„Zwei gute Gründe, Lehrer zu werden: Juli und August“

In Berlin haben die Sommerferien begonnen: Lernende und Lehrende fahren in den Urlaub und nehmen ihr wohlverdientes Sonnenbad. Wohlverdient?! Das sehen nicht alle so. Frau mit Klasse über Klischees, denen Lehrkräfte begegnen.

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„Bei einer Lehrerin wundert mich gar nichts mehr.“

Diesen Spruch bekam ich neulich zu hören, als es um meine Berufsgruppe ging. Als Lehrerin oder Lehrer muss man sich einiges anhören. Schon fünfeinhalb Wochen Sommerurlaub sind für die meisten unvorstellbar. Auch ich bin sehr dankbar dafür und weiß das zu schätzen. Aber muss ich mich deshalb jedes Mal rechtfertigen? „Etwa schon wieder Urlaub?“, wurde ich gefragt. „Ja, Augen auf bei der Berufswahl.“

„Habt ihr wirklich sechs Wochen frei?“

Definitiv nicht. Im kommenden Schuljahr bekomme ich wieder eine eigene Klasse. Ich unterrichte dort meine eigenen Fächer, aber auch fachfremd. Zu den Lehrerinnen und Lehrern, die unvorbereitet in den Unterricht gehen, gehöre ich nicht. Sicherlich, ab und an darf mal improvisiert werden. Dennoch: Ein strukturierter Ablauf ist wichtig. Dementsprechend werde ich die Ferien nutzen, um den Unterrichtsstoff zu planen und mich auf die neue Klasse vorzubereiten. Ich werde mir aber zugegebenermaßen aber auch genügend Zeit für Entspannung nehmen. Aber nicht die ganzen sechs Wochen. Wir müssen ja vor den Schülerinnen und Schülern wieder in der Schule sein. Und wenn ich mir meine Kolleginnen und Kollegen ansehe, die zudem noch riesige Korrekturstapel zu bewältigen haben, kann ein wenig Urlaub zwischendurch wirklich nicht schaden.

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„Du bist doch mittags schon zu Hause!“

Doch nicht nur das Urlaubsklischee wird bedient. Außenstehende sehen generell gern, was sie sehen wollen. Ja, als Lehrerin oder Lehrer ist man früh zu Hause. Aber nicht immer: Konferenzen, Elternabende und weitere Veranstaltungen gehen häufig bis in die Abendstunden. Und was viele nicht wissen: Danach geht die Arbeit noch weiter. E-Mails müssen beantwortet, Arbeiten korrigiert und Unterricht geplant werden. Nicht selten kommt es vor, dass man als Lehrer oder Lehrerin nach der Schule noch viele Stunden bis nachts am Schreibtisch sitzt. Besonders im Referendariat habe ich fast die ganze Zeit dort verbracht.

„Nur 27 Unterrichtsstunden pro Woche?“

Ja. Und jede einzelne muss vorbereitet werden. Und in dieser Zeit habe ich ca. sechs Stunden täglich damit zu tun, Konflikte zu lösen, stets eine erhöhte Lautstärke zu ertragen und starker Demotivation zu begegnen. Ich will mich nicht beschweren, ich habe mir meine aktuelle Schulform der Sonderschule freiwillig ausgesucht und Tag für Tag stellt sie mich vor neue Herausforderungen. Tatsächlich bin ich häufig schon nach einer geringeren Stundenzahl ziemlich erledigt, auch aufgrund der Lärmbelastung. Aber egal, an welcher Schule man tätig ist: Der Beruf der Lehrerin bzw. des Lehrers erfordert immer deutlich mehr Zeitaufwand, als die vertraglich festgelegte Arbeitszeit.

Hoch die Hände, Wochenende!

Ja, das sage ich am Freitag gern. Nein, deshalb habe ich noch lange nicht jedes Wochenende frei. Der Sonntag war eine ganze Weile fester Schreibtischtag. Dann schreibt die Mutter eines Schülers noch gegen Abend, man möge bitte zurückrufen und das Formular für die Klassenfahrt muss noch ausgefüllt werden. Ah, und die Klassenarbeit muss konzipiert werden. Und bevor ich es vergesse, muss ich noch die Schulpsychologin anrufen. Und auf einmal ist der Sonntag rum.

Mehr Vertrauen in Lehrkräfte

Wir Lehrerinnen und Lehrer bekommen viele Ratschläge. Sicherlich sind wir offen für Kritik, welche oft auch gut gemeint ist. Aber: Wir Lehrerinnen und Lehrer sind starke Persönlichkeiten. Wir schaffen das! Wir versuchen, das Beste für unsere Schülerinnen und Schüler herauszuholen. Und da brauchen wir ab und an auch unsere wohlverdienten Ferien.
Aber bevor ich mich nun weiteren wichtigen Schulaufgaben widme, mache ich genau das: Urlaub. Nämlich den restlichen Juni und Juli. Und das habe ich mir auch verdient. All meinen Kolleginnen und Kollegen, damit wir genügend Kraft tanken, um bald in ein tolles, neues Schuljahr zu starten. Vorher muss ich jedoch noch meinen Schreibtisch aufräumen. Wir lesen uns. Bis dahin einen schönen Sommer und gute Erholung!

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