Lernen in anderen Ländern: Das gerechte Estland und die 3D-Drucker
Es stimmt wirklich: Jede Schule in Tallinn verfügt über einen 3D-Drucker. Und noch besser: Seit 1999 sind alle Schulen in Estland ans Internet angeschlossen. Aber das ist lange nicht alles.
Estland steht für Bildungsgerechtigkeit
Während in Deutschland der Schulerfolg eng mit der sozialen Herkunft der Schülerinnen und Schüler zusammenhängt, ist Estland EU-Spitzenreiter in Sachen Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit. Das zeigte die Pisa-Studie 2015. Aber auch das Schulsystem gilt als eines der besten Europas und das spiegelt sich im Bildungserfolg wider: Nur 4,7 Prozent der estnischen Schülerinnen und Schülerin fallen in die Kategorie „leistungsschwache Schüler“ und 20 Prozent wurden der Kategorie der „leistungsstarken Schüler“ zugeteilt. Estland ist somit auf dem besten Weg zum Vorzeigeland für Bildung zu werden. Dabei zählt es zu einem der ärmsten OECD-Länder und das Budget für Bildungssachen liegt deutlich unter dem OECD-Durchschnitt. Was macht Estland also anders als Deutschland? Oder besser gesagt: Was macht Estland besser als die meisten anderen europäischen Länder in Sachen Schule und Bildung?
Eines der besten Schulsysteme Europas
Jedes Kind soll die gleichen Chancen bekommen. Deswegen haben alle Kinder bis zum siebten Lebensjahr Anspruch auf eine Betreuung, z. B. durch eine Kita. Dabei dürfen die Kosten nicht mehr als 20 Prozent des gesetzlichen Mindestlohns betragen, sodass sich Eltern den Kitaplatz auch leisten können. Die meisten Kinder (acht von zehn) besuchen vor der Schule eine Kita. Diese sind jedoch anders aufgestellt als deutsche Kitas und Kindergärten. Wie die Schule gibt es auch für die Kitas nationale Lehrpläne. Die Erzieherinnen und Erzieher haben in der Regel studiert, um das Schulvorbereitungsprogramm, das alle fünf- und sechsjährigen Kita-Kinder absolvieren müssen, durchführen zu dürfen. Mit diesem Programm wird sichergestellt, dass alle Kinder mit Schuleintritt ungefähr den gleichen Wissensstand aufweisen.
Bis zur neunten Klasse werden dann alle Schülerinnen und Schüler gemeinsam unterrichtet, ohne dass hier nach Leistung unterschieden wird. Danach entscheiden sie, ob sie einen Abschluss der Sekundarstufe II machen oder die Schule verlassen möchten. Schülerinnen und Schüler, die zum Gymnasium gehen möchten, bekommen unabhängig von den Noten einen Platz. Die Lehrerinnen und Lehrer – diese werden von der Schulleitung ausgesucht und können von dieser gegebenenfalls auch wieder entlassen werden – sind außerdem verpflichtet, ihren Schülerinnen und Schülern jedes Jahr ein ausführliches Feedback zu ihrer Leistung zu geben. Hat ein Schüler oder eine Schülerin große Lernprobleme und schlechte Noten, kümmert sich die Schule, z. B. mithilfe von einer psychologischen Lernbetreuung, sozialpädagogischer Beratung und sonderpädagogischer Förderung, diese in den Griff zu bekommen. Darüber hinaus sind Schulbücher, der Schulbus, das Mittagessen in der Schule und verschiedene Lern- und Freizeitangebote für alle Schülerinnen und Schüler bis zur neunten Klasse kostenlos.
Vom Internet bis zum digitalen Klassenbuch
Und wie sieht es in Estland mit der Digitalisierung aus? Ziemlich gut. Auch hier ist das Land mit gerade mal 1,3 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern europäischer Vorreiter. Das ist seit Jahren schon in den Schulen zu erkennen: Bereits seit 1999 verfügt jede Schule über Internet. Bis 2020 sollten Schulbücher, Arbeitsblätter sowie die Abschlussprüfungen digital sein. Damit alle Lehrerinnen und Lehrer über die dafür notwendigen technischen Voraussetzungen verfügen, gibt es viele Fortbildungen, um die sich das Bildungs- und Forschungsministerium sowie das Bildungsamt kümmern. In der Hauptstadt Tallinn besitzt sogar jede Schule einen 3D-Drucker, die die Schülerinnen und Schüler in verschiedenen Fächern oder bei Projektarbeiten nutzen dürfen. Darüber hinaus werden die Wahlfächer Robotik und Programmieren angeboten. Die Schülerinnen und Schüler sollen lernen, mit der Technik umzugehen und die Technik zum Lernen nutzen. Deswegen sind an jeder Schule genug Tablets und Laptops vorhanden und die Schülerinnen und Schüler dürfen mit ihren Smartphones arbeiten.
Auch die Klassenorganisation ist an fast allen Schulen Estlands bereits digitalisiert. Seit 2002 wird das digitale Klassenbuch „ekool“ verwendet. Hier tragen die Lehrerinnen und Lehrer nach jeder Unterrichtsstunde nicht nur die fehlenden Schülerinnen und Schüler ein, sondern auch die behandelten Themen sowie die Hausaufgaben. Und das Besondere: Die Eltern der Schülerinnen und Schülerinnen können die Daten ihres Kindes einsehen und in Kontakt zur Lehrerin oder zum Lehrer treten. So wissen Eltern immer, wie es in der Schule läuft und können dementsprechend Einfluss nehmen.
Weitere Artikel zum Thema „Lernen in anderen Ländern“
- Finnland und die Kehrtwende
- Russland und die Chancen der Digitalisierung
- Österreich und die digitale Kluft
- Indien – Bildung als Statussymbol
- China – zwischen Exzellenz und Armut
- Schweden – digitales Bildungsparadies?
- USA – The National EdTech Plan
Titelbild: © esfera/shuttersock.com
Weitere Verwandte Artikel