Lernen in anderen Ländern: The National EdTech Plan – USA

Seit 2016 gilt für die US-Schulen ein aktualisierter, nationaler Plan für die digitale Bildung. Darin wird sogar vom BYOD-Konzept abgeraten.

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Oft blicken wir innerhalb des Lehrer-Magazins auf die digitale Bildung in Deutschland. Auch in anderen Ländern gibt es spannende Entwicklungen, die wir in dieser Serie beleuchten. Im ersten Teil berichten wir über die USA. Dort gibt seit Januar 2016 einen neuen, zweiten National EdTech Plan. Dieser soll in den nächsten Jahren alle Schülerinnen und Schüler den Zugang zu mobilen Endgeräten und digitalen Bildungsmedien ermöglichen – „überall, jederzeit“. Was soll umgesetzt werden, um das Ziel zu erreichen?

Am Anfang sollten so viele Akteure wie möglich mitmachen

Am Anfang ging es in den USA, wie in Deutschland, um die Frage: Sollten die Schülerinnen und Schüler in Kontakt mit den digitalen Medien im Unterricht kommen? Wie sollte dieser Kontakt aussehen und wie konnte er auf nationaler Ebene flächendeckend an den Schulen gelingen? Dazu entstand 2010 ein erster nationaler Bildungsplan für die digitale Bildung, der National EdTech Plan 2010. Darin ging es um eine generelle Ausstattung mit Geräten, Lizenzen und WLAN und die Frage, wie man alle Akteure aus Bildung, Politik und die Familien auf einen Nenner bringt. Da in den USA die Schulpolitik auf bundesstaatlicher Ebene und zusätzlich in Schulbezirken sehr unterschiedlich gestaltet wird, sah sich die US-Bundesregierung mit diesem ersten gesamtstaatlichen Vorstoß Kritik ausgesetzt. In der Umsetzung gab es immer wieder Pannen. So konnten z. B. kalifornischen Schulen die Softwares der großen Schulbuchverlage lange nicht nutzen, die sie zuvor teuer erstanden hatten. Außerdem sahen es viele Eltern kritisch, dass sich Soft- und Hardwarefirmen wie Apple oder Microsoft der Gestaltung und Umsetzung des National EdTech Plans innerhalb der Future Ready-Initiative annahmen. Anfang des Jahres 2016 folgte ein zweiter National EdTech Plan. Was hat sich verändert?

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National EdTech Plan 2016: „Making possible … everywhere, all-the-time-learning“

Bei der offiziellen Vorstellung des neuen EdTech Plans im Weißen Haus, bekräftigt der damalige US-Bildungsminister Arne Duncan: Es müsse sichergestellt sein, dass alle Lernenden und Lehrenden Zugang zu qualitativ hochwertigen Lerntools hätten. „Wenn die Bildungsrevolution nur für Familien geschieht, die bereits Geld und Bildung besitzen, ist das keine Revolution“, reflektiert Duncan. [Anm.: Übersetzt von der Redaktion, V.W.] Eine der wichtigsten Kompetenzen, die laut National EdTech Plan 2016 erreicht werden soll, ist „Leadership“, die Fähigkeit für Lehrende und Lernende, Verantwortung zu übernehmen und sich selbstständig Wissen anzueignen.

National EdTech Plan

Gegenüberstellung von Prämissen der National EdTech Plans 2010-2016 nach Relevanz |© sofatutor.com

„Productivity“ ist hingegen als Schlüsselkompetenz aus den Top 5 verschwunden. Ging es im ersten Bildungsplan 2010 noch um eine Messbarkeit und Steigerung der Bildungsleistungen bei Schülerinnen und Schülern, steht heute die Anwendung, das Verstehen sowie die Vermittlung von Wissen mithilfe der digitalen Bildungsmedien im Vordergrund. Das Bildungsministerium fordert dazu auf, die erstellten Lehrmaterialien öffentlich zugänglich zu machen, sie also unter „open license“ zu stellen.

Die Position der Lehrerinnen und Lehrer soll gestärkt werden

Ein wichtiger Faktor, ohne den selbst die beste technische Ausstattung nicht funktionieren kann, ist die Vernetzung von Lehrkräften, Medienpädagogen und Medienpädagoginnen sowie Bildungspolitikern und Bildungspolitikerinnen, um die Implementierung der Vorgaben in die Tat umzusetzen. Dazu gehören ein regelmäßiger Austausch aller Ebenen, ein weitreichendes Angebot von Weiterbildungen, Webinaren sowie Toolkits für den Einsatz im Unterricht. Das soll über die Future Ready-Initiative organisiert werden, der sich aktuell 2000 verantwortliche Schulbezirkspolitiker („superintendents“), sowie rund 60 nationale und internationale Partner, darunter Apple, Google und Microsoft sowie große Lernmittelanbieter wie McGraw-Hill Education angeschlossen haben.

Es gibt sogar ein „Office of Education Technology“ – ein Amt für Digitale Bildung, dass dem US-amerikanischen Bildungsministerium unterstellt ist und die Implementierung des National EdTech Plan überwacht und koordiniert.

Weitere Änderungen im National EdTech Plan 2016:

  • Schülerinnen und Schüler sollen Zugriff auf ihre individuellen Daten erhalten, um ihren Lernfortschritt bewusster steuern zu können.
  • Gelungene Praxisbeispiele von Lehreraus- und -weiterbildungen an Universitäten werden im Plan veröffentlicht.
  • „Beware of Bring your own Device“: Erstaunlicherweise rät der National EdTech Plan 2016 zur Vorsicht vor der Unterrichtsmethode, bei der Schülerinnen und Schüler ihre mobilen Endgeräte im Unterricht verwenden. Diese Möglichkeit ist auch in Deutschland seit einiger Zeit beliebt. Derzeit betreut ein Pilotprojekt mehrere Klassen in Hamburg wissenschaftlich. Das Bildungsministerium der USA argumentiert aber im 106-seitigen Dokument, dass die Lücke zwischen den unterschiedlich ausgestatteten Schülerinnen und Schülern sich eher vergrößert als minimiert. Zusätzlich sei es für die Lehrkräfte belastend, mit einem Klassenzimmer voller unterschiedlicher Smartphones und Tablets zu unterrichten.
  • Interaktive Übungsmodelle wie Drag and Drop, das Markieren, das Einsetzen von Formeln oder eine Reihe komplexer, aufeinander aufbauender Übungen („perfomance-based assessments“) sollen verstärkt angewendet werden.
  • Mini-Zeugnisse: Sowohl Lehrende als auch Lernende sollen über digitale Abzeichen („badges“) nachweisen können, dass sie sich mit einer neuen Form des digitalen Lernens auseinandergesetzt haben bzw. eine weitere Fähigkeit in dem Bereich erworben haben.

#IamEdTech – Positive Reaktionen

Der Lehrer und Blogger zu digitalen Lernthemen USA Ben Wilkoff reagiert auf seinem Blog „Learning is change“ positiv auf den neuen EdTech Plan 2016. Er merkt an, dass EdTech ein Aufgabe für jede einzelne Person sei. Ansonsten ließe sich der, seiner Meinung nach, gut durchdachte Plan nicht umsetzen. Er steht hinter den neuen Bestrebungen. Bei Twitter prägte er in diesem Zusammenhang den Hashtag #IamEdTech.

Die Lehrerin Renee Hobbs, die im letzten nationalen Bildungsplan für Digitale Bildung kein anwendbares Modell für die Praxis sah, ist ebenfalls überzeugt von den Neuerungen. Sie lobt vor allen Dingen, dass der Plan die Rolle der Lehrerinnen und Lehrer und deren Einsatz anerkenne.

Die Bedeutung der digitalen Bildungsmedien wechselt nach fünf Jahren Praxiserfahrung in den USA von einer unbekannten Gefahr, der man nicht ausweichen kann, zu einer von vielen Methoden, die ein personalisiertes Lernen in der Schule unterstützt. Die autonome Lerngestaltung rückt stärker in den Vordergrund. Dafür werden verstärkt Feedback-Möglichkeiten für Schülerinnen und Schüler gefordert. Die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer im Umgang mit der digitalen Bildung an den Universitäten rückt in den Fokus. Sie sollen die Lernenden zu einem selbstbestimmten Umgang mit dem Internet vorbereiten. Offene Lehrmaterialien lösen verstärkt klassische Lehrbücher im Unterricht ab.



Titelbild: © Ermolaev Alexander/shutterstock.com