Durch dick und dünn: Geschwister, die ewigen Komplizen
Meine Kinder lernen auch ohne mein erzieherisches Wirken, wie man zusammenhält. Weil sie Geschwister sind. Trotz Zank und gelegentlicher Eifersüchteleien schützen sie sich gegenseitig, wenn es darauf ankommt.
Wie kam die leere Packung in den Kühlschrank?
Zum Beispiel, wenn ich herausfinden möchte, wie die leere Süßigkeitenschachtel in den Kühlschrank kam. Wahlweise auch die bis auf den letzten Tropfen ausgetrunkene Milchtüte oder die Salamipackung ohne Inhalt. Denn, wenn ich frage: „Kinder, wer hat die letzte Milchschnitte gegessen und die leere Packung wieder in den Kühlschrank gelegt?“, antwortet mir keiner.
„Kinder?“ Keine Reaktion. Sie könnten nun anfangen, sich gegenseitig zu beschuldigen. Das wäre eine Taktik, wie man sie im Erwachsenenleben gerne mal anwendet. Die im Übrigen nicht sehr fein ist. Stattdessen gucken meine Kinder mit Unschuldsmienen in die Luft – alle drei.
Solidarität statt Verpetzen
Ich würde mich dann eigentlich gerne ärgern. Schließlich werde ich ganz offensichtlich angeflunkert. Gleichzeitig überfällt mich aber große Rührung – wie sie dastehen und gucken und darauf vertrauen, dass sie mangels Beweisen davonkommen. Ich meine, man müsste sie eigentlich dafür loben, dass sie sich nicht gegenseitig in die Pfanne hauen, oder?
Gut, das mit dem Loben kann ich mir verkneifen. Aber ein leichtes Grinsen um die Mundwinkel erlaube ich mir, bevor ich versuche, wieder möglichst streng zu gucken und halbwegs pädagogisch wertvoll die Kurve zu kriegen. „Dann war das wohl ein Einbrecher, hm?“, beende ich das Verhör und gebe ihnen zu verstehen, dass leere Schachteln im Kühlschrank eine dumme Idee sind. Die Kinder nicken eifrig. Der berüchtigte Einbrecher, den kennen wir hier schon. Der muss es gewesen sein.
Geschwister zu haben ist praktisch!
Auch sonst sind Geschwister eine sehr praktische Sache: An seiner älteren Schwester sieht mein Sohn, dass das Erwachsenwerden mit Vorteilen und neuen Rechten verbunden ist, an seiner jüngeren, wie groß er selbst schon ist. So darf die Große mit ihren Freunden alleine per Bus in den Europapark fahren, der Sohn ohne mich mit seinem Kumpel auf den Rummel in der Stadt, und die Jüngste nur alleine bis zum Bäcker an der Ecke gehen. Und nichts davon ist für ewig, das wissen meine Drei. Die Spielregeln innerhalb einer Familie werden ständig neu verhandelt. Das sehen sie an ihren Geschwistern deutlicher als an sich selbst. Das kann der gelegentliche Besuch bei Klassenkameraden oder Freunden nicht leisten.
Großfamilie für einen Tag
Deswegen sind manche Einzelkinder auch etwas traurig: Mir sagte mal eine Schulfreundin der großen Tochter, dass sie das Gefühl habe, dass ihr etwas fehle. Dann kommt sie für einen Nachmittag zu uns. Sie guckt sich erstaunt an, wie turbulent es hier zugeht. Es gibt natürlich oft Streit und Ärger zwischen meinen drei Kindern. Am Ende eines solchen Tages geht das Mädchen dann sehr zufrieden nach Hause.
„Ach, so schlimm ist es gar nicht, keine Geschwister zu haben“, sagt sie zum Abschied. Und meine drei Kinder schauen sie empört an. Weil es natürlich das Allertollste ist, Geschwister zu haben – meistens jedenfalls.
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Titelbild: © Tatiana Bobkova/shuttersock.com
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