Eltern zwischen Vertrauen und Kontrolle
Den Kindern einen Vertrauensvorschuss zu geben, ist nicht dasselbe wie Weggucken. Auch wenn es von außen so aussehen kann. p>
Es gab ihn. Diesen einen Moment, in dem ich richtig schlucken musste und mir wünschte, meine Kinder und ich hätten ein weniger gutes Vertrauensverhältnis. Das war, als meine Große (nun fast 18) sich zu mir an den Wohnzimmertisch setzte und mir eröffnete, sie würde mich jetzt gegen den Rat ihrer Freundinnen etwas fragen: „Duhuu, Mama – eine Freundin will sich heute nachts zwischen zwei und drei Uhr im McSchnelldings mit mir treffen und dort was essen. Das machen viele aus meiner Klasse, aber ich will dafür nicht heimlich aus dem Fenster steigen, so wie meine Freundin das tut. Erlaubst du mir das?“
Darf ich etwas erlauben, was ich nicht erlauben darf?
„Oh“, sagte ich und war ziemlich perplex. Denn das Kind, das nachts um halb drei im McSchnelldings sitzen wollte, war 16 und sah aus wie 14. Mir gingen ziemlich viele Dinge durch den Kopf: Was, wenn die Polizei meine Tochter aufgreift und fragt, was sie da mache? Und ob ihre Mutter Bescheid wüsste? Und was wäre schlimmer: Wenn meine Tochter wahrheitsgemäß sagen würde: „Ja, meine Mutter hat das erlaubt!“ oder wenn sie behaupten würde, sie hätte sich davongestohlen?
Dann aber wurde mir inmitten all dieses Gedankenwirrwarrs klar, dass es toll war, dass meine Tochter das mit mir besprach. Denn in der Tat hätte sie ganz einfach aus ihrem Fenster im Erdgeschoss klettern können. Nichts und niemand hätte das verhindert.
Also erklärte ich ihr, was mir alles durch den Kopf gegangen war, und dass ich mich freute, dass sie mir vertraut. So wie ich ihr vertraue. Und wir machten aus, dass sie das einmalig und mit ihrer Freundin zusammen machen darf. Und zwar von unserer Wohnung aus, damit sie nicht nachts alleine durch die Gegend radeln müssen. Und sie mich wecken solle, wenn sie losgingen. Sie gingen dann natürlich durch die Haustür.
Ein Mehr an Kontrolle garantiert nicht Sicherheit und Familienfrieden
Ich weiß gar nicht, wer aufgeregter war in dieser Nacht – meine Tochter oder ich. Denn ich fieberte von zwei Uhr bis drei Uhr nachts mit und stand am Ende nervös auf dem Balkon. Würde sie von der Polizei heimgebracht werden? Oder würde alles gutgehen?
Am Ende verlief diese Aktion völlig unspektakulär. Mein Kind erklärte, das sei ja gar nicht so spannend, wie sie gedacht hatte. Und einmal nachts im McSchnelldings zu sitzen, reiche ihr völlig aus. Und überhaupt sei es blöd, am nächsten Tag so müde zu sein.
Am anderen Ende des Vertrauenssprektrums sehe ich Eltern von Klassenkameradinnen und -kameraden, die ihren Kindern Hausarrest geben oder mit Liebesentzug, Gebrüll oder gar körperlichen Strafen drohen. Ich habe den Sinn darin nie verstanden, und ich glaube, dass ein Mehr an Kontrolle für ein Weniger an Vertrauen sorgt.
Glücksformel: Mit den Kindern reden, aufs Bauchgefühl hören, vertrauen
Ich vertraue meinen Kindern. Einmal rief mich ein Lehrer an und sagte, er habe gehört, dass sich einige Kinder aus der Klasse meines Sohnes nachts zum Zocken verabredet hätten. Ich fragte meinen Sohn, ob das stimme und falls ja, ob er da mitmachen würde. Hätte mein Kind das abgestritten, hätte ich ihm zwar geglaubt, aber trotzdem auf meinen Bauch gehört: „Wäre es überhaupt vorstellbar, dass dieses Kind, das wie ein Stein ab halb zehn jeden Abend schläft, sich einen Wecker auf nachts um ein Uhr stellt?“ – Nein, wirklich nicht.
Es gibt vieles, das man nicht kontrollieren kann. Am Ende geht es beim Vertrauen immer um einen Vorschuss, etwas, das man freiwillig gibt. Mit Naivität hat das nichts zu tun, im Gegenteil. Es ist viel naiver, zu glauben, mit Kontrolle habe man alles im Griff. So funktioniert das Leben nicht. Und so funktioniert auch Kindererziehung nicht.
Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser
Natürlich gibt es auch bei uns Dinge, die nicht gehen. Wenn ich meine Kinder beim Lügen erwische, werde ich richtig sauer. Dann haben sie zumindest für die Angelegenheit, um die es ging, mein Vertrauen vorerst verspielt. Aber sie können es zurückgewinnen – und das ist entscheidend.
So hat eins meiner Kinder eine zeitlang gelegentlich Kleingeld aus meinem Portemonnaie gemopst. Darüber hatten wir einige Diskussionen, in denen es um genau diese Frage ging: Was bedeutet Vertrauen in der Familie und wie sehr muss ich als Mutter kontrollieren? Wir sind uns dann einig geworden: Wenn das Verhalten stimmt, dann gilt „Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser“. So ist es viel angenehmer für alle.
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Super, das ist gut gelaufen und ich erkenne mich in gewissen Punkten da auch wieder. Auch, was die „Nachtzockerei“ angeht, wenn Kinder das vereinbaren oder fragen, ob sie mal die Nacht durchmachen dürfen. Warum nicht, solange am nächsten Tag keine Schule ist … das ist allemal besser wie in einem Fall vor Jahren, als ich als Aussenstehende wusste, dass ein Junge sich häufig nächtens zum Handy spielen in den Schrank verzog. Den Eltern musste ich dann mit Chatprotokollen (in denen er mein Kind beleidigte, er war ein notorischer Mobber) beweisen, dass ihr Sohn morgens um 3 online war. Sie hätten mir sonst nicht geglaubt. Was auch beweist, dass man als Eltern technisch nicht nachlassen darf.