles Projektmanagement lässt sich also gut im Klassenzimmer anwenden – braucht aber etwas Vorbereitung. Folgende Dinge sollten Sie angehen, bevor Sie eduScrum in Ihren Unterricht integrieren:

  • Belesen Sie sich zu den Themen Scrum und eduScrum im Internet oder besuchen Sie ggf. Seminare oder Trainings.
  • Bereiten Sie die Arbeitsmaterialien und Medien so vor, dass Schüler*innen selbstständig arbeiten können und Sie eher als Berater bzw. Beraterin oder bei Verständnisproblemen hinzugezogen werden.
  • Erklären Sie Ihren Schüler*innen die Methode verständlich und am besten anhand eines Projekts, dass Sie mit Ihrer Klasse bearbeiten. Dabei ist es besonders wichtig dass die Schüler*innen verstehen, warum die Zusammenarbeit mit eduScrum sinnvoll ist.

Wie kann ich eduScrum konkret anwenden?

Wenn Sie sich mit der Methode von eduScrum vertraut gemacht haben, sollten Sie sich überlegen, welche Elemente Sie in Ihren Unterricht integrieren wollen. Hier finden Sie einige Anwendungsbeispiele:

1. Teambildung: Die Lehrkraft nimmt bei eduScrum stets die Rolle des Product Owners ein und legt fest, welches Thema erarbeitet werden soll bzw. was inhaltlich durch den Lehrplan vorgegeben ist. Im Gegensatz zu Scrum kann die Lehrkraft gerade am Anfang auch assistieren und moderieren, wenn die Teams diese Aufgaben noch nicht übernehmen können. Bevor Sie mit Ihrer Klasse in die Projekte starten, lassen Sie Teams mit fünf bis sieben Schüler*innen bilden. Die Schüler*innen sollten sich dabei überlegen, welche Fähigkeiten innerhalb eines Teams gebraucht werden. Auf dieser Basis sollten sich die Gruppen zusammenfinden. Bei der Teambildung sollten die folgenden Kriterien beachtet werden:

  • Wissen, Kompetenzen und generelle Stärken der Teammitglieder ergänzen sich
  • ausgeglichenes Verhältnis der Geschlechter
  • bei jedem Projekt können andere Teams entstehen
  • Zusammensetzungen aufgrund von Freundschaften sind ungünstig

Einige Schüler*innen nehmen die Rolle des Scrum Masters ein, um in ihrem jeweiligen Team unterstützend bzw. moderierend tätig zu sein. Die Scrum Master arbeiten jedoch auch in ihrem jeweiligen Team mit.

2. Scrum Board: Die Schüler*innen legen Aufgaben und Prozessschritte innerhalb ihrer Teams fest und schreiben diese auf Klebezettel oder magnetische Kärtchen. Die werden an der Tafel, einem Whiteboard, einem Flipchart oder auf einer Papierunterlage in den entsprechenden Spalten (z. B. planned – doing – done) befestigt und je nach Entwicklungsstand verschoben. Außerdem sollten die Schüler*innen ungefähr einschätzen, wie lange sie für die jeweiligen Aufgaben brauchen und dies vorab notieren.

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© sofatutor.com

3. Daily Standup: Der Daily Standup (ca. 5 Minuten) findet täglich am Anfang des Schultages oder der jeweiligen Schulstunde statt. Dabei besprechen die Schüler*innen den aktuellen Stand des gemeinsamen Projekts und orientiert sich dabei an den folgenden Fragen:

  • Was haben wir gestern erreicht?
  • Was will ich heute erreichen?
  • Was hindert mich daran, es zu erreichen?

4. Review: Beim anschließenden Review liegt der Gesprächsfokus auf dem Produkt, also auf dem was die Schüler*innen während des Projekts gelernt haben. Gemeinsam wird nun das Lernergebnis überprüft. Dies geschieht in Form von Klausuren, Tests oder Gruppenpräsentationen. Auch ein Gruppenvideo, in dem die Ergebnisse präsentiert werden ist denkbar.

5. Retrospektive: In der Retrospektive, einer gemeinsamen Feedbackrunde, reflektieren Schüler*innen, moderiert von der Lehrkraft, ihre Zusammenarbeit und die persönliche Entwicklung sowie die Entwicklung des gesamten Teams. Die Lehrkraft nimmt hierbei eine moderierende Rolle ein. Bei der Retrospektive wird besprochen, was gut gelaufen ist, was zukünftig anders gemacht werden sollte und welche Ressourcen dafür nötig sind.

Eine Expertinnenmeinung zu eduScrum

Karin Becker ist Scrum-Expertin und Agile Coach bei sofatutor und kennt sich auch mit eduScrum aus. Sie sieht das Potenzial von Scrum im Schulkontext vor allem darin, dass Schüler*innen lernen, sich Themen eigenständig zu erschließen und sich dabei selbst reflektieren und strukturieren:

„Zu verstehen, wie man sich in ein neues Thema einarbeiten kann, von dem man vorher keine Ahnung hatte, ist, gerade in der heutigen Zeit, eine absolute Schlüsselkompetenz, sowohl in der Schule als auch im Beruf. Der Glaube an Kanonwissen hingegen ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Projekte sollten offen gestaltet und Ergebnisse nicht im Voraus festgelegt werden. So können Schüler*innen sich eigenverantwortlich Wissen aneignen und auch persönliche Interessen in den Unterricht einbringen. Nicht zu wissen, wie ein Projekt ausgeht, entspricht der Welt, in der wir leben. Da ist auch nichts vorhersehbar und vieles verändert sich.“

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©Titelbild: Anna Samoylova/unsplash.com